Hoffnung statt Neuzeit

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Am 30. November veröffentlichte Benedikt XVI. sein Rundschreiben"Spe salvi". Otto Friedrich über die neue Enzyklika und erste Reaktionen darauf.

Begonnen hat er vor zwei Jahren mit der dritten "göttlichen Tugend" - der Liebe. Zwei Jahre später, am Vorabend des Advent, hat Benedikt XVI. seine zweite Enzyklika vorgelegt - diesmal ist die zweite göttliche Tugend, die Hoffnung, Thema: "Spe Salvi". Das Wort aus dem Römerbrief ("auf Hoffnung hin sind wir gerettet", Röm 8,24) ist der Ausgangspunkt, mit dem der Papst für die christliche Hoffnung wirbt. Wie in "Deus caritas est", seiner Liebes-Enzyklika von 2005, verbreitet der Papst nicht als kirchlicher Zuchtmeister seine Lehre, sondern legt als Theologe im Blick auf die Geschichte des Christentums die Vorzüge, ja die für ihn unnachahmlichen Gründe dar, warum der Mensch die - christliche - Hoffnung gegen eine weltliche Hoffnungslosigkeit setzen soll.

"Was er schreibt, ist Weltgeschichte": So kulminiert Daniel Deckers Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zur neuen Enzyklika. Sein nicht minder konservativer Kollege Paul Badde preist in der Tageszeitung Die Welt "Spe salvi" als neues "Manifest gegen den Nihilismus einer angeblich unendlichen Leere hinter allem Sein", und Alexander Kissler äußert in der Süddeutschen, das Dokument sei ein "Kompendium der theologischen Philosophie des Joseph Ratzinger". Es richte sich "an die Verächter der Letzten Dinge" und wende sich "gegen die Designer eines perfekten Lebens". Michael Prüller (Presse) stellt "Spes salvi" ebenfalls in eine Reihe mit "Deus caritas est" und hält dem Pontifex zugute, dass er erneut "in Sanftmut um einen wohlwollenden Blick auf die christliche Lehre" wirbt.

John Allen, Chefkorrespondent der US-Wochenzeitung National Catholic Reporter bezeichnet "Spes salvi" als ",Greatest-Hits-Sammlung zentraler Ratzinger-Vorstellungen" aus 60 Jahren theologischen Denkens und zählt auf:

* "Die Wahrheit ist kein Hindernis für die Freiheit, sondern die Bedingung, dass die Freiheit ihr wahres Potenzial entfalten kann;

* Vernunft und Glaube brauchen einander - Glaube ohne Vernunft wird zu Extremismus, während Vernunft ohne Glauben in die Verzweiflung führt;

* die Gefahren des modernen Fortschrittsmythos' entstammen der neuen Wissenschaft des 16. Jahrhunderts und bestimmten die Politik von der Französischen Revolution bis zum Marxismus;

* eine gerechte Gesellschaftsordnung ohne Gott ist unmöglich;

* es ist dringlich, die Eschatologie, das Verlangen nach einem, neuen Himmel und einer neuen Erde' von diesseitiger Politik zu trennen;

* objektive Wahrheit ist die einzig wirkliche Barriere gegen Ideologie und blindes Machtstreben."

Kein Wort übers Konzil

Hier zitierte, natürlich journalistisch aufbereitete Liste, arbeitet Benedikt XVI. in der Enzyklika tatsächlich am Thema Hoffnung ab: Über weite Strecken übt er sich in Kritik an Neuzeit und Aufklärung, vom Wissenschaftsoptimismus eines Francis Bacon über Immanuel Kant, der den "Kirchenglauben" durch einen "bloßen Vernunftglauben" abgelöst habe, bis zu Marx und später Theodor W. Adorno & Co. Mit dieser Enzyklika bringe der Papst "die unterscheidende Kraft der christlichen Hoffnung in ein imaginäres Kolloquium ein, bei dem philosophische Stimmen von Platon über Bacon und Kant bis hin zur Frankfurter Schule zu Wort kommen", schreibt der Dogmatiker Jan-Heiner Tück in der Neuen Zürcher Zeitung. Die biblische Hoffnung, dass am Ende "nicht das Nichts, sondern die rettende Begegnung mit Gott stehe", könne "einem Leben Richtung und Ziel geben". Tück hofft, dass diese in "Spe salvi" so intensiv formulierte Einsicht "die stille Resignation mancher Gläubigen unterbrechen und die wachsende Christentumsmüdigkeit der Halb-, Leicht- und Ungläubigen" aufstören könnte.

Der Papst benennt in der Enzyklika auch "Lern- und Übungsorte der Hoffnung": Zum einen bezeichnet er das Gebet als "Schule der Hoffnung", dann in einem ausführlichen Exkurs das Tun und vor allem "das Leiden", das Mit-Leiden als solchen Lernort, um dann beim "Gericht" - Himmel, Hölle und vor allem: dem Fegefeuer - als "Übungsort der Hoffnung" anzukommen.

Kritische Stimmen meldeten sich ebenfalls zu Wort, etwa Matthias Dobrinski in der Süddeutschen, der - bei aller Anerkennung, wie der Papst christliche Hoffnung wider die "Erfolgs-, Macht- und Machbarkeitsphantasten der Gegenwart" ins Treffen führt - "wieder einmal Joseph Ratzingers Skepsis gegenüber den Geistesströmungen der Aufklärung" ortet und beklagt, dass "die große Hoffnungsschrift, Gaudium et Spes' (,Freude und Hoffnung')" des II. Vatikanums es "nicht mal in eine Fußnote schafft". Respektlos, aber auch nicht vernichtend fiel das Urteil vom Rom-Korrespondenten des Spiegel, Alexander Smoltczyk, aus: Ratzinger leiste sich den Luxus, "gleichzeitig die, Sermones' des Bernhard von Clairvaux und das Bildlosigkeits-Postulat der, Negativen Dialektik' Adornos" zu zitieren. Aber, so Smoltczyk: "Päpste dürfen das, und vielleicht haben auch, alle Christgläubigen', an die das Schreiben sich richtet, genau darauf gewartet."

Naturgemäß anders tönten bischöfliche Stellungnahmen zu "Spe salvi": Der Grazer Bischof Egon Kapellari meinte, "ungeduldige Kirchen- und Gesellschaftsreformer" würden im Papstschreiben nicht finden, was sie für modern hielten. Aber Liebe und Hoffnung, die Themen der beiden ersten Papstenzykliken, seien, so Kapellari, "Quellgrund für die Kraft zu jeder wirklich echten Reform und daher durch keine Modernität überholbar". Auch Kardinal Karl Lehman würdigte "Spe salvi als "großes und eindrucksvolles Dokument des christlichen Verständnisses über die Hoffnung". Lehmann erinnerte daran, dass sich schon bei Kant die Interessen in der Frage gebündelt hätten: "Was darf ich hoffen?" Außerdem sei das Werk "Prinzip Hoffnung" des Philosophen Ernst Bloch eines der "Grundbücher der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts", und im deutschen Sprachraum seien Bemühungen um eine Theologie der Hoffnung mit den Namen Jürgen Moltmann und Johann B. Metz verbunden. Allerdings: Kant kommt in "Spe salvi" nicht im Sinn des obigen Zitats vor, und weder Bloch noch Moltmann oder Metz sind in Benedikts XVI. Schreiben namentlich erwähnt.

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