Highlander als Weltherren

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In der Schule hört man oft, welche Menschen von besonderer Begabung denn eine Nation, ein Land, eine Stadt der Welt "geschenkt" habe. Österreich beispielsweise schenkte Mozart, Schiele, Bernhard, Wittgenstein. Nun, die Schotten waren da, der ihnen nachgesagten Natur entsprechend, ein wenig knausriger. Doch das Wenige, das sie hervorbrachten, war dafür umso erfolgreicher. Eigentlich sind wir schon im zarten Kindheitsalter mit dem berühmtesten Schotten aller Zeiten konfrontiert. Dagobert Duck heißt im englischen Original von Carl Barks Scrooge McDuck und er verkörpert die den Schotten zugedichtete Eigenschaft "Geiz und Sparsamkeit" auf eine in vielen Belangen "goldige" Weise.

Das mit dem Geiz ist natürlich nur ein Vorurteil der dummen Ausländer, die sich dieselben gerne mit dem Namen "sprichwörtlich" veredeln um sie etwas wahrer zu machen. Um vieles wahrer ist aber, dass die Schotten sehr viel mehr können, als über Geld zu reden, oder es bloß zu horten. Und eigentlich waren sie mit ihren Gaben äußerst spendabel gegenüber dem Rest der Welt. Man könnte sogar behaupten, dass die Schotten weniger durch nostalgische Dudelsack-Kilt-Highland-Romantik glänzen als vielmehr durch globalisierte Gedankenherrschaft.

Wie gut sie sich zu verbreiten wissen, zeigt das Beispiel der iroschottischen Mission, in der auch Mönche aus schottischen Klöstern gemeinsam mit ihren irischen Brüdern den Alpenraum missionierten. Freilich hatten sie dabei auch das historische Glück, dass Irland damals "Scotia Major" hieß und die zu hohen Anteilen irische Mission deshalb die "iroschottische" genannt wurde. Diese Wortschöpfung hat das österreichische und süddeutsche Idiom noch einmal versimpelt und der Einfachheit halber den ganzen Missionsruhm auf "die Schotten" übertragen.

Doch einen ganz originären und entscheidenden Anstoß zur Entwicklung der heutigen westlichen Gesellschaft kam just aus dem heute nicht mehr besonders berühmten Glasgow. An der dortigen Universität konzentrierten sich im späten 18. Jahrhundert die Vertreter der schottischen Intelligenzia gerade zur Zeit der vollständigen Unterwerfung Schottlands durch englische Truppen. Mit dieser Niederlage waren unter anderem das Verbot aller nationalen Eigenheiten verbunden, wie das Blasen des Dudelsacks, das Tragen des Kilts und vor allem das Verbot der keltischen Sprache.

Unterdrückte suchen in solchen Zeiten oft den Widerstand. Sie gehen ins Exil, setzen auf politische Aktion oder werfen Bomben. Der Zöllnersohn und Moralphilosoph Adam Smith hingegen entwarf eine Attacke von ungeheurer Perfidie und Feinheit: er erfand den Liberalismus.

Die schottische Lesart

Liest man Smiths grundlegendes Werk "Reichtum der Völker" nämlich als einen Ausdruck des schottischen Unabhängigkeitsdrangs, dann lassen sich daraus ganz neue Schlüsse ziehen. Denn so genommen rechnet das Buch unter dem Vorwand der freien wirtschaftlichen Entwicklung aller Individuen elegant mit dem korrupten englischen Unterdrückerstaat ab. Die Hauptziele seiner Kritik sind unfähige Beamte und Hofschranzen, unsinnig abgepresste Steuern, die Verschwendungssucht königlicher Bankette, die Dummheit des englischen Verwaltungswesens. Gegen dieses gleichsam alles herunterwirtschaftende und -regelnde System übt Smith vernichtende Kritik. Er vergisst dabei aber nicht, sich als um England besorgter Patriot zu geben. Hinter dieser Fassade stellt er dann ein im Unterdrückungskontext beinahe satirisches wie unverschämtes Gegenkonzept zum königlichen Staat auf: Das regellose Nichts, repräsentiert durch die "unsichtbare Hand". Dass dieses Konzept bis heute nichts von seinem Reiz verloren hat und nicht als Anarchie des Eigennutzes gewertet wird, liegt an der einzigartigen Illusion, die Smith seiner Idee beigefügt hat. Denn die unsichtbare Hand kann geisterhaft ordnen, sie waltet und verwaltet selbst alles schlechte zum Reichtum hin.

So kann die "Bibel des Liberalismus", wie Smiths Buch heute genannt wird, auch als subtile Revanche gelesen werden. Fallen die Handelsgrenzen und die Zölle, dann fallen bald auch alle Grenzen. Auch jene des englischen Staates. Ironischerweise hat Smith da recht behalten. Die Globalisierung der Waren und Dienstleistungsströme hat tatsächlich viele Souveränitätsrechte des Staates obsolet gemacht. Und eigentlich ist die von ihm angedachte Verlegung der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs in die amerikanischen Kolonien längst geschehen -wenn man die militärische, politische und wirtschaftliche Macht der USA bedenkt.

Der wichtige Staat

Aus seinem historischen Kontext gerissen, wird dieses Buch bis heute als die bekannteste Anklageschrift gegen den Staat an sich missbraucht.

Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Smith dem Staat sehr wohl wichtige Kompetenzen zuordnet. Die Errichtung von Schulen und Straßen, insgesamt der Infrastruktur, und auch die Einhebung "gerechter" Steuern, welche die Armen weniger belasten sollen als die Reichen.

Wenn die Schotten in diesen Tagen über ihre Unabhängigkeit abstimmen werden, könnte es nicht schaden, bei ihrem ökonomischen Ahnherrn nachzulesen ob eine schottische "splendid Separation" und damit eine empfindliche Verkleinerung der Märkte für Schottlands Wirtschaft tatsächlich eine gute Idee ist. Sollten die Schulden Großbritanniens dann tatsächlich paritätisch auf Schottland übertragen werden, müsste das neue Land über mehrere Jahrzehnte Milliarden an Last abtragen. Die neuen, stolzen schottischen Bürger wären dann auf Scrooge McDucks Spareifer reduziert - ohne je die Aussicht auf einen vollen Geldspeicher zu haben.

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