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Kurz vor dem G8-Gipfel Anfang Juli in St. Petersburg hat der russische Präsident Wladimir Putin Vertreter von Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus, Hinduismus und von Shinto-Religionen zu einem Treffen der "Religious Leaders" eingeladen. Jedem sind fünf Minuten Redezeit zugestanden worden. Alle betonten die positive Rolle, die Religion für den Frieden haben kann. Die Gefahren eines Missbrauches von Religion für die Rechtfertigung von Gewalt, Terrorismus und Krieg wurden nicht verschwiegen.Damit kann dieses Treffen als weiterer Schritt auf dem Weg zu einer Definition dessen, was eine "gute" Religion ausmacht, aufgefasst werden. Kritische Selbstdifferenzierung ist dabei ein unverzichtbarer Faktor.

Dass sich das nicht nur in Worten von Erklärungen solcher diplomatischer Gipfeltreffen niederschlägt, sondern sogar bis in die Gebetspraxis einer Religion hinein Wirklichkeit werden kann, habe ich im jüngsten Buch des Wiener Oberrabbiners Paul Chaim Eisenberg gelesen. Rabbiner Eisenberg beschreibt das Gebet, das Juden dreimal am Tag stehend beten. Es schließt mit folgenden Worten: "Ewiger, der Du Frieden in den Höhen stiftest, mache auch Frieden für uns und Dein ganzes Volk Israel."

Bei dieser Bitte um den Frieden gehen die Betenden drei Schritte nach hinten. Das wird wohl historisch aus altem höfischem Protokoll stammen, Eisenberg interpretiert diesen Brauch aber höchst aktuell: Wer um den Frieden betet, muss bereit sein, von seinen Maximalforderungen abzuweichen und drei Schritte zurückzutreten. So wird Raum geschaffen für die anderen. Denn "gut" und friedensfähig ist eine Religion auch nur dann, wenn sie ein Stück weit von sich selbst zurücktritt und damit "gut" wird für die, die ihr nicht angehören.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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