Grenzgänger zwischen den Fronten

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Ein neues und spannendes Buch über den theologischen Giganten und kritischen Denker Nikolaus Cusanus.

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Ein neues und spannendes Buch über den theologischen Giganten und kritischen Denker Nikolaus Cusanus.

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Kardinal Christoph Schönborn hat 1979 einen Aufsatz über ihn geschrieben: über Nikolaus Cusanus (1401-64), Theologe, Philosoph, Mystiker; Bischof von Brixen und Kurienkardinal von Rom. Schönborn stellt darin die Christologie als zentrales Anliegen des Cusanus heraus: Christus ist der, in dem die Menschen Gott selbst sehen können.

Derselbe Cusanus, für den das Herzstück aller Theologie die schwierige Lehre von der Dreifaltigkeit ist, schreibt an Papst Pius II.: "Wenn Du die Wahrheit ertragen kannst: Nichts, was an dieser Kurie betrieben wird, gefällt mir. Alles ist verkommen, keiner füllt seinen Posten wirklich aus. Weder Dir noch den Kardinälen liegt das Wohl der Kirche am Herzen."

Beide hier geschilderten Facetten berichtet auch Heinz Malangre in seinem Cusanus-Buch über diesen "Grenzgänger zwischen den Fronten". Malangre, Jurist und Geschäftsführer eines Verlages, hat sich sein Wissen um Cusanus selbst angeeignet und versucht "ohne wissenschaftliche Ambition und Qualifikation", theologischen Laien das Denken eines schillernden Denkers nahezubringen. Esgelingt ihm, auf spannende Weise Leben und Werk einer Person nachzuzeichnen, die ihrer Zeit weit voraus war.

So beschäftigt sich Cusanus bereits in jungen Jahren auf dem Baseler Konzil mit der (damals?) kirchenpolitisch brennenden Frage: Wer ist kompetenter - der Papst oder ein Konzil? Cusanus vertritt weder Absolutismus noch Demokratismus; für ihn zählt allein der gemeinsame Konsens aller. Ziel ist die "concordantia", die "ganzherzige", aktiv betrieben Einmütigkeit aller. Das Papsttum ist für ihn keine dogmatische Frage, sondern eine Frage kirchenpolitischer Handlungsfähigkeit. Wichtig ist außerdem nicht, wer entscheidet, sondern was entschieden wird.

Sein Weg führt Cusanus aus der Kirchenpolitik mitten ins Denken: zuerst in die Philosophie, wo er auf "den Zusammenfall aller Gegensätze" als Grenze menschlichen Denkens stößt - "die Mauer des Paradieses", wie er sie aus gläubiger Perspektive nennt. Über diese Grenze führt kein Denken mehr (man erreicht sie allerdings nur durch Denken), sondern nur mehr das Gebet und die Gnade Gottes.

Diese mystischen Erfahrungen führen Cusanus wieder mitten in die Welt zurück und inspirieren das Anliegen seiner letzten Jahre: Religionsfrieden, christliche Ökumene und Toleranz gegenüber anderen Religionen. Denn seine Gotteserfahrung hat ihn gelehrt, daß die konkreten Religionen immer "nur" auf ihre jeweilige Kultur bezogen sein können. Leider ist dieser Mann als Bischof gescheitert, seine Anforderungen waren zu hoch, sein Denken zu mutig. Letztlich ordnete er sich dem Papst unter.

Ist auch der bekenntnishafte und subjektive Stil des Buches mitunter etwas mühsam, muß man doch das Engagement des Laien Malangre achten, der seinen Glauben ernst nimmt und den Weg des Cusanus einschlägt: über den eigenen Glauben nachdenken und immer wieder weiter lernen wollen. Denn dies scheint die eigentliche Mitte des cusanischen Lebenwerkes zu sein: seine Haltung zu Christus, ebenso aber auch zur Welt und zu den Menschen.

Nikolaus Cusanus begegnet Menschen von heute. Von Heinz Malangre. Verlage Einhard und Butzon & Bercker, Kevelaer u. Aachen 1999. 136 Seiten, Pb., öS 161,-/e 11,67

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