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Holländisches Schisma?

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Die Auslandspresse bringt regelmäßig gewisse Gerüchte zur Sprache, die Schwierigkeiten in der katholischen Kirche der Niederlande betreffen. Zweifellos gibt es solche Schwierigkeiten, aber sie werden oft übertrieben. Wir wollen hier einige davon aufzählen:

Bis nach dem letzten Krieg ist der holländische Katholizismus konservativ und konformistisch gewesen. Ein recht plötzlicher Umschwung wurde durch die Reaktionen hervorgerufen, die der berühmte Hirtenbrief der Bischöfe von 1954 auslöste. Er gebar eine Bewegung, die sich immer weiter beschleunigt hat. Die Kontakte mit den ausländischen philosophischen und theologischen Strömungen haben dazu viel beigetragen. Seit dem II. Vatikanskonzil wind die katholische Kirche der Niederlande als eine Kirche der Avantgarde angesehen.

Diese Erscheinung erzeugt in zweifacher Hinsicht Schwierigkeiten. In zahlreichen Ländern und vor allem in Italien, findet man es schwer, dieser Bewegung zu folgen. Aber auch in den Niederlanden beteiligt sich ein beträchtlicher Teil der Katholiken nicht daran. Der von rund 30 Katholiken an den Papst gerichtete anonyme Brief ist ein Symptom dafür, ebenso die Zeitschrift „Con-frontatie“.

Krise der Priester?

Die Erneuerungsbewegung beschränkt sich nicht auf eine Änderung in der Auslegung der Bibel und der Dogmen. Es gebt auch um eine andere Moral und andere liturgische Gemeinschaftsformen. Die Schnelligkeit dieser Veränderungen erschwert die Aufgabe des mit dem Predigen des Glaubens betrauten Priesters. Er kann in seiner Rolle als Prediger und da, wo er moralische Richtlinien festlegen soll, leicht von Ungewißheit befallen werden. Dies ist eine der Ursachen dafür, daß zahlreiche Priester das geistliche Amt aufgegeben haben. Für sie ist das eine Frage der Ehrlichkeit. Sie wollen nicht unterstützen, was ihnen als sehr fragwürdig erschienen ist, aber sie wollen auch nicht die Gläubigen an ihren Zweifeln teilhaben lassen. Sowohl der Zölibat für sie selbst wie die Ablehnung der Scheidung und der Geburtenregelung für ihre Gläubigen sind in ihren Augen in Frage gestellt.

Man wird erst später über die Berechtigung der Politik der holländischen Bischöfe urteilen können. Gegenwärtig aber, und global gesehen, macht diese Politik den Eindruck, von weiser Vorsicht inspiriert zu sein. Die Bischöfe vermeiden es, soweit als möglich, Partei zu ergreifen. Sie wollen, daß die Herde beisammen und mit Rom vereint bleibe. Sie bremsen und schaffen zugleich Raum. Der neue Katechismus, der zu Einwendungen Anlaß gegeben hat, ist dafür Beweis. Sie wollen ein Schisma vermeiden, das — was bemerkenswert ist — keiner der Pro-gressisten wünscht. Wahrscheinlich wollen die Konservativen es ebensowenig, alber verschiedene Gerüchte scheinen dennoch eine Richtung zu enthüllen, die eher auf ein Schisma zielt. Trotz allem wird es dahin niemals kommen, äußerstenfalls wird die Bewegung nur eine ganz kleine Gruppe umfassen.

Wenn die Progressisten keine Spaltung wollen, sondern mit Rom wie mit ihren eigenen Bischöfen verbunden zu bleiben wünschen, so hindert das nicht, daß unter den pro-gressistischen Intellektuellen Austritte aus der Kirche festzustellen sind. Die hierfür vorgebrachten Motive liegen teilweise auf der Linie derer, die der englische Theologe Charles Davis angeführt hat, um seine Demission zu rechtfertigen Zum Teil sind sie auch anders geartet: die Elastizität der Theologie, die sich in jede Richtung orientieren kann, läßt manchmal an der Bedeutung jeglicher Theologie und — was dann leichtfällt — jeder Form kirchlicher Doktrin zweifeln.

Im Rahmen dieses Artikels ist es nicht möglich, Angaben über die Richtung zu machen, in der man die Lösung der gegenwärtigen Schwierigkeiten zu suchen hätte. Wir beschränken uns allein auf die Prüfung der Möglichkeiten. Wir möchten diese Möglichkeiten in einem einzigen Wort zusammenfassen: Pluriformität. Fügen wir jedoch hinzu, daß sogleich eine neue Schwierigkeit auf'taucht: die Fortschrittler stehen einer solchen Huriformität aufgeschlossen gegenüber; die Konservativen neigen dazu, die Pluriformität als unzulässigen Kompromiß zu betrachten.

• Pluriformität in der Liturgie: In den Niederlanden — und abgesehen von gewissen experimentellen Formen — wird die Liturgie mit Ausnahme des Kanons in der Landessprache zelebriert. Es wäre wünschenswert, eine völlig holländisch gehaltene Liturgie einzuführen und daneben zugleich die Beibehaltung einer vollständig lateinischen Liturgie zu gestatten. Vor allem unter den Älteren gibt es viele, die ihre eueharistische Frömmigkeit mit so viel Überzeugung in lateinischer Sprache auszudrücken gelernt haben, daß sie die niederländische Liturgie als Hmdernis für die Abendmahlsfeier empfinden. Selbst wenn diese Anhänglichkeit emotioneller Art ist, so ist sie gleichwohl achtenswert. Darüber hinaus ist es wichtig, nicht zu vergessen, daß es noch keine niederländischen liturgischen Texte gibt, die an Schönheit und Tiefe mit den lateinischen Texten wetteifern könnten.

• Pluriformität in der Moral: Diese Pluriformität existiert schon seit langem. Es wäre wünschenswert, anzuerkennen, daß die Bildung neuer Situationen eine Erneuerung der Moral nötig macht, aber es ist noch nicht möglich, auf diesem Gebiet allgemeine Direktiven zu geben Im Augenblick kann man einerseits nur die Konsequenzen im Hinblick auf eine aktive Politik für den Frieden und die Entwicklung der armen Länder ziehen. Anderseits muß man in bezug auf die Sexualmoral das Augenmerk auf die Verantwortung der Partner sowohl gegenseitig als auch gegenüber ihren existierenden oder möglichen Kindern lenken. Es ist unmöglich, konkrete Richtlinien für die Scheidung oder Geburtenregelung festzulegen.

• Pluriformität in der Theologie: Der neue Katechismus liefert hierfür ein gutes Beispiel. Er dient als Leitfaden für die Auslegung des Glauibens, ermöglicht aber eine Erklärung in zweierlei Richtung: in einer konservativen und in einer fortschrittlichen.

Es ist klar, daß die erste Form der Pluriformität für die Konservativen annehmbar ist, nicht aber die beiden anderen. Doch (gibt es keine andere Lösung. Man kann weder sein Ge wissen noch seine Überzeugungen zum Schweigen bringen. Man kann nur die weitere Entwicklung dieser Probleme vertrauensvoll abwarten.

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