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Gottfried Bachls „anstößiger Jesus"

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„Jesus von Nazaret", „eine sperrige, eckige Figur", so der Dogmatiker Gottfried Bachl, ist 1994 Thema der Salzburger Hochschulwochen.

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„Jesus von Nazaret", „eine sperrige, eckige Figur", so der Dogmatiker Gottfried Bachl, ist 1994 Thema der Salzburger Hochschulwochen.

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Das verhängnisvolle Symbol des Tabernakels verführt dazu, daß man Jesus zum verwaltbaren Inhalt degradiert." Gottfried Bachl, Professor für Dogma-tik in Salzburg, wird in der zweiten Halbzeit der „Salz-, burger Hochschulwochen" über den „schwierigen Jesus" sprechen: „Ich möchte die Aufmerksamkeit auf den anderen Jesus lenken. Auf den widersprüchlichen Jesus, der voller Schärfe die Sadduzäer kalt stehen läßt und doch das Wort von der Feindesliebe spricht." Nicht der historische

Jesus, auch nicht eine Figur, „die sich jetzt im Museum befindet" ist Bachls Thema, sondern der andere, „der nicht-angepaßte Jesus, der nicht Inhalt, sondern Motor der Kirche ist".

Was aber soll immer noch „schwierig" sein, an einer Gestalt, die seit Jahrhunderten Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen ist? „Wir leben in der Zeit eines Verschmelzungs- und Vereinheitlichungsbedürfnisses. Auch die Religionen werden auf dieses Ozeanische, Harmonische hin abgerufen", meint der Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. „Jesus ist eine Persönlichkeit, die da nicht hineinpaßt. Er ist eine sperrige, eckige Figur. Jede Generation, jede Person hat ihre eigenen Schwierigkeiten mit Jesus. Weil er anzieht und abstößt."

Was aber ist das Anstößige an Jesus? „Seine Kleinheit im Gewoge der Evolution. Seine Vergleichbarkeit mit anderen großen Persönlichkeiten. Die Nacktheit Jesu, die Bloßheit eines Menschen, der durch kein System geschützt ist, keine Missio canonica besitzt, wie wir Theologen und Religionslehrer. Jesus war kein ,Erfolgsmensch' wie Drewermann."

Auch für die Kirche sei der „schwierige Jesus" ein Stachel im Fleisch. Aber er sei es auch, der sie „aufwecken", sie davon abbringen könne, „sich ständig mit ihren eigenen Strukturen und ihrer Befindlichkeit zu befassen. Nur in der Auseinandersetzung könne sich die Kirche aus ihrer narzistischen Befangenheit herausentwickeln."

„Für uns ist das Kreuz längst ein Stück Hausrat geworden. Wenn man sich aber bewußt macht, was das Kreuz bedeutet, hält man es mit diesem Symbol nicht mehr so leicht aus: Jesus starb den Tod der Schande. Was hat das Kreuz in unserer ästheti-sierten Lebenswelt noch verloren?"

Bachl will einen Stein des Anstoßes werfen, neugierig machen auf diesen „anderen' Jesus; dessen Schimpfworte aussprechen; ohne Beifall oder auch nur Zustimmung zu erwarten, zum Nachdenken über Jesus anregen: „Auch das ist eine Form von Andacht."

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