Hubertus regelt den Abschuss

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Uralte Bräuche und Traditionen bestimmen die Jagd: Dämonen und Geister, die das erlegte Tier beschützen, wollen besänftigt werden.Und mit dem "letzten Bissen" wird dem Wild noch Wegzehrung für die "Ewigen Jagdgründe" gereicht.

Bei jedem Schuss weiß ich, dass ich töte, dass ich gewaltsam in die Natur eingreife. Aber ich muss das Gleichgewicht wiederherstellen, das der Mensch zerstört hat", sagt Prälat Joachim Angerer, Abt des Stiftes Geras in Niederösterreich. Die Jagd und der 1.500 Hektar große Forstbesitz sind wichtige Wirtschaftsfaktoren seines Stiftes. "Es ist notwendig, dass der Stiftsherr selbst draußen ist, dass er weiß, was los ist." Jagd und Respekt vor der Schöpfung. Für den Abt kein Widerspruch.

In jedem Tier ein Geschöpf Gottes zu sehen, das musste der Schutzpatron der Jäger, der Heilige Hubertus, erst auf eindrucksvolle Weise erlernen. Hubertus lebte um das Jahr 700. Er galt als rücksichtsloser Jäger. An einem Karfreitag soll ihm - so erzählt die Legende - im Wald ein Hirsch mit einem Kreuz zwischen dem Geweih erschienen sein. Dieser Anblick hätte ihn zur Einsicht bekehrt, in allen Tieren Geschöpfe Gottes zu sehen und den Schöpfer im Geschöpf zu ehren. Die Bekehrung reichte so weit, dass er sein Leben Gott weihte, zum Bischof von Lüttich im heutigen Belgien wurde und wesentlich zur Christianisierung seiner Heimat beigetragen hat. Sein Todestag war der 3. November. An diesem "Huberti-Tag" werden ihm zu Ehren Hubertusjagden und Hubertusmessen abgehalten.

Totenwacht und Tottrinken

Der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz ist derzeit der einzige jagende Bischof Österreichs. Sein Bistum Gurk hat einen eigenen großen Waldbesitz; die Jagden sind verpachtet. Mit der Jägerschaft feiert er Hubertus- und Jägermessen. "Diese Messen sind oft beeindruckende Zeugnisse jagdlichen Brauchtums", meint Schwarz. "Da wird ein erlegter Hirsch feierlich in die Kirche getragen", erzählt der steirische Berufsjäger Alfred Schober über die Hubertusmessen, "und nach der Messe setzen sich alle zusammen: Es ist wie eine Art Erntedank für die Jägerschaft am Abschluss des Jagdjahres."

Bis weit in die Neuzeit war die Jagd an Sonn- und Feiertagen verboten. Heute noch sind einige kirchliche Feiertage von der Jagd ausgenommen: Das sind der Karfreitag und Allerheiligen, der Christ- und Neujahrstag sowie der Oster- und Pfingstsonntag.

Um die Dämonen zu besänftigen gibt es bis heute- den Brauch der "Totenwacht" und des "Tottrinkens" bei einem erlegten starken Stück Wild. Die Totenwacht war und ist in der Regel ein kurzes Innehalten beim toten Wild, verknüpft mit einem kräftigen Schluck Alkohol. Das "Bewachen" sollte verhindern, dass der Geist Unheil anrichtet, das "Tottrinken" ihn besänftigen.

Auch Lärm vertreibt die Dämonen. Das "Verblasen der Strecke" mit Jagdhörnern kann als Zeichen des Respektes vor den Mitgeschöpfen sowie als Mittel zur Vertreibung der Geister und Dämonen interpretiert werden. Das Jagdhornblasen hat jahrhundertelange Tradition und ist auf uralte kultische Handlungen zurückzuführen, die oft mit christlichem Gedankengut verwoben wurden.

Alter Zauberglaube

Das gilt auch für das "Streckenlegen" am Ende der Jagd. Ein würdiger Abschluss des Jagdtages, oft von Jagdhornbläsern musikalisch gestaltet, die erlegten Tiere auf grünes Reisig gebettet, am Abend von Fackeln erleuchtet. Das Streckenlegen ist strikten Regeln unterworfen: die Form, die Anordnung nach Wildart, Stärke und Geschlecht; die Aufstellung der Jäger, des Jagdherrn, der Treiber. Es verstößt gegen die jagdlichen Sitten, über die Strecke oder über ein erlegtes Stück Wild zu steigen. Grundlage ist auch hier der alte Zauberglauben, dass um das tote Wild Dämonen sind, die seinen Tod rächen wollen und denjenigen, der ihnen zu nahe kommt, schädigen könnten. Aus diesem Grund steckt man dem erlegten Wild auch den "letzten Bissen" in den Äser, das Maul des Tiers. Mit diesem Zeichen versucht der Jäger, das von ihm erlegte Tier zu versöhnen und dem Geist Ruhe zu geben. Bereits aus der Bronzezeit sind Darstellungen von Hirschköpfen mit Pflanzenteilen im Äser bekannt. Der "letzte Bissen" gehört zu den "Brüchen", einem weiteren wichtigen Bestandteil des jagdlichen Brauchtums. Brüche sind von einem Baum oder Strauch abgebrochene Äste oder Zweige, die schon im Volksglauben der Germanen als unheilabwehrendes Mittel galten. Brüche haben im Rahmen des jagdlichen Brauchtums vielfache Bedeutung: sie können vom Jäger ebenso wie vom erlegten Wild getragen werden, wobei genaue Regeln fixieren, welchem Wild sie gebühren und welche Holzart "bruchgerecht" ist.

Am Grab das "große Halali"

Jagdliches Brauchtum wird auch beim Begräbnis eines Weidmannes deutlich: Alle Weidgefährten tragen einen sogenannten "Standesbruch" auf der linken Seite ihres Hutes. Nach dem Nachruf am offenen Grab und nachdem von den Jagdhornbläsern das "große Halali" und "Jagd vorbei" geblasen wurde, werfen die Weidgefährten ihre Standesbrüche einzeln ins Grab. Der grüne Zweig ist Sinnbild des Lebensbaumes, er schützt nicht nur gegen Unheil, und Dämonen, sondern sichert auch das Fortleben nach dem Tode, geleitet in die "Ewigen Jagdgründe". Darüberhinaus werden nach altem Brauch oft alle Jagdtrophäen von den Wänden genommen und ausgestellt als Zeichen dafür, dass der Erleger nun all denen gefolgt ist, denen er das Leben nahm und ihnen nun so eine letzte Ehre entboten wird.

So bestimmen geschriebene und ungeschriebene Gesetze das Verhalten des Jägers im Revier und in der Gesellschaft und die abschließende Aussage von Abt Angerer wird wohl den meisten Jägern aus dem Herz gesprochen sein: "Ich bekenne mich zur Jagd, und das heißt für mich, Verantwortung in und gegenüber der Natur zu übernehmen."

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