Gott spricht: Es werde!

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Alle verkündigten Großtaten Gottes sind Epiphanien: erfahrbare sowie tatsächlich erfahrene Ereignisse, die Leben wecken. Die Schriften von Judentum und Christentum berichten davon.

Die drei monotheistischen Religionen - Judentum, Christentum, Islam - gelten als Religionen des Wortes oder auch des Buches. Das gesprochene und das geschriebene Wort werden hörbar tradiert, denn lesen, insbesondere in der gottesdienstlichen Versammlung, heißt laut und vernehmlich verkünden.

Das Judentum wie auch das Christentum sind aber ebenso primär Religionen, die auf dem Sehen aufbauen. Gott zeigt sich: Er erscheint. Der Unsichtbare manifestiert sich auf sichtbare, ja auf geradezu unübersehbare Weise. Und das Wort, das hörbar zu sprechende Wort, wird in sichtbarer Schrift festgehalten, die auszurufende Botschaft wird sichtbar tradiert. In den ersten Sätzen des Schöpfungsberichts im Buch Genesis und ebenso in den ersten Sätzen des Johannes-Evangeliums, die in deutlicher Parallele formuliert sind - Bereschit, En arche, In principio, Im Anfang - sind Wort und Licht, Ausrufen und Aufleuchten, also auch Hören und Sehen auf der Seite des sensiblen Empfangens, unlösbar miteinander verbunden.

Glauben heißt: hören und sehen

Glaube kommt vom Hören, der Grundappell Gottes an sein Volk lautet Höre, Israel! Und doch ist Glaube fundamental eine spezielle Weise der Ein-Sicht. Jesus von Nazaret fordert von seinen Zuhörern, die nach Begründungen seiner Botschaft fragen: Kommt und seht! (Joh 1,39) Besser gesagt: Kommt, und ihr werdet sehen! Ähnliches sagt er auch zu den Abgesandten des im Gefängnis des Herodes zweifelnden Täufers: Geht, und berichtet ihm, was ihr hört und seht! (Mt 11,4) Geschautes wird in der Schrift zu sprachlicher Botschaft verdichtet, durch deren Vermittlung sich das ewige Aufstrahlen der Herrlichkeit Gottes, Epiphanie, konkretisiert und ereignet (etymologisch: er-äugnet!).

Die verkündigten Großtaten Gottes sind Epiphanien. Erfahrbare und tatsächlich erfahrene Ereignisse, die Leben wecken; Ereignisse, die zur Sprache gebracht werden müssen, um weiterhin bedacht, bedankt und ausgerufen werden zu müssen, um erfahrbar zu bleiben. Das ist der Sinn alles Feierns.

Vor allem in den Ostkirchen, ist das sichtbare Erscheinen der Herrlichkeit Gottes unerlässliche Aufgabe und Wirkung der Liturgie, ja geradezu Absicht und Sinn des festlichen Geschehens. In der Nestor-Chronik, die berichtet, warum der Großfürst der Kiewer Rus, Wladimir, bei der von ihm angeordneten Annahme des Christentums sich für dessen oströmische (griechisch-byzantinische) Form entschieden hat und nicht für die weströmisch-lateinische, spielt der Bericht der Kundschafter, welche die Liturgien beider Traditionen besucht haben, die entscheidende Rolle. In Konstantinopel war die Liturgie das erlebbare Erscheinen, die Epiphanie Gottes auf Erden und somit auch das Hineinversetzen der Mitfeiernden in die Herrlichkeit des Himmels. Die Kundschafter erzählen: Wir wussten nicht mehr, ob wir überhaupt noch auf der Erde waren oder im Himmel! Zu dieser Erfahrung haben nicht nur Riten und Gesang beigetragen, sondern auch die Architektur und Ausstattung des Raumes mit vielen Ikonen und Lichtern! Im lateinischen Westen ging es nüchterner zu.

Feiern: bedenken und bedanken

Der katholische Philosoph Josef Pieper (1904-97), der das Phänomen des Feierns gründlich analysiert hat, stellt fest, dass nur das, aber auch all das, was als "Zustimmung zum Leben“ erfahren wird, Anstoß zum Feiern gibt. Das muss gefeiert werden! Es genügt aber nicht, von solcher Zustimmung nur zu hören, es bedarf der Erfahrung von Tatsachen. Schon banale Erfahrungen dieser Art, etwa ein gewonnenes Fußballspiel, können Anlass zu ausgelassensten Feiern geben, und es lassen sich dabei sämtliche konstitutiven Elemente alles Feierns finden: sich Versammeln, Hintanstellen alles Notwendigen und Vernünftigen, Innehalten in jeglicher Arbeit, lautstarke Kundgabe zur Vergewisserung des Erfahrenen - Rufe, Lieder, Tanz -, Maßlosigkeit bis hin zur Lust an sinnlosem Zerstören.

Feiern bedeutet immer ein Zweifaches - das Latein unterscheidet zwischen feriare und celebrare: Zuerst einmal Nicht-arbeiten; aber es muss auch etwas zu feiern geben, das es lohnt, auf Arbeit und deren Ertrag zu verzichten. In vielen muslimischen Familien gilt die Regel, dass in einer guten Hochzeit der Ertrag von sieben Jahren Arbeit preisgegeben werden soll. Feste sind zu feiern, wie sie fallen. Herzhaftes Feiern zeigt, dass das Lebensbejahende wichtiger ist als das bloß Nützliche und materieller Ertrag.

Alle religiösen Rituale sind Feiern. Was haben Juden und Christen erfahren, das zu feiern ist? Die Erfahrung, dass alles, was west und lebt, im Geschaffensein seinen Daseins- und Lebensgrund hat. Der Schöpfer ist am Werk, er spricht sein Es werde!, das existenzbegründend ist. Und der Schöpfer selbst erscheint im Geschaffenen. Im Schaffen erweist er seine Huld als Anteilgabe an seiner Existenz und seine Treue in der Unwiderruflichkeit seines Schaffens.

Die Festgesänge von Juden und Christen - insbesondere die Psalmen und Hymnen - preisen die Huld und Treue Gottes, die sich in allen seinen Großtaten kundtun: Schöpfung, Entlassung in die Freiheit, Verheißung von Rettung aus jedem verschuldeten Unheil, Einlösung aller Verheißungen … und schlussendlich Hinführung zur Vollendung. Alle diese Epiphanien werden in Feiern bedacht und bedankt und werden in solchem Bedenken und Bedanken immer wieder als uns (und auch mir!) gegenwärtig erfahren.

O geheimnisvoller Tausch!

Alle Manifestationen der Huld und Treue Gottes kulminieren im Menschen Jesus von Nazaret. Dieser ist die große und unüberholbare Epiphanie Gottes. Schöpfung und Befreiung, Bundesschluss und Heilsverheißungen finden in ihm ihre krönende Vollendung. Er ist der Erstling der Schöpfung, der Erstgeborene der Toten, alles hat in ihm Bestand (Kol 1). Er ist der Befreier und der vom Vater Befreite, Er ist der Erfüllende und die Erfüllung aller Verheißung, Er ist der Vollender und die Vollendung göttlicher Liebe.

Er ist der ewige Logos, in ihm spricht sich Gott selbst aus; und Er ist das ewige Licht, in ihm strahlt Gottes Herrlichkeit - ohne Anfang, ohne Ende - in ewiger Liebe, und diese ist der ewige Geist, An- und Aushauch Gottes, als Vater, Sohn und Geist einander verbunden und eins. Durch sein Wort und im Geist schafft und rettet Gott; in seinen Großtaten - den magnalia Dei - erscheint die Herrlichkeit Gottes: Sie wird vernehmbar als Wahrheit, sichtbar als aufstrahlendes Licht.

Das ist die weihnachtliche Botschaft in den Schriften des erneuerten Bundes: Im Kind - in scheinbarer Ohnmacht - erscheint die rettende Allmacht. Im sich dem Tod Ausliefernden erscheint das Leben. O admirabile commercium! - o geheimnisvoller Tausch! Der als Retter und Befreier Kommende bittet die, die er retten und befreien will, sich ihm helfend und befreiend zuzuwenden!

Der Autor ist Liturgiker, Hymnologe und Ostkirchenexperte in Graz

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