"Ich wundere mich über Bures"

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Andrea Kdolsky, Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend, über den medialen Hype um ihre Person, ihr "liberales" Image und die Modernisierung der ÖVP. Überdies kontert die Ministerin die Kritik am Gesetzesentwurf zur Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes, der kürzlich in Begutachtung gegangen ist.

Die Furche: Man hat den Eindruck, die "große Andrea-Kdolsky-Show" wurde in letzter Zeit etwas zurückgefahren …

Andrea Kdolsky: Ich hatte es nie auf eine "große Andrea-Kdolsky-Show" angelegt. Sicher hat es in den ersten Wochen einen gewissen medialen Hype um meine Person gegeben - aber das ist eben so, wenn ein neues Gesicht in der Politik auftaucht, das an die Dinge auch anders herangeht. Ich mache meine Arbeit weiter, wie ich sie von Anfang an gemacht habe.

Die Furche: Kann es sein, dass man Ihnen parteiintern gesagt hat: Tritt ein bisschen leiser. Oder dass Sie sich selbst gesagt haben, ich muss aufpassen?

Kdolsky: Überhaupt nicht. Ich arbeite gerne mit Medien zusammen, auch wenn sie mir manchmal unrecht tun - aber, nicht böse sein: das Wichtigste ist mir die Bevölkerung, für die arbeite ich, und bei der erfahre ich viel positive Resonanz.

Die Furche: Sie gelten als das "liberale Feigenblatt" der ÖVP …

Kdolsky: Da werde ich zu etwas gemacht, was ich nicht bin. Als Liberale wäre ich nicht Mitglied der ÖVP. Ich lasse mich weder in ein konservatives, noch in ein liberales, weder in ein verstaubtes, noch in ein schrilles Eck stellen - sondern ich möchte als das gelten, was ich bin. Ich glaube, dass es politische Quereinsteiger in Österreich nicht leicht haben. Es wird zwar immer gefordert, der Parteifilz müsse weg; holt man dann aber Fachleute, die frischen Wind bringen und gewachsene Strukturen aufbrechen, bläst denen oft ein recht rauer Wind entgegen.

Die Furche: Anders gefragt: Droht der groß hinausposaunte Erneuerungsprozess der ÖVP - Stichwort: "moderne konservative Volkspartei" - nicht zu versanden, bevor er richtig begonnen hat?

Kdolsky: Man kann nicht von einer Sekunde auf die andere Strukturen und Traditionen, die seit Jahrzehnten etabliert sind, verändern. Josef Pröll ist hier mit den Perspektivengruppen auf einem sehr guten Weg. Wir werden im Gesundheitsbereich sehr viel schneller verbesserte Strukturen finden als in gesellschaftspolitisch-ideologischen Fragen, wo es einen langfristigen Umdenkprozess braucht.

Die Furche: Ebendieser scheint der ÖVP schwer zu fallen …

Kdolsky: Nein, überhaupt nicht. Es werden wichtige Ideen aus den Perspektivengruppen kommen. Aber es wäre ja kontraproduktiv, wenn jeder Zwischenschritt der Arbeitsgruppen sofort öffentlich kritisiert wird. Daher meine Bitte: Lasst doch die Leute einmal arbeiten!

Die Furche: Sie haben betont: Mit mir wird es die Gleichstellung homosexueller Paare geben. Werden Sie das in der ÖVP durchsetzen können?

Kdolsky: Ich bin absolut der Meinung, dass es hier zu einer rechtlichen und vor allem zu einer emotionalen Gleichstellung kommen muss. Das ist von mehreren Seiten anzugehen. Aber ich habe auch klar gesagt, dass das vom Christentum geprägte Bild der Ehe für mich nicht zur Disposition steht.

Die Furche: Also denken Sie an eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Beziehungen?

Kdolsky: Da bin ich gegenüber den Medien vorsichtig geworden. Denn ich habe - auch im Gespräch mit Betroffenen - gemerkt, dass unter all diesen Begriffen wie "eingetragene Partnerschaft", "Notariatsakt" u.ä. jeder etwas anderes versteht. Man muss also erst definieren, wovon man spricht. Ich sage immer: Gleiche Rechte und gleiche Pflichten.

Die Furche: Kommt Adoption für Sie in Frage?

Kdolsky: Nein. Ich bin davon überzeugt, dass es für die Entwicklung eines Kindes ganz wichtig ist, dass ein weiblicher und ein männlicher Teil vorhanden ist.

Die Furche: Warum sperren Sie sich gegen die Forderung von Frauenministerin Doris Bures, Alleinerziehende in Bezug auf die Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes mit Paaren gleichzustellen?

Kdolsky: Ich schätze die Ministerin Bures sehr, aber ich wundere mich, dass sie bei ihren ureigensten Themen nicht so viel Wind macht wie bei meinen. Zuerst hat sie sich an der Zahl der fehlenden Kinderbetreuungsplätze festgebissen (50.000; Anm.). Ich lasse mich aber nicht auf Zahlen festnageln - was sich auch als richtig herausgestellt hat, weil die Bedürfnisse der Länder ganz andere sind, als manche hier in Wien glauben. Die Länder sagen, dass der Betreuungsbedarf für Über-Dreijährige kleiner und jener für Kleinkinder größer wird. Da kann man umschichten.

Die Furche: Das hat aber noch nichts mit den Alleinerziehenden zu tun …

Kdolsky: In Gesprächen mit Alleinerziehenden wurde deutlich, dass deren Hauptproblem die finanzielle Absicherung und nicht die Anspruchsdauer ist. Wir wollen daher die Zuverdienstgrenze für den Zuschuss, die vorher bei 5200 Euro lag, auf 16.200 Euro anheben. Ich stelle an die Kollegin Bures schon die Frage: Was wollen wir? Wollen wir nicht den Frauen helfen, rechtzeitig wieder in den Beruf einzusteigen, und die Väter ermutigen, auch die Herausforderung der Kinderbetreuung zu übernehmen? Auch bei Paaren gehen zur Zeit nur drei Prozent der Männer in Karenz; 97 Prozent der Familien beziehen also nur 30 Monate (oder ab 1. 1. 2008 nach dem neuen Entwurf 15 Monate; Anm.) Kindergeld - wie eben auch Alleinerziehende.

Die Furche: Warum soll die Zuverdienstgrenze nicht ganz fallen?

Kdolsky: Der Wegfall der Zuverdienstgrenze würde 300 Millionen Euro kosten und den ohnehin defizitären Familienlastenausgleichsfonds weiter belasten. Außerdem hätte man keine familienpolitische Steuerung mehr; es geht ja auch darum, den Männern Mut zu machen, mehr beim Kind zu sein.

Die Furche: Ihre Auseinandersetzung mit Doris Bures ist nur eines von vielen Konfliktfeldern innerhalb der Koalition. Können Sie die massive Kritik am Zustand dieser Regierung nachvollziehen?

Kdolsky: Ich verstehe sie nicht ganz. Ist denn jede kritische Auseinandersetzung gleich ein Nicht-an-einem-Strang-Ziehen? Natürlich gibt es ideologische Diskussionen - die müssen aber geführt werden. Ich lasse mir keine Missstimmung einreden, wo keine ist.

Das Gespräch führten Regine Bogensberger und Rudolf Mitlöhner.

Polarisierende Ministerin mit vielen Attributen

"Schreiben Sie das bitte nicht so, sonst bin ich gleich wieder die Gschnas-Ministerin", sagt Andrea Kdolsky beim Gespräch mit der Furche zu einem heiklen Thema, offensichtlich schon ein bisschen vorsichtiger geworden im Umgang mit Journalisten. Trotzdem - sie habe sich nie ein Blatt vor den Mund genommen und werde dies auch künftig nicht tun. Auf die Reizthemen der Anfangszeit - wie "Schweinsbraten" oder ungewollte Kinderlosigkeit - verweist die Fachärztin für Anästhesie, frühere Gewerkschafterin und Gesundheitsmanagerin heute mit Selbstironie. Doch die eine oder andere Kränkung habe es schon gegeben - wie eben den Vorwurf von SPÖ-Seite, sie hüpfe "von einem Gschnas zum nächsten". Also bitte, hält sie dagegen - der Lifeballauftritt (im gewagten Red-Ribbon-Kleid mit langer Haarmähne) sei doch Pflicht gewesen für eine Gesundheitsministerin, der das Thema Aids am Herzen liegt. Wie auch immer, sicher ist: Andrea Kdolsky polarisiert seit Beginn ihres Quereinstiegs in das Ministeramt: von der einen Seite als "frischer Wind" für die "verstaubte" Volkspartei hochgejubelt, von der anderen als "Show-Ministerin" oder gar "unguided missile" kritisiert, der Aktionismus näher liege als konkrete Politik, deren verbale Spontaneität zum Risiko für die Volkspartei werden könnte. Doch auch innerparteilichem Murren zum Trotz berief VP-Chef Wilhelm Molterer die resolute Wienerin, die in zweiter Ehe mit dem Unfallchirurgen Richard Kdolsky verheiratet ist, in seine Stellvertreterriege. bog

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