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Zur Liaison von Denken und Glauben.

Immanuel Kant sah sich genötigt, das Wissen aufzuheben, "um zum Glauben Platz zu bekommen". Nachdem seine Kritik der reinen Vernunft unter anderem Gott als Gegenstand des Wissens verabschiedet hatte, postulierte er ihn ungeniert als obersten Garanten menschlicher Rechtschaffenheit. Zumindest in der Sphäre des Handelns sollten wir uns so verhalten, als ob es das göttliche Gericht am Ende der Tage gäbe. Mit Kant habe der liebe Gott keine rechte Freude, kommentierte ein späterer Spötter diese Zweischneidigkeit, von ihm könne Gott nämlich nicht lernen, ob er nun existiere oder nicht.

Gott der Philosophen

Szenenwechsel, rund 200 Jahre nach dem "Alleszermalmer" Kant, an einem beliebigen philosophischen Seminar im deutschen Sprachraum: Gott scheint als Thema endgültig erledigt, in den Studiengängen dominiert religionsphilosophische Abstinenz. Metaphysikanfällige Fragestellungen passen einfach nicht zum analytischen Kerngeschäft der Philosophie in Semantik und Logik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Mittlerweile hat allerdings auch der viel gepriesene "linguistic turn" im Verständnis dessen, was Philosophie ausmacht, eine beachtliche Richtungsänderung auf Religion hin unternommen. Dass religiöse Überzeugungen einen gewichtigen Bestandteil dessen ausmachen, was sich als Weltbild der Menschen auf die konkrete Gestaltung ihres Zusammenlebens auswirkt, lernten schließlich auch die Verfechter eines strengen empiristischen Sinnkriteriums. Somit wird dem Phänomen Religion als Teil einer Theorie der Weltanschauungen nicht zuletzt aus gesellschaftlicher Verantwortung angemessene Aufmerksamkeit geschenkt.

Heute verwundert es auch nicht, wenn die jüngst in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft vorgelegte Einführung in die Religionsphilosophie von einem Autor stammt, der sich den Grundsätzen der Analytischen Philosophie verpflichtet weiß. Der an der Universität Innsbruck lehrende Philosoph Winfried Löffler stellt die zentralen Fragen eines rationalen Zugangs zum religiösen Glauben verständlich und übersichtlich dar. Das an ideengeschichtlicher "Belehrsamkeit" wohltuend arme Buch diskutiert zunächst Reichweite und Grenzen von zehn Argumenten für die Vernünftigkeit der in Form von Aussagesätzen formulierbaren Gehalte einer Religion. In Anbetracht der Vielfalt religiöser Phänomene und des Fehlens einer allgemein akzeptierten Definition der Religion wählt Löffler den Weg einer exemplarischen Darlegung. Als repräsentative Beispiele dienen ihm dazu das Christentum sowie mit einem gewissen Abstand auf Grund geringerer Binnenkenntnis Judentum und Islam, da sich die neuzeitliche Religionsphilosophie im Kontext dieser drei Religionen entwickelt hat.

Die Entfaltung religionskritischer Denkansätze nimmt weniger Platz ein und beschränkt sich auf fünf gängige Argumentationsmuster. Auch hier zeigt sich: Im Bereich der Religion haben selbst stringente Argumente wenig praktische Bedeutung, und zwar gleichgültig, ob sie nun für oder wider die Vernünftigkeit der Ausgangsbehauptung vorgebracht werden. Eine Bekehrung allein durch Gründe und ohne persönliche Erfahrung glückenden Lebens findet sich wohl auch äußerst selten. Die relative "Erfolglosigkeit" diskursiver Bemühungen arbeitet Löffler in einem abschließenden Kapitel als Strukturmerkmal religiös-weltanschaulicher Überzeugungen heraus. Als Handlungsorientierung sind diese unverzichtbar; das nimmt sie nur noch stärker in die Pflicht, sich auf der Agora der Ideologien unter Angabe vernünftiger Gründe auszuweisen.

Löfflers Buch taugt zur geistigen Diät. Es entschlackt und hilft gegen unreines Denken, indem es Argumente zu gewichten lehrt. Und es macht Lust selber zu denken, weil es die Urteilskraft schult. Eine gelungene didaktische Aufbereitung durch mitlaufende Randgliederungen, Zusammenfassungen, weiterführende Lektürehinweise sowie anregende Impulse zur eigenständigen Vertiefung runden den inhaltssatten Eindruck ab. Freilich eignet sich der "Gott der Philosophen" schlecht zur Anbetung - aber das betonte ja schon Blaise Pascal.

Praxis der Erlösung

Die intellektuelle Vergewisserung des theoretischen Kerns einer Religion leistet keinen adäquaten Ersatz für die Mitte jeder Religion: die Praxis der Erlösung (wovon und durch wen auch immer). Mit diesem Stichwort setzt eine ganz anders gestaltete Einführung in die Religionsphilosophie ein, die der Grazer Philosoph Peter Strasser unter dem Titel Theorie der Erlösung zur Diskussion stellt. Eine Richtigstellung drängt sich der Leserin, dem Leser an dieser Stelle auf. Die Titelei erweist dem Buch keinen guten Dienst, sie lockt schlicht auf die falsche Fährte: Weder fokussieren Strassers Beiträge das angekündigte Thema, das im übrigen einer religionswissenschaftlichen Untersuchung angemessener wäre, noch können sie sich hinsichtlich eines Willens zur Systematik mit Löfflers Darstellung messen, bieten also auch keine "Theorie". Ihre Stärke und ihr eigentümlicher Reiz liegen auf einer anderen Ebene.

Jakobsleiter

Der gewandte Essayist Peter Strasser hat sich durch verschiedene Publikationen innerhalb einer Dekade den Ruf eines Experten für letzte (und vorletzte) Dinge erschrieben. Auch sein neuestes Buch führt zum Teil vorab an verstreuten Orten publizierte Abschnitte zusammen. Den Mangel an einheitlichem Guss kompensiert der dadurch eröffnete Blick in die Denkwerkstatt eines Autors, der mit sich selbst und markanten Positionen der Tradition ein Gespräch führt. Der vielleicht größte Vorzug von Strassers Ansatz liegt gerade darin, dass er anhand zentraler Themen des Fachs - Gottes Existenz, das Woher der Welt, der Skandal des Übels wie des Bösen, der Ursprung religiösen Erlebens, der Fragen von Unsterblichkeit, Freiheit und religiöser (In-)Toleranz - zum Philosophieren über Sinn und Zweck der Religionen anregt. Die Lektüre seines Bandes vermag zu religionsphilosophischen Problemstellungen hinzuführen, eine systematische Einführung in ein akademisches Fach bietet sie nicht.

Bei aller Geborgenheit des Autors in aufgeklärter Immanenz kann sich der Rezensent des Eindrucks nicht erwehren, er kokettiere dennoch anfallsweise und verstohlen mit einer Jakobsleiter als Anker der Erlösung. Als Symbolwelten schaffendes Wesen scheint der Mensch schwer umhin zu kommen, die zarteste Hoffnung auf einen die unmittelbare Lebenswelt übersteigenden Sinn nicht in den Himmel zu heben. Vielleicht liegt es aber auch bloß daran, dass vor einigen Jahren in Graz an strategischen Stellen der Altstadt Leitern aus der Dachlandschaft himmelwärts empor ragten. Das Kunstprojekt der Kulturhauptstadt 2003 versuchte dergestalt Religion als (Weltbild) prägenden Kulturfaktur zu thematisieren. An dieser Sichtweise hätte vermutlich ebenso der erste der besprochenen Autoren seine Freude.

Der Autor ist Professor am Institut für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz

BUCHTIPPS:

Einführung in die Religionsphilosophie. Von Winfried Löffler. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006. 192 Seiten, kart. e 15,40.

Theorie der Erlösung. Eine Einführung in die Religionsphilosophie. Von Peter Strasser. Wilhelm Fink Verlag, München 2006. 173 Seiten, kart. e 30,80

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