"Ich hege nicht den geringsten Groll"

Werbung
Werbung
Werbung

Wochenlang strahlte sein Bild von den Plakatwänden: Obwohl Spitzenkandidat, schaffte Hans Kronberger nach der Wahlschlappe der FPÖ nicht den Einzug ins EU-Parlament. Andreas Mölzer stach - dank seiner Vorzugsstimmen - seinen Listenführer aus. Im furche-Interview spricht Kronberger über seine Gemütslage, seine EU-Erfahrungen und seine Pläne.

Die Furche: Sind Sie wegen des Ausgangs der EU-Wahlen frustriert?

Hans Kronberger: Überhaupt nicht. Ich habe 7,5 schöne Jahre im EU-Parlament gehabt, konnte dort viel bewegen und habe die Energiepolitik Europas mitgestaltet. Davon möchte ich keinen Tag missen. Eine schöne Herausforderung, die am Anfang eher schwierig war. Als unbekannter Freiheitlicher aus Österreicher hatte man Startnachteile. Insgesamt aber: ein faszinierende Zeit.

Die Furche: Haben Sie eigentlich jemals in die FPÖ gepasst?

Kronberger: Das muss die FPÖ wissen. Ich bin ein loyaler Mensch und verdanke der FPÖ die Tatsache, dass ich im EU-Parlament arbeiten konnte. Wichtig ist mir, dass ich etwas bewegt habe. Das verdanke ich der FPÖ. Daher bin ich absolut loyal.

Die Furche: Peter Sichrovsky, wie Sie ehemaliger EU-Abgeordneter der FPÖ, hat gemeint, nach der Wahl Andreas Mölzers "müsse man sich jetzt rückwirkend schämen dafür, für diese Partei gearbeitet zu haben". Ihnen geht es offenbar nicht so...

Kronberger: Ich habe von allen Spitzenkandidaten die meisten Stellungnahmen und Berichte aus Brüssel heimgebracht, war ein ausgesprochen erfolgreicher Politiker - so schwer es mir fällt, mich selbst zu loben. Hätte ich all das nicht bewegt, hätte ich schon Grund frustriert zu sein. Aber so...

Die Furche: Waren Sie als Quereinsteiger in diesem Wahlkampf als Spitzenkandidat etwas überfordert?

Kronberger: Es war eine hochinteressante Erfahrung. Auch sie möchte ich nicht missen. Es hat mich physisch und psychisch absolut an meine Grenze geführt. Ich habe einmal den Kilimandscharo bestiegen. Das war ein Spaziergang dagegen. Ich habe sehr viel daraus gelernt: Vorne an der Front zu stehen, Menschen zu überzeugen - was allerdings nicht ausreichend gelungen ist. Ich habe gelernt, mit Fronten zu leben. Das musste ich vorher nie in meinem Leben. Irgendwie war ich immer auf der Seite der "Guten"...

Die Furche: Fanden diesmal viele, Sie seien auf der Seite der "Schlechten"?

Kronberger: Nein. Zu Wahlveranstaltungen kommen ohnedies vorwiegend jene, die der gleichen Meinung sind.

Die Furche: Was macht einen guten Wahlkämpfer aus?

Kronberger: Das weiß ich nicht. Ich bin es möglicherweise nicht. Ich habe es nicht geschafft, die Aussagen so zu reduzieren, dass es noch transportierbar ist.

Die Furche: Sind Sie zu intellektuell?

Kronberger: Das glaube ich eigentlich nicht. Ich bin von der Herkunft ein relativ vernünftiger steirischer Waldbauernbub. Aber man kann Europa nicht auf ein paar Worte reduzieren. Europa den Menschen näher zu bringen, ist eine Bringschuld der Politik, an der ich gearbeitet habe. Ich habe auch viel dazu publiziert. Hätte ich schrillere Töne gehabt, wäre auch nichts anderes herausgekommen.

Die Furche: Lässt sich die EU überhaupt kommunizieren?

Kronberger: Für Europa ist das eine Überlebensfrage. Wenn jedoch einer über das Spesenthema - an dem er selbst der Haupttäter ist - Erfolg hat, dann sind wir von diesem Ziel weit entfernt.

Die Furche: Wie erklärt man Europa?

Kronberger: Es ist ein Friedensprojekt und muss es auch bleiben. Sonst erleben wir düstere Zeiten. Es gibt jetzt erste nationalistische Ansätze in den neuen Mitgliedsländern. Das finde ich erschütternd. Dort konnte man jahrzehntelang nicht wählen - und verzichtet jetzt schon auf das Wahlrecht! Sehr bedenklich.

Die Furche: Ist die EU nicht vom Friedens- zum Wirtschaftsprojekt degeneriert?

Kronberger: Genau das ist einer der größten Fehler. Wenn sie zum Europa der Konzerne wird, steuern wir in Richtung einer Diktatur. Und diese Entwicklung gibt es eindeutig. Wir haben es bei der Atomkraft, der Gentechnik, in der Frage des Transits gesehen. Die Bevölkerung wird sich entscheiden müssen, ob sie dies gleichgültig zur Kenntnis nimmt oder ein lebenswertes Europa schafft.

Die Furche: Welche Möglichkeit haben die Menschen denn, darauf Einfluss zu nehmen?

Kronberger: Laut und deutlich müssen sie ihre Meinung sagen. In manchen Fragen wird es Widerstand gegen Entwicklungen geben. Ich denke an den Verkehrsbereich. Gefordert sind auch die Medien.

Die Furche: Welche Chance hat man als Österreicher im EU-Parlament?

Kronberger: Das ist das Faszinierende, dass es keine Bedeutung hat, woher man kommt, bei welcher Partei man ist. Gefragt sind Sachargumente. Mit ihnen bekommt man Zustimmung über alle Parteigrenzen hinweg.

Die Furche: Wie wird Ihre weitere Beziehung zur FPÖ sein?

Kronberger: Ich bin nie nach einem Parteibuch gefragt, nie irgendwie bedrängt worden, konnte immer so entscheiden, wie ich es für richtig empfunden habe. Ich hege nicht den geringsten Groll gegen sie, habe keinen Anlass, dort jemandem böse zu sein.

Die Furche: Auch nicht dem Herrn Mölzer, der jetzt für die FPÖ ins EU-Parlament einzieht?

Kronberger: Nein. Er hat die demokratischen Möglichkeiten genutzt.

Die Furche: Sie stecken Niederlagen offensichtlich leicht weg...

Kronberger: Ich halte es nicht für eine Niederlage und akzeptiere die Wählerentscheidung. Momentan genieße ich die Freiheit, neue Perspektiven zu entwickeln, etwas Neues anzufangen. Eigentlich freue ich mich über neue Herausforderungen.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

Ein Herz für Punks

"Ich habe mehrere Schulen gebraucht, um zu maturieren", antwortet der 1951 in der Nähe des steirischen Admont geborene Hans Kronberger, nach seinem Lebenslauf befragt. Dann habe er Publizistik und Völkerkunde in Wien studiert. Sein Dissertationsthema: "Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter". Es folgten 20 Jahre Tätigkeit in den Medien: zunächst beim Magazin "Extrablatt". "Über das sollte man einmal ein Buch schreiben", sinniert Kronberger, "dort haben viele bunte Vögel gearbeitet." Ab 1982 gestaltete Kronberger ORF-Sendungen mit klingenden Namen: "Argumente", "Bürgerforum", "Konflikte". Schöne Jahre, versichert er, in denen er etwas bewegt habe: "Ohne diese Sendungen würde es heute kein Pflegegeld, keinen Ab-Hof-Verkauf geben." 1996 zog Kronberger auf einer FPÖ-Liste ins EU-Parlament ein, wo er sich vor allem mit Umweltthemen einen Namen gemacht hat. Mit dem Mehrverdienst als Abgeordneter stiftete er 1997 einen jährlich vergebenen Journalistenpreis für hervorragende Umweltberichterstattung. Künftig will er wieder mehr publizieren, aber auch im sozialen Bereich wirken. Bei einer Wahlveranstaltung in Graz habe er da ein Schlüsselerlebnis gehabt: "Wie ich auf der Bühne gestanden bin, haben unten 150 Punks geschrien und getobt. Da wurde mir bewusst: Wir geben eigentlich vielen Menschen keine Chance im Leben. Ich denke oft an diese Jungen und werde demnächst nach Graz fahren und mich mit ihnen zusammensetzen."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung