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Grundzüge einer Ethik der Persönlichkeit

19451960198020002020

Von Leopold Soukup. Verlag Anton Pustet, Graz-Salzburg. 179 Seiten

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Von Leopold Soukup. Verlag Anton Pustet, Graz-Salzburg. 179 Seiten

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Wer mit den überkommenen Vorstellungen der Ethik an dieses Buch herantritt, tut gut, zuerst Seite 112 aufzuschlagen. Hier erst wird klar ausgesprochen, daß der 'Verfasser nicht eine vor- und außertheologische Sittenlehre, inhaltlich bestimmt durch die lex naturalis, vor hat, sondern ein eminent religiöses Anliegen: Ethik als Erfüllung des Anrufes Gottes, der den Menschen unausweichbar im Augenblick stellt.

Wie nehmen sich von dieser Position her die „Grundzüge einer Ethik“ aus? — Zuerst wird der Mensdi im Ganzen der Seinsordnung als substanzielle Ganzheit gesehen, al6 Geistwesen mit Erkenntnis, die im „Vorgriff“ auf Gott weist und im Begehren nach Gott verlangt. Die Freiheit wird (nach Gehlen) von Instinkt und Affekt abgehoben. Sie ist ureigenstes Existential der Person. Bei der Darlegung der Notwendigkeit einer Begegnung der Person mit dem Du und dem Du der unendlichen Person (76 ff.) hätte, neben der klaren Blässe Guardinis, Fr. Ebner (den der Verfasser kennt, S. 97), tiefer geführt. — Mit einem Sprung wird der bisherige phänomenologische Vorgang verlassen (86 ff.) und von Gott gehandelt. Denn Er ist das unendliche Du de6 Menschen, dessen Leben „Dasein auf Anruf Gottes“ (wunderbar! S. 82) ist. Aber diese Existenz des Gläubigen ist schon auf der gleichen Seite fortfolgend zur „Situation geworden. — Gewissen ist nicht die bekannte Fähigkeit der praktischen Vernunft, auch nicht die „Stimme Gottes“ (wie nah sich der Katechismus und der religiöse Existentialismus stehen! Da hätte der Verfasser konsequent einhaken müssen.), sondern ist „Funktion der Person. Die Objektivität der menschlichen Sittlichkeit wird zunächst nicht (später schon, S. 99 ff.) in der göttlichen Unordnung, sondern „zutiefst in den objektiven, unabänderlichen Gegebenheiten der menschlichen Natur gesehen. Im irrigen Gewissen erkennt der Mensch „den Entwurf“ seines Daseins nicht oder nicht voll. Denn dieses ist auf das Du Gottes hin veranlagt. Darum nimmt der Verfasser, gerade von seinem Standpunkt aus, die Auseinandersetzung mit dem postulato- rischen Atheismus Nicolai Hartmanns (99 ff.) so ernst und ausführlich. Hier (oder S. 134 ff.) wäre auch der Ort gewesen, die meonische Gnosis, oder, wenn man will, die apophatische Theologie Berdjajews abzuwehren, schon deswegen, weil sie 6ich als alleinige christliche Abwehr Nicolai Hartmanns versteht. — Endlich Seite 110 kommt die lex aeterna! Im Kairos, im jeweiligen Anruf, entscheidet der Mensch frei über sich.

Nun zu Einzelheiten: Die Einleitung (bis 24) könnte ohne Verlust gestrichen werden. Sie ist auch da6 Fraglichste im Gesamt. Sie setzt das Buch voraus und sollte es umgekehrt begründen. Der Verfasser mußte damit rechnen, daß der Leser mit einer herkömmlichen Auffassung der Ethik sein Buch zur Hand nimmt. So aber windet er 6ich unter manchen Sätzen, die zum Beispiel auf S. 14 ff. stehen. Er hat ständig den Eindruck, daß die sittliche Ordnung, die genau so eine objektive ist wie etwa die logische, ständig mit dem Akt ihrer Verwirklichung zusammengeworfen wird. Die Denkschwierigkeit, die sich der Verfasser (S. 16 ff.) selber auflädt, wäre behoben, wenn er die Ethik zuerst in ihrer Stellung als philosophische Disziplin beließe. Man ist versucht, ihm das Stichwort lex aeterna oder auch nur ordo zuzuflüstern, um ihn au6 dem mühsamen Schwebezustand terminologisch und logisch vibrierender Gedankenflüge, kreuz und quer,- herabzuholen. Was rein rational Seite 23 und richtig schon Seite 22 steht, wäre als methodischer Vorgriff (auf S. 110) auch hier erlaubt. So kommt es, daß auf Seite 19 Sätze stehen, die in diesem Zusammenhang nominali6tisch und anrüchig erscheinen, und lange, nachdem man eich über sie geärgert hat, ihre mindestens vertretbare Deutung erfahren. Die Terminologie S. 22 ist nach Max Scheler nicht mehr unbesehen einzusetzen. Wozu sieht der Absatz S. 55 und überhaupt vom Begriff der Seele ab? Soll es nicht auch S. 61 statt „abhängig“ „abhängbar“ (Gehlen) heißen?

Trotz allem bleibt das Buch eine mächtige Leistung. Es ist der erste Versuch einer unvermittelt aus dem christlichen Glauben erstehenden sittlichen Existenz. Also eigentlich überhaupt keine Ethik, wie sie bislang verstanden wurde. Dieser erste Vorstoß muß bei der Beurteilung beachtet werden. Der Verzicht des Verfassers auf ein vollendetes Werk (Vorwort) verweist wohl auf da6 Fehlen einer geschlossenen Komposition. Das Buch gleicht einem Mosaik, nicht einem Gemälde.

Deines Lebens Sinn. Eine Auswahl.aus dem Gesamtwerk von Immanuel Kant. Herausgegeben von Wolfgang Kraus. Georg- Prachner-Verlag, Wien 1951. 155 Seiten.

Es war zweifellos ein glücklicher Gedanke, eine allgemeinverständliche Auswahl au6 Kant zusammenzustellen. Die drei Kritiken sind in fünf Kapitel gesammelt („Deine Kraft“, .Deine Grenze“, „Deine Aufgabe“, „Deine Erfüllung“, „Schönheit und Kunst“), aus denen der Laie, für den die kleine Auswahl bestimmt ist, eine Ahnung von den Zielsetzungen des Philosophen erhält. Die beiden letzten Abschnitte, „Frauen und Liebe sowie „Weisheit des Lebens“, ergänzen den Philosophen Kant durch den Lebenslehrer. Die Form der einzelnen Sentenzen ist die ganz kurzer ausgewählter Stellen, wodurch da6 Buch das Ansehen eines Aphorismenbandes erhält. Und Aphorismen lassen sich schnell und ohne Risiko genießen. Der Herausgeber hat ganz richtig erkaftnt, daß der als unverständlich verrufene Schriftsteller Kant auch minder anspruchsvolle Register ziehen kann. Die hat er uns, ihm zu Dank, hier gesammelt. Das ist sicher eine gute Art, Kant den heutigen Laien zugänglich zu machen. Daß ei'ch der geniale Denker ia solchem Gewände ein bißchen harmlos und gemütlich ausnimmt, schadet nichts. Ein klares und gedrungenes, 18 Seiten umfassendes Geleitwort macht den Leser mit den nötigsten Kenntnissen über Kants Absichten vertraut Auch diese Einführung erweist den Herausgeber als klugen Führer durch die ungeheure Landschaft des Kantschen Geistes. Es ist zwar nicht das erste Kant-Brevier, dürfte aber anno 1952 wohl da6 einzig erhältliche sein. Die Texte 6ind der besten Ausgabe, der Gesamtausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1902 bis 1941, entnommen. Die Auswahl darf als gelungen bezeichnet werden.

Augustinus. Vom Götterreich zum Gottesstaat. Von Hans Eibl. 10. Band der von J. David herausgegebenen Monographienreihe: Kämpfer und Gestalter. Verlag Otto Walter AG, Olten 1951. 280 Seiten.

Der Verfasser, seit Jahrzehnten hervorragender Kenner und Bearbeiter augustini- scher Gedankenwelt, wiederholt und bereichert diese um neue Einsichten. Was schon in seinem Heuptwerk: „Augustin und die Patristik“ (München 1923), und dann in seiner leider viel zu wenig bekannten Studie: .Von Augustinus zu Kant“ (Wien 1933), in kristallenen Begriffen aufgebaut wurde, erfährt hier nun letzte Austeilung und Zusammenfassung. Die angefügte Zeittafel, ein wohldurchdachtes Panorama, das in einem weiten Oval um Pauli Bekehrung und Caroli Magni Krönung schwingt, erhebt ganz besonders deutlich Ort und Stunde, worin Augustinus, sein Denken und Wirken, auch soziologisch definiert erscheint.

Goldenes Budi Papst Pius’ XII. und der Kirche im Anno Santo. Von Ago6tino G hilardi. Verlag Gerlach und Wiedling, Wien. 320 Seiten.

Das Buch gilbt sowohl textmäßig wie besonders auch bildmäßig einen reichhaltigen Überblick über die Feier des Heiligen Jahres 1950 in Rom. Die Eröffnung der Heiligen Pforten, die Gestalt des Papstes, Audienzen im Vatikan und in Castel Gandolfo, Rom und seine Kirchen, besonders die großen Basiliken, die Nationen, die nach Rom pilgerten — Weiße, Neger, Asiaten, Indianer, Könige, Bettler —, Kongresse, die in diesem Jahr stattfanden, die großen Heiligsprechungen, alles das zieht an dem Leser vorüber. Demjenigen, der dieses Jahr in Rom erleben konnte, eine Vertiefung eeiner Erinheiungen, jenem, der Rom 1950 nicht selbst sah, eine Möglichkeit, an der Fülle der Bilder sich eine Vorstellung von diesen Tagen zu machen. Die technische Wiedsrgabe der Bilder zeigt nur, daß in Österreich das Tiefdruckverfahren noch immer nicht ganz auf der Höhe ist.

Akten zur deutschen auswärtigen Politik.

Serie D Band III. Deutschland und der spanische Bürgerkrieg 1936 bi6 1939. Verlag Regie Autonome des Publications Officieles, Baden-Baden 820 Seiten.

Nunmehr liegt der III. Band der von einer gemischten amerikanisch-britisch-französischen Historikerkommission vorgenommenen Aktenedition deutscher Beuteakten vor. Gemäß dem Vorhaben der Herausgeberkommission, mit der größten Objektivität einen Beitrag zur Geschichte des zweiten Weltkriegs zu leisten, wurde auch diese Quellensammlung außerordentlich sorgfältig ausgewählt. Soweit beurteilt werden kann, enthält sie eine zusammenfassende Schau der wichtigsten diplomatischen Akten über die wechselvollen Beziehungen zwischen Franco-Spanien seit 1936 bis Juli 1939, Wir behalten uns vor, auf einzelne Dokumente und Gruppen noch in einem zusammenfassenden Artikel einzugehen. Editionstechnik und Genauigkeit sind ein Musterbeispiel europäischer Geschichtsschreibung.

Älpler, Holzer, Klosterleute und Jäger (Tiroter Typen). Von Constantin Thun. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck. 144 Seiten.

Drei Werte von allgemeinerer Bedeutung scheinen uns dieses eindrucksvolle Büchlein auszuzeichnen. Zum ersten sind 66 durchaus .eigene“, ganze und in ihrer knorrigen Eigenart höchst wertvolle Menschen, die uns in diesen zehn Gestalten aus den Tiroler Bergen schlicht, aber fesselnd und ungeschminkt von einem natur- und volkverbundenen Jäger und Bergsteiger geschildert werden. Das absolute Gegenteil von jenen Allerweltsleuten, die einem im Dunstkreis der Grandhotels und der Filmrevuen sämtlicher Zonen als gleichgeschminkte, „tadellose“, maskenhafte Figuren begegnen. Diese nach außen sehr herben und wortkargen Alm- und Waldleute voll Lebensweisheit, voll Wetter-, Boden-, Tier- und Pflanzenkenntnis, die schon Erzherzog Johann als der Menschheit Kern“ bezeichnet hat, sind aber auch die Wurzeln jenes Mutterbodens au6 dem alle alpenländische Kultur erstand, und der immer noch jedem verständigen Leser ein Gesundbrunnen 6ein kann, aus dem er sich Kraft und Lebensfreude zu holen vermag. Und zum dritten enthält Thuns Büchlein, dem man da und dort eine kleine stilistische Feile wünschen möchte, so viel bodenständiges, vortrefflich erlauschtes Wortgut, da6 es jedem Volks- und Sprachforscher, aber auch jedem Bergwanderer, der nicht fremd durch die Bergbevölkerung gehen will, angelegentlich empfohlen sei.

Besonderes Lob verdienen die bewundernswerten Scherenschnitte von Irmgard von Freyberg, die dem Buch wahrhaft zur sehr belebenden Zier gereichen.

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