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Auf Hannes Androschs beruflichem Weg wechselten Erfolg und Niederlage einander oft ab. Sooft er stürzte, kam er weiter nach oben. Nun will er keine weiteren Gipfel stürmen - am 18. April wird er 70 Jahre alt. Im Gespräch mit der Furche lässt er sein Leben als Politiker, Industrieller und Beobachter Revue passieren.

Die Furche: Herr Androsch, versuchen wir zum 70. Geburtstag eine Einordnung: Sozialist, Wirtschaftsliberaler, Industrieller …

Hannes Androsch: Ich bin aus humanistischer Überzeugung im Sinne der Philosophie der Aufklärung ein Sozialdemokrat, aber ebenso auch interventionistischer Wirtschaftsliberaler. Das heißt: So viel Markt wie möglich und so viel Staat wie notwendig.

Die Furche: Als Unternehmer müssten Sie auch sagen "so viel Gewinn wie möglich".

Androsch: Wir leben in einer Welt der Knappheit. Also muss man mit wirtschaftlichen Aktivitäten Geld verdienen und nicht verlieren. Verluste werden bestraft und sind der größte Feind des Arbeitsplatzes. Daher geht es um Gewinnoptimierung, dann kann man sich als Eigentümer auch selber etwas nehmen, aber der größte Teil muss in die Nachhaltigkeit eines Unternehmens und dessen Zukunftssicherung gehen.

Die Furche: Damit sind wir schon mitten in Ihrer dritten Karriere, dem Unternehmer Androsch. 1994 wurden Sie Miteigentümer von AT&S.

Androsch: Eigentlich war es die vierte Karriere nach Steuerberater, Politiker und Generaldirektor der Creditanstalt. Das hat sich, wie fast alles in meinem beruflichen Leben, so ergeben. Die beiden Geschäftsführer des damals noch verstaatlichten Leiterplattenproduzenten wollten mich für den Management-Buyout als Berater, konnten sich aber meine Tätigkeit nicht leisten. Daher fragten sie mich, ob ich einsteigen will.

Die Furche: Damit sind Sie reich geworden.

Androsch: Wohlhabend.

Die Furche: Sie deuten an, Ihre Karriere sei aus Zufällen entstanden.

Androsch: Die Stationen meines Lebens haben sich aus nicht planbaren Umständen ergeben.

Die Furche: Wann übernahm Meister Zufall?

Androsch: Ich habe nicht vorausgeplant, in die Politik zu gehen, es war nicht mein Ziel, Abgeordneter oder gar Finanzminister zu werden. Geplant war, dass ich nach meinem Studium den bürgerlichen Beruf meiner Eltern aufgreife: Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Diese Tätigkeit habe ich kurz ausgeübt. Ich habe keine Sandkasten-Kinderträume gehabt und verwirklicht.

Die Furche: Die Politik war aber kein reiner Zufall.

Androsch: Nicht ganz, ich bin in einer politisch engagierten Familie aufgewachsen, das hat mein Interesse geweckt. Ich war schon in jungen Jahren politisch aktiv, aber nach dem Studium wollte ich eigentlich ein Jobangebot von Daimler-Benz in Stuttgart annehmen. Als sich 1963 die überraschende Möglichkeit eröffnete, im Parlamentsklub als Sekretär für Wirtschaftsfragen tätig zu werden, habe ich diese Möglichkeit ergriffen. Das war die Weggabelung, ohne dass ich unbedingt in die Politik gehen wollte. Im Oktober 1967 folgte ich Rosa Weber, die bei einer Bergtour tödlich verunglückt war, in den Nationalrat nach, dem ich mit 29 Jahren als bis dahin jüngster Abgeordneter angehörte.

Die Furche: 1970 wurden Sie Finanzminister, 1976 Vizekanzler …

Androsch: Sowohl das Abgeordnetenmandat als auch die Berufung zum Finanzminister habe ich unter der Voraussetzung angenommen, dass ich die ehemals elterliche Kanzlei weiterführen und dorthin, in meinen Brotberuf als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, zurückkehren kann. 1978 wollte man mir allerdings einen Strick daraus drehen, dass ich auch Freiberufler war. Allerdings gab es vor und nach mir, auch im Finanzministerium, Minister mit freiberuflichen Brotberufen. Nur in meinem Fall wollte man es für unvereinbar erklären.

Die Furche: Ein Finanzminister, der wegen Steuerhinterziehung verurteilt wird, das hat eine schiefe Optik.

Androsch: Dieser Vorwurf war konstruiert, und für diese Konstruktion, die mit schweren Rechtsbeugungen und Gesetzesverletzungen verbunden war, hat man 16 Jahre gebraucht. Ich kann unwidersprochen sagen, dass diese Causa von A bis Z getürkt und konstruiert war - ein Beispiel für politische Justiz.

Die Furche: Selbst nach Ihrem Ausscheiden aus der Politik 1981 ging die Karriere nahtlos weiter, auch nach der Verurteilung.

Androsch: Eben diesen Widerspruch konnte Kreisky nicht auflösen. Man wusste, dass er mich weghaben wollte, aus anderen Gründen wollte dies auch die ÖVP, und so hat sich eine Bereichskoalition Kreisky-Mock gefunden. Bei meinem Ausscheiden hat Kreisky im Ministerrat im Beisein von Journalisten wörtlich gesagt, Kamitz und Koren mögen ihm verzeihen, aber ich sei der beste Finanzminister der Zweiten Republik gewesen. Eigentlich wollte ich nach meiner Ministertätigkeit ursprünglich nicht Chef der CA (Creditanstalt, damals noch Staatsbesitz; Anm.), sondern Notenbankchef werden, das brachte Kreisky zur Weißglut. Mein einziger eigener Karrierewunsch blieb mir verwehrt.

Die Furche: Und mit 50 Jahren schieden Sie auch aus der CA aus.

Androsch: Das war für mich und meine Familie ein Tiefpunkt. Freunde haben mir dann eine Beratertätigkeit bei der Weltbank verschafft. Dagegen wurde zwar aus Wien interveniert, aber das war der Weltbank egal. Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Henry Kissinger sind zu mir gestanden. Im Sommer 1988 hat mich Bundeskanzler Helmut Kohl nach St. Gilgen eingeladen. Er hat gesagt: "Sie brauchen mir nichts zu erzählen, ich weiß alles. Schauen Sie sich jetzt genau an, wer auf welcher Seite steht. So eine Gelegenheit haben Sie nie wieder." Dann hat er mir drei Stunden die Welt erklärt und beim Weggehen gesagt: "Wenn Sie etwas brauchen, die Deutsche Botschaft in Wien ist angewiesen, Sie zu unterstützen."

Die Furche: Haben Sie es probiert?

Androsch: Dieses Angebot war eine besondere Geste, aber es war nicht notwendig darauf zurückzugreifen. Seinen Ratschlag habe ich beherzigt, wobei ich zu meiner Überraschung feststellen konnte, dass ich mehr Freunde in der Not im In- und Ausland als erwartet hatte. Von der ungarischen Regierung wurde mir ein Beratervertrag angeboten mit der Bemerkung: "Wenn andere so dumm sind, auf den Androsch zu verzichten - wir nicht."

Die Furche: Was haben diese Menschen so an Androsch geschätzt?

Androsch: Das Geschick, mit dem das kleine Schifflein Österreich durch die großen Turbulenzen und Umbrüche der 70er Jahre vom damaligen Regierungsteam unter der Führung von Kreisky erfolgreich durchgesteuert wurde, hat international Anerkennung gefunden. Und dem Finanzminister kommt in jeder Regierung eine Schlüsselrolle zu.

Die Furche: Welcher Abschnitt der Karriere gefällt Ihnen am besten?

Androsch: Am faszinierendsten war natürlich, an der wirtschaftspolitischen Orgel zu sitzen, wenngleich ich allen meinen Tätigkeiten großes Engagement entgegengebracht habe und ich keine missen möchte. Ich bereue nichts. Ich kann mit 70 auf einen interessanten Lebensweg zurückblicken.

Die Furche: Sind Sie schon am Ziel angekommen?

Androsch: Karajan hat gesagt: "Wenn man alle seine Ziele erreicht, dann hat man diese zu nieder gesteckt." Aber mit 70 hat man nicht mehr die Absicht, den Mount Everest zu erklimmen. Ich habe die Baumgrenze überschritten und kann mit dem besseren Überblick gelassen ins Panorama schauen. Und eine Plateauwanderung ist auch sehr schön.

Das Gespräch führte Axel N. Halbhuber.

Ein sozialdemokratischer Wirtschafts-Tycoon

Hannes Androsch wurde am 18. April 1938 in Wien geboren. Seine politische Sozialisierung fand im Arbeiterturnverein in Großjedlersdorf, bei der Sozialistischen Jugend und bei den Sozialistischen Studenten statt. In nur drei Jahren erwarb er an der Hochschule für Welthandel das Diplom. "Das Doktorat hat dann aufgrund der politischen Tätigkeiten und der Familiengründung aber zehn Jahre gedauert", fügt er hinzu. 1963 wurde er Sekretär, später Konsulent für Wirtschaftsfragen im Parlamentsklub der SPÖ. Nebenbei war er als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig. 1967 wurde er der bis dahin jüngste Nationalratsabgeordnete, 1970 Finanzminister, ab 1976 auch Vizekanzler. 1981 schied Androsch aus der Regierung aus, nachdem die SPÖ ein "Zehn Punkte-Programm" beschlossen hatte, das auch die Unvereinbarkeit einer eigenen Steuer- und Wirtschaftsprüferkanzlei mit dem Amt eines Finanzministers beinhaltete. Dieses Gebot gelangte später nie mehr zur Anwendung. Eigentlicher Grund des Rücktrittes waren seine wachsenden Differenzen mit Kanzler Bruno Kreisky. Androsch wurde kurz nach seinem Ausscheiden aus der Regierung Generaldirektor der als "schwarz" geltenden Creditanstalt. Dort wurde er 1988 in Fortsetzung der gegen ihn geführten politischen Intrige abgelöst. In der Folge war er ein Jahr lang als Konsulent der Weltbank in Botswana tätig. 1989 gründete er die Wirtschaftsberatungsfirma AIC, 1994 legte er mit seiner Beteiligung an AT&S den Grundstein zu seiner Firmengruppe. Androsch ist seit 1964 verheiratet und hat drei Kinder. Seine Leidenschaft gehört Büchern, besonders Sachbüchern über internationale Politik, Wirtschaft und Geschichtsthemen.

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