Gute Geschäfte für die Müllverbrenner

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Knapp vor der deutschen Bundestagswahl ist die SPD immer noch mit Schadensbegrenzung in der Affäre um Kölner Parteispenden beschäftigt: Millionenbeträge mit Absender Müllbranche.

In Gang gekommen ist die ganze Sache, als Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft gegen mehrere Unternehmen, die in der Errichtung und im Betrieb von Müllverbrennungsanlagen engagiert sind, wegen Korruption und Steuerhinterziehung zu ermitteln begannen. Vorläufiges Ergebnis: Eingeständnis der Kölner SPD es habe Parteispenden gegeben, die nicht verbucht worden waren; Entdeckung von Geldflüssen in Millionenhöhe an Briefkastenfirmen in der Schweiz durch jenes Unternehmen, das für den Bau der Kölner Müll-Verbrennungsanlage verantwortlich zeichnete, bisher 20 Selbstanzeigen von SPD-Funktionären ...

"Zwei äußerst korruptionsanfällige Milieus sind miteinander verwoben - der Kölner Parteienklüngel und die regionale Müllmafia", analysiert die Zeit und hält fest: "In keiner Branche wird mit so harten Bandagen gekämpft wie im Abfallgewerbe." Dass es sich bei der Affäre nicht um einen einmaligen Umfaller in Köln gehandelt hat, wird aus einem Artikel im Stern deutlich. Dieser berichtet über Ermittlungen, die gegen den Konzern ABB - einer der Großen im Müllgeschäft - laufen. Es bestehe der Verdacht, dass bei der Errichtung der Müllverbrennungsanlagen in Bamberg, Böblingen, Ingoldstadt und Ludwigshafen Schmiergelder geflossen seien. Auch bei der Auftragsvergabe für die geplante Anlage in Rostock sei einiges mehr als fragwürdig.

Auch der Spiegel widmet dem Thema einen Schwerpunkt und zieht weitreichende Schlüsse: "Die Affäre ... macht der ganzen Republik klar, wie weit die Korruption sich inzwischen ausgedehnt hat. Beamte und Politiker kassieren allerorten, lassen sich kaufen mit Geld, Gefälligkeiten, Posten oder Aufträgen..." Das ist sicher überzogen wie jede Verallgemeinerung. Bedenkt man aber, dass sich die Zahl der Korruptionsverfahren in unserem Nachbarland zwischen 1994 und 2000 verfünffacht hat, bekommt die Aussage doch ein gewisses Gewicht.

Dass Müllverbrennung ein Sektor ist, in dem eine besondere Anfälligkeit für Unregelmäßigkeiten bestehen dürfte, ist den Aussagen von Hans Reimer zu entnehmen, dessen Unternehmen etwa 50 Prozent der deutschen Müllverbrennungsanlagen geplant hat. Da er derzeit selbst wegen Steuerhinterziehung vor Gericht steht, sei in Rechnung gestellt, dass da ein Angeklagter die eigene Schuld durch Überzeichnen relativieren will. Dennoch wird man Reimers Darstellung nicht ganz ins Reich der Fantasie weisen können, wenn er erklärt, Köln sei nur die Spitze eines Eisbergs (Die Zeit 12/2002). Die Kontaktpflege zum Auftraggeber, sei in der Müllbranche unter dem Begriff "Beatmung" gelaufen. Zwar habe man solches nicht von Anfang praktiziert. Als aber die Müllverbrennung das Deponieren der Abfälle zu ersetzen begann, sei das "Beatmen" in Mode gekommen. Zwischen den Anbietern habe es Preisabsprachen gegeben. Schließlich seien nur sieben (derzeit fünf) Anbieter in Frage gekommen (alle aus Deutschland und der Schweiz).

Es sei ja um Großprojekte gegangen, bei denen eine hoch komplexe Technologie, die eine Unmenge von Umweltauflagen zu berücksichtigen hatte, zum Zuge komme. "Die Bauämter waren mit der Prüfung völlig überfordert, die Firmen hatten ziemlich freie Hand, ein Preisvergleich konnte nur schwer gezogen werden. Das war das große Einfallstor für Machenschaften aller Art."

Und das Geschäft mit der Müllverbrennung war jedenfalls in Deutschland ein Wachstumsmarkt: 48 Anlagen im Jahr 1990 standen 60 im Jahr 1999 gegenüber, und bis zum Jahr 2005 sollen es insgesamt 75 sein.

Ausbau in Österreich

Man wird gut daran tun, die Erfahrungen, die Deutschland jetzt mit der Korruption auf dem Müllmarkt macht, in Österreich zu berücksichtigen. Denn auch hierzulande verläuft die Entwicklung äußerst dynamisch. Lange Zeit mit dem Stigma Luftverschmutzer behaftet, sind die Müllöfen derzeit im Kommen und erfreuen sich wachsender Beliebtheit bei Entscheidungsträgern.

In Wien sieht die Strategische Umweltplanung die Errichtung einer Riesenanlage in Simmering mit einer Kapazität von 450.000 Tonnen (größer als die in Köln) und dafür die Schließung der umstrittenen Anlage am Flötzersteig vor, was insgesamt eine deutliche Kapazitätssteigerung bedeutet.

Ebenfalls auf Müllverbrennung setzt Niederösterreich: In Dürnrohr entsteht eine Anlage, die auf 300.000 Tonnen ausgelegt ist und die zunächst 154.000 Tonnen Müll pro Jahr verbrennen soll. In Zistersdorf wiederum wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung für eine 120.000 Tonnen-Anlage positiv abgeschlossen.

80.000 Tonnen Müll will man im kärntnerischen Arnoldstein verbrennen und die schon bestehende Anlage in Wels (Oberösterreich) soll ihre Kapazität auf 300.000 Tonnen vervierfachen. Schließlich entsteht noch eine 100.000 Tonnen-Anlage im steirischen Niklasdorf - Rieseninvestitionen, die erst hereingespielt werden müssen.

Massive Interessen

Worauf ist dieses Umschwenken in Sachen Müllverbrennung zurückzuführen? Man wird - trotz der Erfahrungen in Deutschland - wohl davon ausgehen können, dass die erwähnten Möglichkeiten, bei Großprojekten relativ einfach Mittel umzumleiten, nicht maßgebend für den neuen Kurs gewesen sind. Dass es massive wirtschaftliche Interessen an solchen Großinvestitionen gibt, wird jedoch kaum jemand in Zweifel ziehen.

Wesentlich begünstigt wurde der neue Kurs durch eine Akzentverschiebung der Wirtschaftspolitik: Wachstum bekam im letzten Jahrzehnt eindeutig Vorrang vor anderen Anliegen - insbesondere jenen des Umweltschutzes. Im Bereich der Abfallbehandlung bedeutete dies eine Weichenstellung in Richtung Müllverbrennung. Die Deponie-Verordnung 1996 ist so konzipiert, dass die mechanisch-biologische Abfallbehandlung (MBA), die Alternative zur Müllverbrennung, nur schwer die Bedingungen für die Deponierung des Restmülls zu erfüllen vermag.

Auch das Weißbuch "Thermische Restmüllbehandlung in Österreich" des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend & Familie (1999) ist eine einzige Unbedenklichkeitserklärung für die Müllverbrennung. Keine Frage: Auf diesem Sektor hat es große technische Fortschritte gegeben, insbesondere was die Umweltbelastung durch Abgase anbelangt. So sei es gelungen, die Dioxin-Emissionen um den Faktor 1.000 zu verringern, hebt das Weißbuch hervor. Ein weiterer Verdienst der Müllverbrennung sei die Energiegewinnung. Auch würde bei der Verbrennung das Volumen der zu deponierenden Abfälle deutlich (um rund 75 Prozent) verringert. Das entlaste die überquellenden Deponien. All dem ist nicht zu widersprechen.

Wer nur das betont, zeichnet allerdings ein einseitiges Bild, dem andere Einsichten entgegen zu halten sind. Die derzeitige Abfallpolitik räumt dem Schutz des Grundwassers - das durch die wilden Deponierungspraktiken der sechziger und siebziger Jahre schwer geschädigt wurde - Priorität ein. Der Schutz dieser Lebensquelle verdient tatsächlich höchste Aufmerksamkeit. Allerdings ist Wasser nicht das einzige Milieu, das unsere Abfälle belasten. Mindestens ebenso gefährdet ist die Luft.

Nun stimmt es zwar, dass es gelungen ist, deren Beeinträchtigung durch Müllverbrennung zu reduzieren. Es fragt sich nur: Gelangt nicht immer noch aus den Schloten der Müllöfen zu viel an Schadstoffen in unsere Lungen? Otmar Wassermann, emeritierter Professor für Toxikologie in Kiel, sieht die Frage keineswegs so rosig wie das Weißbuch - ebenso wenig wie die im Vorjahr vorgestellte Greenpeace-Studie "Incineration and Human Health" (Furche 29/2001).

Es genüge nicht, einige wenige Indikatoren zu messen, hält der Toxikologe fest. Denn bei der Verbrennung von Hausmüll komme es zu unüberblickbaren Zahl von chemischen Reaktionen, von denen nur ganz wenige erfasst würden. Außerdem käme man auch bei modernsten Anlagen nicht um den Ausstoß von Feinstäuben herum, stellt er fest. An diesen hafteten toxische Stoffe, viele von diesen zwar in minimalsten Mengen. Bei der ohnedies schon sehr hohen Grundbelastung des Men-schen seien solche Wirkungen aber auf keinen Fall zu vernachlässigen.

Das hebt auch Klaus Rhomberg in der kürzlich vorgestellten Studie "Fertilität und Umweltgifte" hervor. Sein Resümee: "Nach dem heutigen Stand des Wissens gibt es keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln, dass ein großer Teil der ungewollten Unfruchtbarkeit in den westlichen Industrienationen auf die Hintergrundbelastung mit Schadstoffen zurückgeführt werden muss. Dabei sind es nur in seltenen Fällen einzelne Stoffe, die bei begründetem Verdacht als alleinige Ursache direkt nachweisbar sind." Verfahren, die systematisch im großen Stil solche Belastungen erzeugten, seien daher auf jeden Fall zu vermeiden.

Müllvermeidung ade

Und noch etwas ist bemerkenswert an der Option für Müllverbrennung: Nicht nur findet sie sich mit den steigenden Abfallmengen ab, sie trägt sogar dazu bei, dass aus wirtschaftlichen Gründen - Verbrennungsanlagen wollen gefüttert werden - in Zukunft ein mehr an Abfall willkommen sein könnte. Die Errichtung übergroßer Anlagen deutet darauf hin. Rechnet man etwa die derzeit in Betrieb und in Aussicht genommen Kapazitäten in Österreich zusammen, ergibt das einen Wert, der rund 30 Prozent über dem Wert des Restmüll-Aufkommens von 1996 liegt. Der Zwang, teure Kapazitäten auszulasten begünstigt schon jetzt den Mülltourismus: So wurde in Köln Abfall aus Süditalien verbrannt. Weniger weit wird es wenigstens steirischer Müll haben, der zukünftig Dürnrohr füttern soll.

Die Industrialisierung der Abfallwirtschaft erweist sich jedenfalls aus umweltpolitischer Sicht - wie die Erfahrungen in Deutschland allerdings zeigen, nicht nur aus dieser - als fragwürdiges Konzept. Und sie wird dazu beitragen, dass Müllvermeidung, das einzig wirklich zukunftsträchtige Konzept der Abfallpolitik, noch weniger zum Zuge kommt, als dies heute schon der Fall ist.

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