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Hierarchische Doppelgleisigkeit

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Wie kam es zu der Zwitterstellung dieser Kirchen? Der historische Ansatzpunkt für die die kirchliche Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom erstrebenden orthodoxen Gruppen ist jeweils verschieden. Auch die Bedingungen, die Rom für die Union stellte, variieren stark — je nach der zeitbedingten und persönlichen Einstellung der Päpste oder ihrer verantwortlichen Behörden. Dennoch lassen sich bestimmte Merkmale in allen Fällen wiederfinden. Da ist zunächst der langsame, aber systematische Aufbau einer eigenen ordentlichen Hierarchie, der dazu führte, daß es in fast allen orientalischen Kirchen zwei spiegelgleiche Obödienzen gibt, eine orthodoxe und eine katholische. Diese hierarchische Duplizität führte wesentlich zur Versteifung der Fronten, besonders dort, wo dem orthodoxen Patriarchen ein katholischer gegenübersteht. Auf diese Weise wurden — so paradox das klingen mag — um der Einheit der ganzen Kirche willen die orientalischen Kirchen gespalten. Das zweite Merkmal ist die mehr oder weniger starke Latinisierung der unierten Kirche. Sie hing ab von dem jeweiligen Verständnis, das Rom für die legitime Eigenart des Ostens aufbrachte. Sie war aber auch von seelsorglichen Überlegungen beeinflußt: Den Gläubigen sollte ein klares Unterscheidungsmerkmal zu den Orthodoxen gegeben werden. In der Liturgie führte das in einigen Kir chen zu einer immerhin spürbaren Überlagerung ‘ des orientalischen Ritus mit lateinischen Elementen. In der kirchlichen Verwaltung und Jurisdiktion wurden die katholischen Patriarchen ihrer Rechte mehr oder weniger zugunsten der römischen Zentralleitung entkleidet. Sie blieben eine Art Titular-Patriarch. Dadurch sank ihr Ansehen bei den Orthodoxen noch mehr.

Ressentiments gegen die Unierten

Zu diesen beiden Merkmalen fügt Erzbischof Zoghby in seiner erwähnten Stellungnahme ein drittes hinzu: „Die Freunde des Westens hatten manchen Vorteil Dieser neuen unierten Hierarchie verschaffte man auch die Mittel, um ihre Kirche auf Kosten dier orthodoxen Kirchen zu entwickeln.“ Damit habe das „Benehmen der Unierten die Unverträglichkeit, die schon in ihrer Gründung verwurzelt ist, noch verstärkt“ (epd vom 5. Februar 1968). Was sich dadurch an Ressentiments angestaut hat, konnte und kann immer wieder beobachtet werden.

Ob diese Ressentiments für die Zukunft abgebaut werden, hängt weitgehend von den unierten Kirchen selbst ab. Während des Konzils war ihre Haltung nicht einheitlich. Von der Forderung nach größtmöglicher Selbständigkeit bis zu dem Bemühen um noch engere Anlehnung an Rom reicht die Vorschlagsskala in den verschiedenen Interven tionen. Es ist darum nicht verwunderlich, wenn das „Dekret über die katholischen Ostkirchen“ eigentlich niemanden recht befriedigt und immer wieder zur Kritik Anlaß gibt. Dennoch ist dieses Dekret nicht so schlecht, wie sein Ruf glauben macht. Den vom Konzil empfohlenen Verzicht, Orthodoxe „konvertieren“ zu wollen, bezeichnet Erzbischof Zoghby als einen ersten Schritt zur Entspannung, von dem er hoffe, daß alle Unierten ihn tun. Das wäre in der Tat ein wesentlicher Fortschritt. Darüber hinaus wünscht das Konzil die volle Wiederherstellung des orientalischen Ritus. Das bedeutet mehr als nur die liturgische Reform im orientalischen Sinne, es fordert die Wiederherstellung aller orientalischen Bräuche. Der Begriff Ritus bezeichnet in diesem Zusammenhang die volle Wiederherstellung der orientalischen Eigenart auf allen Gebieten des kirchlichen Lebens. Die unierten Kirchen sollen bewußt und gewollt Orientalen sein. Damit anerkennt Rom in einem Grad die Vollwertigkeit der orientalischen Kirchen neben der lateinischen Teilkirche, wie es seit dem ersten Jahrtausend nicht mehr geschehen ist. Wenn dies auch zunächst für die unierten Ostkirchen gesagt ist, so gilt das gleiche jedoch auch für die noch nicht mit dem Bischof von Rom in Gemeinschaft lebenden Kirchen. Für sie bedeutet die Intensität orientalischer Existenz der Unierten den Grad der Eigenständigkeit, den sie einmal in der Gesamtkirche haben werden.

Abbau der lateinischen Verwaltung

Die katholischen Ostkirchen müssen deshalb ihre ökumenische Aufgabe erkennen und überzeugend verwirklichen. Sie kann nicht mehr in Proselytenmacherei bestehen, sondern in der Wiedergewinnung ihres eigenen Selbstverständnisses und Selbstbewußtseims innerhalb der katholischen Kirche der verschiedenen Riten; in der immer stärkeren eigenen Orientalisiierung — auch gegen römische Widerstände. Rom aber muß alles tun, um diese Entwicklung zu fördern. Nichts darf übrigbleiben, was auf mangelndes Vertrauen in orientalische Eigenart schließen lassen könnte. Dazu gehört vor allem der Abbau jeder lateinischen Verwaltung der Orientalen in Rom. Bereits früher schon wurde der Vorschlag gemacht, die Kongregation für die Ostkirchen in eine Vertretung der Ostkirchen beim Heiligen Stuhl umzuwandeln, so daß die Ostkirchen die Möglichkeit haben, ihre Angelegenheiten beim Papst selbst zu vertreten. Zwischen ihren höchsten Jurisdiktionsträgem und dem Papst darf es für die Zukunft keine lateindsch-kuriale Zwischeninstanz mehr geben. Sie sind Kirche wie die lateinische Kirche, und ihre Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom bedarf keiner Verwaltung.

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