Hätte Ronald Biggs wieder eine Chance?

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Nicht nur die Einführung des Euro, sondern auch die Entsorgung der Schillingbestände ist eine gewaltige logistische Herausforderung.

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Nicht nur die Einführung des Euro, sondern auch die Entsorgung der Schillingbestände ist eine gewaltige logistische Herausforderung.

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Hatten Sie schon einmal das Problem, rasch drei Milliarden Stück Schilling- und Groschenmünzen und 470 Millionen Stück Schillingbanknoten loswerden zu müssen? Die naheliegende Lösung, nämlich ausgeben, steht spätestens ab 1. März 2002 nicht mehr zur Disposition, denn ab diesem Zeitpunkt sind Schilling und Groschen keine gesetzlichen Zahlungsmittel mehr und werden nur noch an den Schaltern der Österreichischen Nationalbank zurückgenommen.

Ab dann gilt in Österreich - und auch in all denjenigen Ländern Europas, die den Euro als Gemeinschaftswährung einführen - nur noch die neue Währung. Kein Wunder jedenfalls, wenn diverse seriöse oder auch weniger seriöse Organisationen sich bemühen, Ihre diesbezüglichen Bestände möglichst noch vor diesem Zeitpunkt für Sie auszugeben und Ihnen schon jetzt ans Geldbörsel gehen.

Offenbar stellt nicht nur die Einführung des Euro in konkreter Form von Noten und Münzen ein gewaltiges logistisches Unterfangen dar, sondern auch die Entsorgung der nicht mehr benötigten Schillingbestände. An diesbezüglichen Vorschlägen gab es keinen Mangel: Verbrennen war die am wenigsten innovative Idee; mehr Spielraum für die Phantasie bietet da schon die Vorstellung, das Altpapier zu schreddern und als Dämmstoff für Hausmauern zu verwenden. Der im Unterbewusstsein schlummernden Vision, dass man Geld anbauen und ernten könne, entspringt wohl der Vorschlag, die alten Noten zu kompostieren und zu Humus zu verarbeiten. Geradezu trivial wird im Vergleich dazu mit den Münzen verfahren: Sie werden zunächst verbogen und dann eingeschmolzen.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht aber zweifellos die Einführung der neuen Euromünzen und -banknoten. 340 Millionen Stück Scheine und 1,5 Milliarden Stück Euro- und Centmünzen sind allein in Österreich in relativ kurzer Zeit in Umlauf zu bringen; das Gewicht dieser Münzmenge beträgt rund 10.000 Tonnen. 14,5 Milliarden Stück Banknoten werden für alle zwölf Euroländer gedruckt; zehn Milliarden davon werden kurzfristig in Zirkulation gebracht, der Rest dient als logistische Reserve. Gewisse Lagerungs- und Statikprobleme in manchen Gebäuden, die Brennpunkte des Geschehens sein werden, sind nicht auszuschließen.

Über diese Brennpunkte des physischen Austauschs von Noten und Münzen, nämlich Banken, Handel, Gastronomie, über die Ausgabe der sogenannten "Startpakete" mit Münzen der neuen Währung an die Bevölkerung ab 15. Dezember 2001 und das "Frontloading" von Banken und Handel, also deren zeitgerechte Ausstattung mit ausreichend Bargeld, werden derzeit intensive Informationskampagnen geführt.

Naturgemäß stehen bei der Verteilung des "neuen Geldes" über ganz Österreich und Europa insbesondere die Sicherheitsfragen im Zentrum des Interesses. Details werden natürlich nicht verraten, der Bestand an eingesetzten Panzerwagen wurde jedenfalls auf 400 verdoppelt und ihre Routen nicht nur von Polizei und Gendarmerie gesichert, sondern auch über Satelliten-Überwachungssysteme verfolgt. Potentielle Nachfolger von Ronald Biggs werden sich also schwertun.

Vorsicht vor Falschgeld Es gibt jedoch einige weitere behandelnswerte Aspekte, die im Zuge der bevorstehenden Währungsumstellung aufgetreten sind. Da ist zunächst die Tatsache, dass das Auftreten von Falschgeld in den letzten Monaten bereits zugenommen hat - was auch vorhergesehen worden war, weil Fälscher, die noch auf Blütenbeständen der demnächst umzuwandelnden Währungen sitzen, diese nun möglichst rasch abzustoßen versuchen müssen, wollen sie noch etwas davon haben. Erhöhte Vorsicht in den nächsten Monaten ist daher durchaus geboten - und auch in der Folge, denn der Euro als "Weltwährung" wird für Fälscher durchaus interessanter sein als es der Schilling bisher war.

Auch solche Personen, die Geld zwar nicht gefälscht, aber "schwarz" verdient und zur Seite gelegt haben, ohne das Finanzamt gesetzeskonform zu beteiligen, könnten in Erklärungsnotstand geraten.

Wer zu Jahresbeginn mit dem sprichwörtlichen schwarzen Köfferchen voll Bargeld bei einer Bank antanzt und dieses gerne in Euroscheine gewechselt haben möchte, wird sich ab einem bestimmten Betrag legitimieren müssen, die Bankbeamten werden eine Meldung machen und unangenehme Fragen nicht nur nach der Versteuerung, sondern auch in Zusammenhang mit möglicher Geldwäsche stehen ins Haus.

Überhaupt werden in Europa derzeit wohl überall Geldscheine von unter den Matratzen und aus sonstigen Verstecken hervorgeholt, die dort aus verschiedensten Motiven gelagert worden waren. Die involvierten Beträge sind zweifellos alles andere als vernachlässigbar: So stellte man in Spanien zuletzt ein merkwürdiges Anziehen von Immobilienpreisen fest, das offenbar darauf zurückzuführen ist, dass undeklarierte Pesetenbeträge lieber noch rasch in Grund und Boden investiert werden, bevor man sie dem indignierten Blick des Bankbeamten aussetzt.

Problem Osteuropa Ein eher unangenehmes Problem stellen die außerhalb der Landesgrenzen der jeweiligen Heimatländer zirkulierenden Banknoten und Münzen dar. Bekanntlich gelten DM und in geringerem Umfang auch Schilling in weiten Teilen Ost- und Südosteuropas als Zweitwährung, sofern sie nicht überhaupt als einzige Währung zirkulieren (zum Beispiel DM in Montenegro). Niemand weiß genau, wie groß diese Beträge sind - sie sind aber beträchtlich. Was wird mit diesen Geldscheinen passieren? Wegen der geografischen Nähe zu diesem Raum könnten gerade die österreichischen Stellen aus diesem Titel stark für Eintauschaktionen gegen Euro herangezogen werden: entsprechende Sicherheitsreserven sind daher anzulegen. Ein Teil dieser DM- und anderer Bestände wird aber bereits jetzt - darüber liegen ausreichende Hinweise vor - in Dollar gewechselt: Manche Beobachter sehen darin einen möglichen Grund für die relative Schwäche des Euro.

Für den "normalen" Staatsbürger sollte es nach allem menschlichen Ermessen keine Probleme mit der Währungsumstellung geben. Schlangenbildungen vor den Banken am 2. Jänner 2002 sind nicht zu erwarten und sind auch absolut unnotwendig. Sparbuch- und sonstige Guthaben werden bekanntlich automatisch ohne weiteres Zutun umgestellt, und der Großteil der Bevölkerung wird einfach in den ersten beiden Monaten von 2002 seine restlichen Schillingnoten und -münzen ausgeben und Euro als Wechselgeld dafür entgegennehmen - ein gleitender Übergang im Geldbörsel sozusagen.

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