"Ich sehe das halbvolle Glas"

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Im Gespräch mit der furche nimmt Wissenschaftsminister Johannes Hahn auch ausführlich zum aktuellen Streit um die Medizinerquote Stellung. Während Österreich an der Beschränkung ausländischer, besonders deutscher, Studenten festhalten will, sieht Brüssel darin eine Verletzung des europäischen Grundsatzes der Mobilitätsfreiheit.

Die Furche: Sie galten als Gegner einer großen Koalition. Haben Sie sich nun schon mit ihr angefreundet?

Johannes Hahn: Die Skepsis bezog sich ausschließlich auf den Umstand, dass es grundsätzlich schwer ist, wenn zwei gleich große Parteien, die weltanschaulich konträr sind, eine Regierung bilden. Für meinen Mikrokosmos der Bildungspolitik kann ich nichts Negatives sagen, weil es mit der Kollegin, Unterrichtsministerin Claudia Schmied, sehr gut geht.

Die Furche: Und wie läuft es im "Makrokosmos?"

Hahn: Wie die rasche Budgeteinigung gezeigt hat, läuft die Zusammenarbeit zwischen Wilhelm Molterer und Alfred Gusenbauer ganz gut.

Die Furche: Laut einer IMAS-Umfrage von Ende Februar kennt Sie die Hälfte der Österreicher nicht. Stört Sie das?

Hahn: Das stört mich nicht. Wir sind ja erst wenige Wochen im Amt. Ich bin dafür bekannt, dass ich relativ gelassen bin. Ich leite ein absolutes Fachressort. Daher ist der Bekanntheitswert nach wenigen Wochen eh schon überraschend gut. Und der Rest wird sich sicher von selbst ergeben.

Die Furche: Ist es nicht widersprüchlich, wenn Sie einerseits im Zusammenhang mit dem Projekt "Lebenslanges Lernen", das Sie kürzlich präsentiert haben, die Wichtigkeit des Studentenaustausches betonen, andererseits aber so entschieden die Quote für das Medizinstudium verteidigen?

Hahn: Das ist kein Widerspruch. Selbst bei Beibehaltung der Medizinerquote haben wir dort einen Anteil von ausländischen Studenten, der deutlich höher liegt als dieser Anteil bezogen auf alle Universitäten. Österreich liegt zusammen mit Belgien an der Spitze, was ausländische Studierende betrifft. Auf der ganzen Welt gibt es im Medizinbereich eine beschränkte Anzahl von Studienplätzen und um diese gibt es auf gut Wienerisch "a Griss". Es ist meine moralische Verpflichtung, auch den jungen Österreichern die Chance zu geben, dieses Studium wählen zu können.

Die Furche: Haben Sie schon genug Argumente, um die Europäische Union zu überzeugen?

Hahn: Wir haben eine Fülle von Daten, Informationen und Argumenten und sind dabei, diese zu strukturieren. Wir sind an einer Lösung im europäischen Geiste bestrebt, aber das kann keine Einbahnstraße sein. Mein Selbstverständnis von Europa ist das einer Familie, in der man sich gegenseitig hilft. In der Frage des Uni-Zugangs im Medizinbereich wäre es notwendig, dass wir vom Familienoberhaupt Europas dementsprechend Beistand bekommen, noch dazu, wo Bruder oder Schwester Deutschland mit uns sowieso an einem Strang zieht.

Die Furche: Was stimmt jetzt - droht ein Ärztemangel oder keiner?

Hahn: Beide Aussagen stimmen. Die nächsten Jahre werden ausreichend viele Mediziner promovieren. Aber Versäumnisse von jetzt kommen in acht bis zehn Jahren ans Tageslicht. Alle Ziffern zeigen uns, dass dann pensionsbedingt - und das ist eine konservative Zahl - 1.000 Ärzte zu ersetzen sind. Das ist die absolute Untergrenze.

Die Furche: Wird durch dieses Problem nicht der EU-Skeptizismus in Österreich verstärkt?

Hahn: Es geht darum, Brüssel klar zu machen, dass hier gegebenenfalls Porzellan zerschlagen wird, das man dann wieder kitten muss. Hinterher schaut gekittetes Porzellan nie so schön aus wie neues.

Die Furche: In puncto Befreiung von Studienbeiträgen sieht man endlich erste Umrisse eines Modells. Sie haben eine Befreiung für Tutoren (Studentenberatung) und Mentoren (Nachhilfe für sozial Benachteiligte) vorgeschlagen. Wird da der Nachweis nicht sehr schwierig?

Hahn: Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Es gilt Modelle zu entwickeln, die bürokratisch nicht überwuchernd sind. Qualität hat ihren Preis, daher wird es auch ein bisschen dauern, bis man ein diskussionsfähiges Ergebnis auf dem Tisch hat.

Die Furche: Ist es Ihnen lästig, dass Sie sich als Befürworter der Studienbeiträge mit diesem Thema herumschlagen müssen?

Hahn: Die SPÖ hat im Wahlkampf sehr populistische Forderungen aufgestellt. Es gab dann die Notwendigkeit zu einem Kompromiss. Ich sehe aber das halbvolle, nicht das halbleere Glas. Der Kompromiss beinhaltet durchaus eine Komponente, die es wert ist, weiter zu verfolgen. Ich jammere da jetzt nicht.

Die Furche: Die Rektorenkonferenz übte scharfe Kritik daran, dass aufgrund des Fremdenrechts Studenten und Wissenschafter mit unzumutbaren Auflagen konfrontiert sind.

Hahn: Die Rektorenkonferenz sagt selbst, dass schon einiges passiert ist, was zum Beispiel Haftungsübernahmen anbelangt. Es gibt eine Zunahme von Studierenden aus Drittstaaten. Mag sein, dass es da und dort noch Probleme gibt. Wir sind auch im Gespräch mit dem Innenministerium, um die Situation nochmals zu verbessern.

Die Furche: Gibt es Bereiche in der Wissenschaft, die Sie besonders fördern wollen?

Hahn: Wir müssen innerösterreichisch Strukturen schaffen, damit wir uns in europäische Projekte nicht nur einklinken können, sondern auch da und dort eine führende Funktion einnehmen können, wie es etwa im Bereich Geowissenschaften bereits passiert. Es gilt die Stärken zu stärken und nicht, unterentwickelte Muskeln auf bescheidenes Mittelniveau hochzutrainieren.

Die Furche: Sind Sie mit dem Budget für Ihr Ressort zufrieden?

Hahn: Wie jeder Minister hätte ich mir mehr gewünscht, aber man muss sich nach der Decke strecken. Es gibt einen allgemeinen Budgetpfad mit der Schwerpunktsetzung auf Bildung, Wissenschaft und Forschung. Das war wichtig und richtig.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger

Minister mit Bart und Gelassenheit

An seinem Vollbart will Minister Johannes Hahn (ÖVP) festhalten. Er sei froh, wenn er nicht gefragt werde, ob er ihn sich nicht auch wie Sozialminister Erwin Buchinger medienwirksam abrasieren wolle. Der feine Bart bleibt also dran; soll er dem promovierten Philosophen doch wohl das von ihm selbst gewünschte Charisma des gelassenen Bücherwurms und des mehr an tiefgehenden Gesprächen als an oberflächlichem Smalltalk interessierten Menschen verleihen. Aber so intellektuell wie vielleicht das Philosophiestudium war die Karriere des am 2. Dezember 1957 in Wien, Wieden, geborenen Hahn nicht immer. Er war viele Jahre in der Wirtschaft tätig, zuletzt als Vorstandsvorsitzender des Glücksspielunternehmens Novomatic. Als sich Hahn, der den Spitznamen "Gio" pflegt, 2003 von der Privatwirtschaft in Richtung Wiener Stadtrat verabschiedete, war er kein Unerfahrener auf dem politischen Parkett. Zwischen 1980 und 1985 fungierte er als Landesobmann der Jungen ÖVP Wien. Im Juni 2005 übernahm er die Wiener Parteiführung und eroberte bei den Gemeinderatswahlen als Spitzenkandidat den zweiten Platz von der FPÖ zurück, auch wenn der Rückstand zur SPÖ sehr groß blieb. Hahn, verheiratet und Vater eines Sohnes, will für eine liberalere und modernere Wiener ÖVP stehen. "Ich kenne die Wiener Politik wie meine Westentasche", sagt Hahn auf die Frage, wie er denn beide Funktionen schaffen wolle - Landesparteiobmann und Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.

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