Gottes Wort zu Wirtschaft, Zins und Moral

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Die Theologin Barbara Rauchwarter bespricht in ihrem Buch die markantesten Stellen der Bibel über Geld, Zins und Eigentum. Ein Buch zur Krise in Ökonomie und Gesellschaft.

Die evangelische Theologin Barbara Rauchwarter hat ihre Bibelarbeiten aus vielen Jahren und Jahrzehnten als Lehrerin und Erwachsenenbildnerin gesammelt als Buch herausgebracht. Nein, kein erbauliches Bildbändchen, sondern eine Auseinandersetzung mit jenen Themen, die uns aktuell in allen Schlagzeilen beschäftigen: Zinsen, Kapitalakkumulation, Gewalt, Migration, arbeiten rund um die Uhr, Steuern zahlen, Brot und Spiele. Man muss dabei nichts uminterpretieren oder etwas in den Text hineinlesen, die Bibel spricht darüber deutlich und direkt. Man muss es nur (wieder einmal) wahrnehmen und erkennen, wie es da steht. Wir haben uns angewöhnt, vieles "geistlich“ und im Sinne eines bürgerlichen Wohlfahrtsstaates zu verstehen. "Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben.“ Das ist der Text des Vaterunser im Matthäusevangelium. Die "Schuldenkrise“ bewegt und betrifft alle, doch wer denkt daran am Sonntagvormittag?

Die soziale Botschaft der Tora

Barbara Rauchwarter öffnet die Augen für die soziale Botschaft der Tora. Deren Geltung war für die alten Israeliten unstrittig, sie war und ist selbstverständlich für das jüdische Volk und klarerweise auch für den Toralehrer Jesus aus Nazareth und seine Jüngerinnen und Jünger. Der biblische Gott steht auf der Seite der kleinen Leute, das Gesetz Gottes gilt selbst für den König und er muss dafür Rechenschaft ablegen: das ist einmalig in den vielen orientalischen Herschertraditionen. Als Referenz verweist Rauchwarter auf das Who-is-Who der sozialgeschichtlichen Bibelauslegung. In den Anmerkungen begegnet man Schottroff, Stegemann, Ebach, Crüsemann, Marquardt, Casalis und Duchrow … In einem Register erklärt sie Schlüsselworte ihres theologischen Zugangs (Nächstenliebe, Sünde, Segen), aber auch methodische Aspekte biblischer Wissenschaft. Das erste Stichwort ist "Antijudaismus“, weil es im Alphabet vorne steht, aber auch programmatisch, weil es ein zentrales Bemühen von Rauchwarter ist, jeder Herabsetzung jüdischen Glaubens und jüdischen Lebens entschieden entgegen zu treten. Sie nennt judenfeindliche Traditionen konkret beim Namen und stellt auch traditionelle Interpretationen vor, in denen dem Bibelwort der Stachel gezogen wurde. So macht die Autorin deutlich, zu welcher Auslegungsgeschichte sie eine Gegenposition vertritt, wo für sie die biblische Botschaft klarstellt: "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert.“ (Mi 6,8)"Die Befreiungstheologie enthält unzweifelbar wertvolle Elemente: ein tiefer Sinn für die erlösende Gegenwart Gottes, Betonung der gemeinschaftlichen Dimension des Glaubens, Dringlichkeit einer befreienden Praxis, die in Gerechtigkeit und Liebe wurzelt. Eine neue Aneignung der Bibel, die aus dem Wort Gottes Licht und Nahrung für das Volk Gottes inmitten seiner Kämpfe und seiner Hoffnungen schöpft.“ Das schrieb die Päpstliche Bibelkommission im Jahr 1993 (Die Interpretation der Bibel in der Kirche E1).

Diese Wertschätzung aus Rom wird die Autorin als überzeugte Protestantin wohl nicht sehr beeindrucken. Anderen möge sie vielleicht ein Anstoß sein, in Zeiten des Streits um korrekte Wandlungsworte und im Bemühen um vertiefte eucharistische Anbetung sich wieder auf diese Dimension des Wortes Gottes zu besinnen. Denn, wie schreibt die Päpstliche Bibelkommission? "So ist die volle Aktualität des inspirierten Textes hervorgehoben.“ Sie schreibt "volle“ Aktualität, ja! Was will man mehr? Ein Dank an die Autorin, dass sie an den konziliaren Prozess für "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ erinnert und uns mit ihrem Buch einen so wertvollen Begleiter mit auf den Weg gibt.

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