Herausforderung von Rio

Werbung
Werbung
Werbung

Zweifelsohne wird Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Rio seine Wirtschafts- und Sozialkritik äußern. Brasiliens katholische Kirche ist aber auch strukturell bedrängt.

Es mag Zufall sein, wenn die beiden letzten Päpste ihren ersten großen Auslandsauftritt beim Weltjugendtag zu absolvieren haben. 2005 führte die erste Reise Benedikts XVI. nach Köln, wo er sich vor den Scharen mehr oder weniger frommer Jugendlicher bewähren musste. Man konnte da erstmals in extenso sehen, wie dieser Papst sein öffentliches Auftreten anlegte: scheu, aber doch als Person völlig präsent; für den Glauben ohne moralischen Zeigefinger werbend; als Katechet, der sich nicht scheute, auch komplexe theologische Materien unters Volk zu werfen. Wenn die Erinnerung nicht trügt, sprach der Ratzinger-Papst von einem Schiff auf dem Rhein aus zu den Jugendlichen und legte ihnen die Transsubstanziationslehre dar. Solches mutete im ersten Augenblick skurril an, bei genauerer Betrachtung wurde hier schon klar, dass der neue Papst die alte Theologie mitten ins zeitgenössische Christentum einzupflanzen gedachte.

Eine zweite Koinzidenz verbindet Benedikt XVI. in Köln mit Franziskus in Rio: Der deutsche Papst kam in sein Heimatland, und auch für den derzeitigen Pontifexdürfte die Rückkehr auf seinen Kontinent mentalitätsmäßig ein Heimspiel werden. Doch anders als vor acht Jahren kommt diesmal keiner, von dem man noch nicht weiß, wie er das Papstamt anlegen wird.

Die Strafpredigt von Lampedusa

Franziskus hat in seinen atemberaubenden ersten Wochen schon Wegmarken gesetzt, die erstaunlich bleiben. Die Anekdoten rund um sein "unpäpstliches“ Verhalten könnten vermutlich bereits jetzt ein Buch füllen. Dieser Papst hat jedenfalls in Windeseile Geste um Geste gesetzt, die zeigen, worauf es im Christentum im Allgemeinen und im Amt des Bischofs von Rom im Besonderen ankommt. Highlight dabei war zweifelsohne der Besuch auf der italienischen Insel Lampedusa, durch den Franziskus der europäischen Flüchtlingspolitik die Leviten las: "Die Kultur der Gleichgültigkeit hat uns alle ‚namenlos‘ gemacht, verantwortlich, aber ohne Gesicht und Namen“, donnerte er da. Solche Sätze werden von Franziskus auch in Rio zu hören sein. Dass er - natürlich! - eine Favela besucht, ist ein sicheres Indiz hierfür. Es scheint klar zu sein, wie dieser Papst "außenpolitisch“ agieren wird, zumal er in ein Land reist, in dem die sozialen Gegensätze zurzeit aufbrechen (Seite 4/5 dieser FURCHE).

Keine Frage von konservativ oder liberal

Gespannt darf man aber auch aufs "innenpolitische“ Agieren von Franziskus sein, hält er sich ja im Land mit den meisten Katholiken weltweit auf, das aber kein "katholisches“ Land mehr ist. In Rio hat die Katholikenzahl die 50-Prozent-Marke bereits unterschritten, landesweit sind es noch 65 Prozent - vor einer Generation waren noch beinah alle Brasilianer katholisch. Der Katholikenschwund hat vor allem mit dem rasanten Aufschwung der Evangelikalen und der Pfingstkirchen zu tun, in geringerem Maß auch mit dem Erstarken synkretistischer Religionen, die auf alte Kultvorstellungen rekurrieren.

Wie in diesem Umfeld von Jesus und vom Reich Gottes in der Überzeugung der katholischen Kirche zu reden ist, stellt eine Herausforderung dar. Das ist keine Frage von konservativ oder liberal, in der solche Debatten im fernen Europa oft geführt werden. Denn die Theologie dieser neuprotestantischen Kirchen ist konservativ, der Zugang zum Glauben oft einfach. Hierzulande werfen manche Hierarchen mitunter ein neidisches Auge auf den Erfolg dieser Gemeinschaften, in denen auch ein vor- oder antimodernes Christentum Platz hat.

Aber gleichzeitig blühen viele dieser Gemeinden auch, weil sie strukturell vor Ort in der ganzen kirchlichen Fülle existieren können. Nur ein Beispiel: Kein Priester aus der Ferne muss da kommen, um Eucharistie zu feiern. Im Nu ist also etwa die Frage nach den Zulassungsbedingungen zum Priesteramt (Pflichtzölibat, Geschlecht ) auch in dieser Realität virulent.

Wird sich Franziskus auf derartige Fragen einlassen? Seine bisherigen Pontifikatstage wecken da keine Erwartungen.

otto.friedrich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung