Gottes Kraft in Menschenschwäche

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Am 21. Dezember jährte sich der Todestag des Kirchenhistorikers und Patristikers Hugo Rahner zum 50. Mal. Nicht nur Papst Franziskus schätzt den älteren Bruder Karl Rahners ob seiner Theologie der Verkündigung.

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Am 21. Dezember jährte sich der Todestag des Kirchenhistorikers und Patristikers Hugo Rahner zum 50. Mal. Nicht nur Papst Franziskus schätzt den älteren Bruder Karl Rahners ob seiner Theologie der Verkündigung.

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Wer heute den Namen Rahner in den Mund nimmt, wer Rahner zitiert, sich auf Rahner beruft, muss schon dazu sagen, wer gemeint ist. Johanna Rahner, die Dogmatikerin in Tübingen? Karl Rahner SJ (1904-1984)? Oder Hugo Rahner SJ, der oft nur als "der ältere Bruder von" rangiert - wie auf der Website der deutschen wie auch der österreichischen Jesuiten? Vor fünfzig Jahren, am 21. Dezember 1968, ist er verstorben.

Von Romano Guardini oder Henri de Lubac SJ geprägt, kommt Papst Franziskus immer wieder auf Hugo Rahner zu sprechen: den Ignatius-Forscher vor allem und den Kirchenhistoriker. Dabei verfällt aber auch Franziskus einem typischen Klischee, wenn er etwa Seminaristen (2014) empfiehlt: "Hugo liest sich gut, Karl ist schwierig zu lesen."

Hugo Rahner war ein feinsinniger Mensch, ein gesuchter Gesprächspartner und ein geistvoller Unterhalter. Nicht nur als "Hauskaplan" in der noblen Gesellschaft um den greisen Erzherzog Eugen von Habsburg (1954) in Igls, sondern auch im Kreis der Mitbrüder des Jesuitenkollegs und im Canisianum, einem internationalen Theologenkonvikt in Innsbruck, dem er von 1950 bis 1956 als Rektor vorstand.

Am 3. Mai 1900 wurde er geboren, im badischen Pfullendorf, als drittes von sieben Kindern. Ein Jahr später übersiedelte die Familie nach Emmendingen, später nach Freiburg im Breisgau - weiland einmal Vorderösterreich. Der Vater war Gymnasialprofessor. Auf ihn führte Hugo seine Vorliebe für Geschichte zurück. Noch während der Kaiserzeit wurde er für sechs Monate zum Militärdienst eingezogen. Bis auf einen kurzen Abstecher nach Belgien blieb er wegen einer Erkrankung auf eine Freiburger Kaserne beschränkt. Am 11. Januar 1919 trat er in das Noviziat der deutschen Jesuiten im Vorarlbergischen Tisis (heute Feldkirch) ein. Es folgen ordensinterne Studien der Philosophie im niederländischen Valkenburg und in Innsbruck, eine Erziehertätigkeit an der "Stella Matutina" in Feldkirch und das Theologiestudium in Innsbruck. Am 26. Juli 1929 wurde er von Bischof Sigismund Waitz zum Priester geweiht.

Wiederaufbau der Fakultät

Dort auch wurde Hugo Rahner 1931 mit einer Studie über die Geschichte der Christusfrömmigkeit in der Urkirche zum Doktor der Theologie promoviert. Für eine wissenschaftliche Laufbahn bestimmt, wechselte er für zwei Jahre nach Bonn: Bei dem Mediävisten Wilhelm Levison (der nach NS-Schikanen 1939 zur Emigration nach England gezwungen wurde) und Franz Josef Dölger erwarb er 1934 das philosophische Doktorat. Nach einer letzten ordensinternen Zeit der spirituellen Formung (Tertiat) im Westfälischen Münster kehrte er nach Tirol zurück. Er habilitierte sich 1935 mit dem Beitrag "Die Gottesgeburt. Die Lehre der Kirchenväter von der Geburt Christi im Herzen der Gläubigen". Noch im selben Jahr referierte er auf den Salzburger Hochschulwochen.

Im Sommersemester 1937 erhielt Hugo Rahner nach dem plötzlichen Tod des Lehrstuhlinhabers als jüngstes Mitglied der Fakultät dessen Ordinariat für Alte Kirchengeschichte und Patrologie zugesprochen. Im März 1938 wurde er für vier Monate Vizerektor des Jesuitenkollegs, als sich Florian Schlagenhaufen SJ nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitlerdeutschland seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen fühlte. Im Juli 1938 erfolgte die Aufhebung der Fakultät durch die Nationalsozialisten. Mit einem Teil der Professorenschaft wich Hugo Rahner im November nach Sitten (Sion) im Schweizerischen Wallis ins Exil aus. Bald nach Kriegsende konnte die theologische Fakultät wiedereröffnet werden. Hugo Rahner war ihr erster Nachkriegsdekan und hielt am 6. Oktober 1945 eine flammende Eröffnungsrede. In den nächsten Jahren schöpfte er aus dem Vollen. Er publizierte viel. 1949/50 war er Rektor der Leopold-Franzens-Universität -eine Aufgabe, die mit der vielbeachteten Rede "Vom ersten bis zum dritten Rom" ihren Auftakt nahm.

Als Karl Rahner 1963 den Ruf an den Romano-Guardini-Lehrstuhl annahm, nahm er seinen Bruder nach München mit. Die letzten Lebensjahre verbrachte Hugo Rahner im Schriftstellerhaus. Es war ein erzwungener Weggang aus Tirol gewesen. Mit 60 erhielt er die Diagnose Morbus Parkinson, damals fast ein Todesurteil. Spezialkuren in einem Freiburger Sanatorium oder längere private Aufenthalte in Natters im Innsbrucker Mittelgebirge konnten den Krankheitsverlauf nur verlangsamen. Zum Sterben reiste die 94-jährige Mutter nach München ins Krankenhaus Rechts der Isar.

Hugo Rahner erschloss Studierenden die Welt der Kirchenväter und die sonst nur stiefmütterlich behandelte Symboltheologie; zudem die Welt des Ordensstifters Ignatius von Loyola, dessen hagiografische Übermalungen er durch ein theologisches Profil zu ersetzen trachtete. Auf Einladung von Kardinal Innitzer hielt er bei einem Ferienkurs für Priester im niederösterreichischen Stift Altenburg im Sommer 1937 zwölf Vorlesungen, die 1939 unter dem Titel "Eine Theologie der Verkündigung" (1939) als Buch (Papst Franziskus: "Es ist ein Juwel") erschienen (1970 neu aufgelegt!). Damit stand er an vorderster Front mit anderen Innsbrucker Professoren, die eine kerygmatisch ausgerichtete Theologie zu inaugurieren versuchten -der (letztlich gescheiterte) Versuch, der "Vergehirnlichung" eines in sich steril gewordenen neuscholastischen Lehrbetriebs etwas entgegenzusetzen, der sich in Abstraktionen verloren hatte.

Hugo Rahner faszinierte, weil er in großen Zusammenhängen denken konnte. Er war, was man heute einen interdisziplinären Denker nennt. Das machte ihn für den Eranos-Kreis, das "Tessiner Bankett der Gelehrsamkeit" am Lago Maggiore -konfessionsübergreifend übrigens -interessant. Er führte ihn während des Schweizer Exils mit Größen wie Karl Kerény, Hermann Hesse oder Adolf Portmann zusammen. Nach Alfons Rosenberg sah er dort eine Möglichkeit, seine patristische Symboltheologie einzubringen, die etliche Jesuiten für "eine ästhetische Spielerei" hielten. "Griechische Mythen in christlicher Deutung"(1945) oder "Der spielende Mensch" (1948) haben hier ihren Ursprung.

"Confiteor und Gloria"

Märtyrerakten, Kirche und Staat im frühen Christentum, Maria oder Herz-Jesu-Theologie waren weitere Themen. Auf zwei Katholikentagen war Hugo Rahner Festredner: Dass "Confiteor und Gloria" (Wien 1952) nahe beisammen liegen, dass Kirche sich immer als "Gottes Kraft", wenn auch "in menschlicher Schwäche" zeigt (Köln 1956), das war ihm als Theologe ebenso bewusst wie als Seelsorger. Die beiden Sammelbände "Ignatius von Loyola als Mensch und Theologe"(1964) sowie "Abendland" (1966) wären nie erschienen, hätte der Orden dem Dahinsiechenden nicht junge Jesuiten (Scholastiker) wie Karl Markus Kreis oder Roland Fröhlich zur Verfügung gestellt, die ihm zur Hand gingen: wissenschaftlich, editorisch, aber auch ganz praktisch -bei den zunehmend den Alltag einschränkenden Behinderungen.

In seinem Nachruf würdigte Karl Rahner seinen Bruder mit den Worten: "In dem, was er sagte, konnte er schwungvoll und begeistert reden; wichtig tun und sich sonderlich wichtig nehmen, konnte er nicht. Aber es war etwas dahinter."

Hugo Rahner SJ: ein Innsbrucker Kirchenhistoriker in Brüchen der Zeit Symposion zum 50. Todestag Kath.-Theol. Fakultät der Universität Innsbruck, Karl-Rahner-Platz 1 17. & 18.1. www.uibk.ac.at/theol/

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