Harter Kampf um den extramuralen Bereich

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Es herrscht wieder einmal dicke Luft zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). "Brauchen wir den Hauptverband überhaupt?“, fragt ÖÄK-Präsident Walter Dorner provokant. Der diene ohnehin nur der Erhaltung von Versorgungsposten, wettert der oberste Ärztevertreter. Das lässt der Hauptverbands-Vorsitzende Hans Jörg Schelling nicht auf sich sitzen: Eine Institution abschaffen zu wollen, weil sie eine andere Position vertrete, bezeuge eine "antiquierte Denkweise“: "Wenn Dorner so weiter macht, entwickelt er sich zum Neugebauer der Gesundheitspolitik.“

Unmittelbarer Anlass des heftigen Streits ist der "Masterplan Gesundheit“, ein Hauptverbands-Konzept zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems. Doch die Ursache liegt tiefer. Es geht um die Frage: Wer hat das Sagen im sogenannten extramuralen Bereich, also außerhalb der Spitäler? Traditionellerweise teilten sich Ärztekammer und Krankenkassen die Macht im niedergelassenen Bereich. In den letzten Jahren jedoch versucht ein dritter Player, auf diesem Feld an Einfluss zu gewinnen: die Wirtschaftskammer Österreich. Fuß gefasst hat sie im Hauptverband: Schelling ist auch Vizepräsident der Wirtschaftskammer. "Der Hauptverband dient im Wesentlichen dem Machtstreben der Wirtschaftskammer, die möglichst viel Profit aus dem Gesundheitssystem herausschlagen will“, behauptet Ärztekammerpräsident Dorner.

Versicherungsfremde Leistungen

Dabei sind Ärztekammer und Krankenkassen eigentlich natürliche Verbündete. Nach Jahrzehnten der Gegnerschaft, gepflegt in den regelmäßigen Verhandlungen um die Honorare der Ärzte, gab es in den letzten Jahren eine Annäherung. Denn mittlerweile stehen die zum Teil hochverschuldeten Krankenkassen selbst unter massivem finanziellen Druck, und auch dem kämpferischsten Ärztevertreter ist klar geworden, dass nicht die Krankenkassen schuld daran sind, wenn bei der Bezahlung medizinischer Leistungen gespart wird.

Der Grund für die Misere der Kassen liegt vielmehr darin, dass ihnen Leistungen aufgebürdet wurden, die nichts mit ihrem eigentlichen Aufgabenbereich zu tun haben (z.B. das Wochengeld für Mütter), oder dass ihnen Einbußen nicht ersetzt werden, die aus sozialen Maßnahmen (z.B. der Rezeptgebührenobergrenze) resultieren. Laut Verfassungsrechtler Heinz Mayer sind diese Belastungen, die insgesamt über 900 Millionen Euro jährlich ausmachen, verfassungswidrig. Immerhin spricht sich der Hauptverband auf politischer Ebene für die Vergütung dieser versicherungsfremden Leistungen aus. Weil jedoch nur die unmittelbar Betroffenen, also die Krankenkassen, eine entsprechende Klage beim Verfassungsgerichtshof einbringen dürfen, wird die Frage wohl niemals vor dem Höchstgericht landen.

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