Hilflos und inkompetent

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Der Dialog für Österreich wird zwar vollzählig stattfinden, aber kein Erfolg werden. Unter anderem deshalb, weil die Kirche in ihren Schwächen verharrt.

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Der Dialog für Österreich wird zwar vollzählig stattfinden, aber kein Erfolg werden. Unter anderem deshalb, weil die Kirche in ihren Schwächen verharrt.

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Ist der Dialog für Österreich noch zu retten? Oder ist er überhaupt noch zu bremsen?Nun, welche vermeintliche Wende: Als ich vom Verband katholischer Publizisten für den 4. März dieses Jahres zu einer diesbezüglichen Podiumsdiskussion eingeladen wurde, schaute es noch schlecht aus. Daher der Titel: "Ist der Dialog für Österreich noch zu retten?"

Dann kam die Erklärung der vier Bischöfe zum Fall Groer vom 27. Feber. Und schon wurde man übermütig. So konnte der Leiter des Büros "Dialog für Österreich" bei unserer Podiumsdiskussion schon zurückfragen, ob denn "der Dialog für Österreich noch zu bremsen" sei.

Welch Mißverständnis, welche Realitätsferne, bestätigt im ersten Überschwang von dem durchaus schätzenswerten Präsidenten der Katholischen Aktion, der "die Handlungsfähigkeit des Großteils der Kirche wiederhergestellt" sieht (Kurier, 1. März 1998), noch übertroffen in der Schmalzigkeit vom Chefredakteur desselben Blattes, der am selben Tag bestätigt, daß "mit Österreichs Kirche als moralischer Institution wieder uneingeschränkt gerechnet werden" dürfe.

Was war passiert? Vier Mitglieder einer Führungsmannschaft, die sich in den letzten Jahren durchaus als inkompetent, erratisch und unfähig als Problemlöser qualifiziert haben, sind kurz vom Heiligen Geist gestreift worden und haben einmal etwas Richtiges gesagt. Drei (nicht mehr!) weitere Kollegen haben sich dann später angeschlossen. Basta.

Und dies gibt uns nun schon Hoffnung, daß es in der Zukunft anders, besser werden soll mit unserer Dialogfähigkeit? Vergessen wir nicht, daß wir damals am Beginn der Fastenzeit standen, in der wir von "Metanoia", also "Umkehr" sprechen. Umkehr heißt: diskontinuierliche Verhaltensänderung. Wo ist diese bitte zu sehen?

Also: Lassen Sie sich gerne weiter einlullen, das paßt ja so gut zu unserer Realitätsverweigerung der österreichischen Seele, besonders überhöht von unserer Kirche.

Warum der Dialog für Österreich zwar vollzählig stattfinden und doch kein Erfolg sein wird.

Anbei nur eine kleine Auswahl von Gründen, noch dazu unvollständig.

1. Die Leitungs- und Führungsschwäche in der österreichischen Kirche hat sich nicht verändert.

Vorab: Ich schätze einige Bischöfe in ihrer spirituellen, geistlichen Art durchaus. Sie mögen gute Theologen sein, engagierte Seelsorger, sorgende Menschen. Aber sie sind inkompetent in ihren Leitungs- und Führungsfähigkeiten.

Leitung heißt auf englisch "Management". Richtig delegieren, entscheiden, informieren, kommunizieren. Management heute heißt "Management of Complexity". Effizient sein, Dinge richtig zu tun. Methodensicherheit. Stilsicherheit. Seit mindestens einem Jahrzehnt veranstaltet der rührige Professor Zulehner an seinem Institut Seminare zum Thema "Leiten in der Kirche" - auch mit bischöflicher Berteiligung. Vergebens!? Management kann man lernen, ja muß man lernen, wenn man in Leitungspositionen gerät. Dies ist professionelle Pflicht, nicht "unanständiges Üben weltlicher, profaner Kompetenzen"!

Noch wichtiger hingegen ist Führung. Auf englisch noch viel klarer durch das Wort "Leadership" gezeichnet. "Leadership is to take people from where they are to where they have not been before!" ("Führung bedeutet, Menschen von dort, wo sie sind, nach dort, wo sie noch nie waren, zu führen"), ist eine gängige Beschreibung. Die Management-Terminologie spricht von Transzendenz, Transformation, von der Fähigkeit, "Alignment", also gemeinsame Ausrichtung herbeizuführen. Führungsstärke stammt von der konsistenten Glaubwürdigkeit eigenen Verhaltens, besonders in der Krise, von der Autorität, die sich nicht von Amt und Rang abzuleiten braucht, von der Fähigkeit, überzeugend zu kommunizieren, nicht notwendigerweise laut, oft auch subtil, leise. Die Fähigkeit, Sehnsüchte zu erzielen, das wandernde Volk Gottes begleiten zu wollen, das Vertrauen in die Geborgenheit der Erlösung zu erzeugen. Alles gegründet in der Wahrhaftigkeit des Verhaltens einer "gläsernen Kirche".

Nun, davon wäre schon einiges Rohmaterial vorhanden. Aber Leadership muß geübt werden, angenommen werden, es braucht Mut. Lassen Sie mich Peter F. Drucker, einen Altösterreicher, zitieren, der - inzwischen 86jährig - zum "Guru der Gurus" der weltweiten Managementliga geworden ist.

Zum Thema "Leadership" aus dem Buch "The Leader of the Future", 1996: * "The only definition of a leader is someone who has followers." ("Die einzige Definition eines Führers lautet: einer, dem andere folgen") * "An effective leader is not someone who is loved or admired. He or she is someone whose followers do the right things. Popularity is not leadership. Results are." (Ein effektiver Führer ist nicht einer, der geliebt oder bewundert wird. Er oder sie ist jemand, dessen/deren Anhänger das Richtige tun. Popularität ist nicht Führung. Ergebnisse schon.")

* "Leaders are highly visible. They therefore set examples". ("Führer sind hochgradig sichtbar. Darum setzen sie Vorbilder.")

* "Leadership is not rank, privileges, titles, or money. It is responsibility." ("Führung heißt nicht Rang, Privilegien, Titel oder Geld. Führung bedeutet Verantwortung.")

* "Leaders are not afraid of strength in their associates. They glory in it." ("Führer fürchten sich nicht vor der Stärke ihrer Partner. Sie sind stolz darauf.")

* "Effective leaders are not preachers, they are doers." ("Effektive Führer sind keine Prediger sondern Macher.")

Verstehen Sie jetzt, wenn ich auch von Führungsschwäche spreche?

2. Nicht alle richtigen und wichtigen Themen sind auf dem Tapet.

Der Grundtext zum "Dialog für Österreich" ist schal. Nicht aufregend genug. Didaktisch überholt. Wie ein Religionsbuch für die fünften Klassen.

Wenn schon "die Themen des Kirchenvolks-Begehrens nicht die Kernfragen heutiger christlicher Existenz treffen", wie so oft und gerne von mehr als einer Seite behauptet wird, warum können sie dann nicht flott abgehandelt und - wenigstens bis ein anderer Geist in unserer Kirche wehen darf - als klare Anforderungen an eine andere Entscheidungsinstanz in unserer Kirche zur Seite geräumt werden?

Kann man so offensichtlich schmerzhafte und die seelsorgliche Realität wirklich berührende Themen wie den Umgang mit den Frauen, mit den Laien, den wiederverheirateten Geschiedenen, der Sexualität, den von Bischof Stecher so rührend und glaubwürdig aufgegriffenen Problemen von Priestern und kirchlichem Amt verdrängen? Wir würden gerne klare Worte (und Taten) sehen, ob die Kirche selbst sich an das von ihrer katholischen Soziallehre entworfene Konzept des Subsidiaritätsprinzipes halten will, wie sie es mit der "Ecclesia semper reformanda" und dem beeindruckenden Konzept des "Lumen Gentium" ("Lichts der Völker") im II. Vaticanum des Bischofs als "Servus servorum dei" (Diener der Diener Gottes) halten will.

Aber: Themen heute richtig anzugehen, heißt "Visioning", von einer gemeinsamen Vision, einem starken Bild für die Zukunft, auszugehen. "The mistake we make today is to plan from today forward; we should plan from the future backward." (Gary Hamel: "Der Fehler, den wir heute machen, ist, von heute aus nach vorne zu planen; wir sollten aber von der Zukunft weg nach hinten planen.") Dies ist der wirkliche Impetus, der nicht stattfindet: Wir wissen um die Orientierungslosigkeit unserer Jugend - was tun wir, um ihnen Visionen zur Gestaltung ihrer Zukunft anzubieten? Wir stehen heute vor einer hilflosen, ratlosen Gesellschaft und Politik im Umgang mit dem Problem der Globalisierung, der Arbeitslosigkeit. Und sind selbst sprachlos. Inkompetent. Und haben nicht einmal den Willen, uns fit zu machen.

3. Der Ansatz zum Dialog ist anachronistisch, nicht zeitgemäß, nicht "State-of-the-Art".

Dialogfähigkeit heute meint Konfliktfähigkeit ("Constructive Confrontation"), Zivilcourage, Offenheit, Redlichkeit, auch wie man mit "kreativem Ungehorsam" (so der Jesuit und Erfolgsautor Rupert Lay) umgeht. Offenheit heißt heute (leider?) auch Öffentlichkeit, auch damit muß man umgehen können.

Die Kirche imitiert in ihrem Diskussionsansatz eine andere, ebenso ineffiziente Institution, nämlich die Politik. Kommissionen, 300 Delegierte, etc. Alles Schnee von gestern.

Heute beweisen Avantgarden wie dynamische Wirtschaftsunternehmen, neue Bewegungen (Taize und so weiter), NGOs (nichtstaatliche Organisationen), leider auch einige Sekten, wie gemeinsam getragene Konsensprozesse geschehen: "Open Space"-Technologien, intensive moderierte Kleingruppendiskussionen, professionell zusammengeführt. Aber dazu muß es von Anfang an gemeinsam getragene Ziele geben, Regeln zur Entscheidungsfindung und eine gemeinsame Verpflichtung, was mit dem Ergebnis passiert.

Dies erfordert Vorbereitung. Dazu ist es heute für Oktober schon zu spät.

Ist der Dialog für Österreich noch zu retten?

Wohl nicht für Oktober. Aus obigen Gründen. Aber: Können wir uns nicht endlich davon lösen, pathetische (fast endzeitliche) Events stattfinden zu lassen?

* Der Dialog ist kein Ereignis, er sollte zu einem Prozeß werden. Haben Sie nicht bemerkt, wie unprätentiös, mit einem offenen Ende die Taize-Bruderschaft es nun schon zweimal in Wien geschafft hat, Dialog, Tiefe, Begeisterung zu schaffen? - Fazit: Offenes Ende.

* Die Bischofskonferenz soll einladen, soll veranstalten. Aber sie soll den Dialog jene gestalten lassen (z. B. Katholische Aktion, Äbtekonferenz, ...), die es besser können. - Fazit: Subsidiarität.

* Zur Moderation, Kommunikation, Prozeßgestaltung aber soll man jene Profis (die an der methodischen Ignoranz ihrer Kirche verzweifeln) heranlassen, die wissen, wie es geht. - Fazit: Kompetenz.

Wenn wir dann einmal alles etwa richtig machen sollten, dann wird uns der Heilige Geist auch viel lieber begleiten; anstatt uns immer nur kurz vor dem Abgrund zu retten.

Der Autor ist Managementberater und Leiter der Techno-Z Fachhochschule Salzburg.

Fort- & RückSchritte Beim ,Dialog für Österreich' * März 1995: Beginn der "Affäre Groer". In Innsbruck entsteht die Idee des "Kirchenvolks-Begehrens".

* Juni 1995: das Kirchenvolks-Begehren erreicht 500.000 Unterschriften.

* September 1995: Christoph Schönborn wird Nachfolger von Hans Hermann Groer als Erzbischof von Wien.

* Juni 1996: In Linz veranstalten die Kirchenvolks-Begehrer eine Kirchenvolks-Versammlung. Einige Monate später veröffentlichen sie ihren "Herdenbrief" zu Liebe-Eros-Sexualität. Im März 1998 folgt ein zweiter Herdenbrief zum Thema "Macht" (vgl. Furche 14/98).

* September 1996: Die Bischöfe laden zur "Wallfahrt der Vielfalt" nach Mariazell, wo unter dem Motto "Streiten und Beten" nachgedacht und gefeiert wurde. Davor finden in der Umgebung Mariazells Veranstaltungen zu verschiedenen kirchlichen und gesellschaftlichen Themen statt, darunter in Gösing eine Fachtagung der österreichischen Bischöfe über die gesellschaftliche Situation Österreichs. Die dabei von verschiedenen Referenten vorgelegten Thesen sollten die Grundlage eines Hirtenbriefes zur Jahrtausendwende darstellen.

* September 1997: Österreichs Bischöfe stellen den Grundtext zum "Dialog für Österreich" vor. Das 45seitige Papier mit dem Titel "Dein Reich komme", das aus drei Kapiteln besteht ("1. Wen", "2. Wie" und "3. Wem verkünden wir?"), soll österreichweit bis Ende Mai 1998 diskutiert werden. Die Themen des Kirchenvolks-Begehrens werden darin nicht explizit behandelt.

* Jänner 1998: Wegen der Zuspitzung der Affäre Groer und des allgemeinen Desinteresses am "Dialog" initiiert die Katholische Aktion Österreichs das "Gesprächsforum Kirchenzukunft". Dort stellen Experten Minimalkriterien auf, die für ein Gelingen des "Dialogs" notwendig sind, u.a. die Einbindung der Kirchenvolks-Begehrer in den Prozeß, klare Ziele, ein transparentes Prozedere sowie Abstimmungsvorgänge beim abschließenden Delegiertentag.

* März 1998: Die römische Glaubenskongregation "erlaubt" die Teilnahme der Kirchenvolks-Begehrer; noch 1997 hatte Kardinal Ratzinger in einem Brief vor einer derartigen Vorgangsweise gewarnt. Auch Bischof Krenn, der bislang nur Ablehnung signalisierte, stimmt nun zu.

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