Gültig - aber nicht endgültig

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Am 1. Adventsonntag wird in Wien das Ökumenische Sozialwort vorgestellt: Ein Meilenstein der Ökumene - nicht nur in Österreich.

Das Dokument wird sorgsam gehütet: Kein Journalist bekam das Ökumenische Sozialwort zu Gesicht, bevor es am 27. November der Presse präsentiert wird. Offiziell wird das - nach vierjähriger Vorbereitung nun vorliegende - gemeinsame Papier der 14 christlichen Kirchen im Land am ersten Adventsonntag im Stephansdom vorgestellt. Schon am 30. Oktober haben es die obersten Kirchenrepräsentanten unterzeichnet - Kardinal Schönborn für die größte Konfession ebenso wie der evangelische Bischof Sturm oder Bischof Gabriel für die kleine koptische Gemeinde. Forts. S. 2

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Ein Meilenstein? Was immer über die Inhalte des Sozialwortes diskutieren werden wird: Erstmals haben sich alle Kirchen eines Landes zusammengetan, um miteinander zu sozialen Fragen Stellung zu nehmen.

1997 gab es wohl in Deutschland ein gemeinsames Wort von katholischer und evangelischer Kirche zur wirtschaftlichen und sozialen Lage. Doch es blieb dem österreichischen Ökumenischen Rat der Kirchen vorbehalten, eine sozialpolitische Standortbestimmung der Kirchen zu versuchen, die sowohl katholische, als auch reformierte, als auch die östlichen Kirchentraditionen an einen Tisch brachte. Das ist tatsächlich eine Weltpremiere und - so hofft nicht zuletzt Oberin Christine Gleixner, die (katholische) Vorsitzende von Österreichs Ökumenischem Rat der Kirchen, ein starkes Zeichen, dass die Ökumene noch sehr lebendig ist.

Auch Michael Staikos, der griechisch-orthodoxe Metropolit von Österreich, blies schon vor Wochen ins selbe Horn: "Wir waren hier im Stande - nicht nur die großen Kirchen, sondern alle 14, auch die kleinen - ein Sozialwort gemeinsam zu schreiben. Das ist großartig und bahnbrechend für die Ökumene in Europa!"

Ökumenische Störfälle

Dabei gab es in den vier Jahren des mehrstufigen Prozesses zum Sozialwort auch kritische Momente, wie Alois Riedlsperger, Leiter der Katholischen Sozialakademie und Chefkoordinator des Projektes, freimütig gesteht: Als etwa im Jahr 2000 durch die Veröffentlichung des vatikanischen Dokuments "Dominus Iesus" vor allem bei den protestantischen Kirchen große Verärgerung herrschte, sei auch das Sozialwort durchaus in Frage gestanden. Aber, so Riedlsperger, selbst solche "ökumenischen Störfälle" konnten der vorbildlichen Zusammenarbeit der Kirchen in Österreich letztlich wenig anhaben.

Katholische Perspektiven

Das Projekt eines Ökumenischen Sozialwortes war ursprünglich eine "katholische" Idee: 1998, beim Salzburger Delegiertentag zum "Dialog für Österreich", hatten 97 Prozent der Delegierten dem Votum zugestimmt, ein Sozialwort der Kirchen zu initiieren. Vom "Dialog für Österreich" ist - aus bekannten Gründen - heute keine Rede mehr; das Sozialwort kann da als einzige, rühmliche Ausnahme gelten: Der Dialog-Prozess, der dann ins jetzt formulierte Sozialwort mündete, könnte einen neuen Weg andeuten, wie man auch und gerade in der katholischen Kirche unterschiedliche Positionen wieder in einen Dialog bringt.

Das dürfte angesichts der realpolitischen innerkatholischen Situation zur Zeit ein frommer Wunsch sein, auf eine langfristige Rückwirkung auf die katholische Kirche darf dennoch gehofft werden.

Kein "Ende der Diskussion"

Wie verbindlich wird dieses Sozialwort aber sein? Der Ökumenische Rat der Kirchen, unter dessen Namen das Dokument erscheint, ist ein Beratungsgremium und keine Kirchenleitung. Daher wird das Sozialwort wohl "moralisch" verbindlich genannt werden können, (kirchen)rechtlich hat das keine Bedeutung. Die evangelischen Kirchen müssen dazu ihre Synoden befassen - und werden das auch tun, wie Michael Chalupka, der evangelische Verantwortliche für die Abfassung des Sozialwortes, meint (vgl. dazu und zum Prozess der Sozialwort-Werdung das Interview auf Seite 3). Auf der katholischen Seite liegt die Verantwortung für eine Implementierung bei den einzelnen Diözesanbischöfen; aufgrund der Heterogenität der katholischen Bischofskonferenz sind da - gelinde gesagt - unterschiedliche Akzente zu erwarten.

Aber die Namen - vom katholischen Kardinal bis zum methodistischen Superintendenten -, die unter dem Sozialwort stehen, geben dem Dokument, so sind sich die Verfasser einig, doch ein Gewicht, das nicht beiseite zu schieben ist.

Die ökumenische Ratsvorsitzende Gleixner nennt das Sozialwort in diesem Sinn einen "Kompass zum Denken, zum Leben, zum Handeln", der ein "gültiges, aber kein endgültiges Wort" darstellt. In solcher Formulierung steckt auch das Grundanliegen, das alle Beteiligten nicht müde werden zu betonen: Das Ökumenische Sozialwort ist Teil eines Prozesses; es stellt die Zusammenfassung eines vierjährigen Dialogs der Kirchen über soziale Fragen dar, es versteht sich aber weder als "fertig" noch gar als ein "Ende der Diskussion". Auch Alois Riedlsperger betont, dass es sich um ein "offenes, keinesfalls abschließendes Wort" handelt.

Für den sozialen Dialog

Was den Inhalt des Sozialwortes betrifft, so skizziert Riedlsperger das Anliegen, damit die Bedeutung des sozialen Dialogs ins Bewusstsein zu bringen: "Gesellschaftliche Reformen", so Riedlsperger, "bedürfen der Akzeptanz der Beteiligten." Und auch dahingehend versteht der Leiter der Katholischen Sozialakademie das Sozialwort als Modell. In neun Kapiteln - der inhaltliche Aufbau des Dokuments liegt der Furche vor - werden die wesentlichen gesellschaftspolitischen Fragestellungen angesprochen. Jedes Kapitel gliedert sich in eine Analyse zum Thema und formuliert dann Aufgaben für die Kirchen, um schließlich daraus Anfragen an und Aufgaben für die Gesellschaft zu thematisieren.

Christine Gleixner erzählt, dass auch der thematische Aufbau des Sozialwortes ein Ergebnis des vierjährigen Denkprozesses darstellt: Am Anfang stehen Kapitel zu Bildung und Medien, danach setzt sich das Dokument mit "Lebensverbindungen" auseinander, um sich danach dem Wandel der Lebensräume (Land-Stadt-Europa) zu widmen. Bewusst - auch buchstäblich - im Zentrum steht das Kapitel "Arbeit - Wirtschaft - Soziale Sicherheit", als Konsequenz daraus wird abschließend über Friede, Gerechtigkeit und "Verantwortung - nicht für die, sondern: in der Schöpfung" (Gleixner) nachgedacht.

Das letzte Kapitel des Sozialwortes, in dem die Kirchen ihre "Option für die Schwachen und Benachteiligten" betonen, weist nochmals darauf hin, dass "komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge angesprochen" werden. Der Schluss daraus: "Damit verbindet sich die ausdrückliche Einladung an alle, sich an einer weiterführenden kritischen Auseinandersetzung zu beteiligen."

ALLE INFORMATIONEN zum Sozialwort: www.sozialwort.at

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