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Im Ergebnis: Erleichtertes Aufatmen

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Nach Ankündigung der Synode mag sich die Frage aufgedrängt haben,.ob dieses umständliche und zweifellos kostspielige Instrument kirchlicher Meinungsbildung überhaupt notwendig sei. Die Skepsis blieb bestehen, als eine Fülle von Papieren, ein Anwachsen des in seinen Kompetenzen nicht immer überschaubaren Apparates und die sich steigernde Terminnot unverkennbar wurden. Der nicht ganz geglückte Start, Unsicherheiten in der Geschäftsordnung und ihrer Anwendung, das Zerflattern der Diskussion und manch andere unliebsame Erscheinung am Rande des Geschehens mochten die negativen Eindrücke verstärken.

Der Kirchenrechtler könnte sich seine Aufgabe leicht machen, wenn er auf das Gesetz verwiese und so von der Notwendigkeit einer Synode spräche, deren Abhaltung schon längst fällig geworden war. Formalgesetzliche Hinweise vermögen allerdings nicht immer zu überzeugen, zumal selbst in leitenden Synodalgremien der Gedanke sich auszubreiten schien, daß eine Synode ohne Codex geplant sei; das .geltende Kirchenrecht habe nur noch formelle Bedeutung. Diesem Einwand kann indes begegnet werden, da er letztlich einem Verkennen rechtlicher Verbindlichkeiten entspringt. Man stelle sich etwa vor, daß staatliche Verwaltungs- und Gerichtsbehörden inhaltlich die geltende Rechtsordnung beiseite schieben wollten, weil sie materiell „veraltet“ sei.

Dennoch wäre es verfehlt, die Dinge auf die bloße Vorschrift zurückführen zu wollen. Die Synode ist eine Widerspiegelung dessen, was in der Gesamtkirche der consensus fldelium bewirkt, da „ecclesia“ ihrem Namen und Sinn nach Versammlung oder Gemeinde ist. Die Gesetzgebung ist nicht nur eine Bewegung von oben, ihr muß auch die Bewegung von unten entsprechen. Nur dann ist das autoritativ gesprochene Wort eine Begegnung mit der Wirklichkeit. Passive Gesetzesfähigkeit bedeutet juristisch die Fixierung eines Personenkreises, psychologisch besagt sie mehr. Sie ist mit jener Willigkeit gekoppelt, die rechtspolitisch im geistigen Klima verankert ist. Die ordinatio in bonum commune, wenn wir das Gesetz so definieren wollen, wird ihren Zweck nicht erreichen, wenn ihr der sensus communis nicht eine innere Tragfähigkeit verlieh.

Man wird kaum mit der Anerkennung zurückhalten können, wenn die Wiener Synode mit römischer Genehmigung den üblichen Rahmen zu sprengen vermochte, um ein zuviel und zuwenig an Vertretung aufzuschließen. Das Fehlen der Laien im kodikarischen Teilnehmerverzeichnis bringt zweifellos eine Verarmung mit sich und muß den Eindruck erwecken, als sei von seiten der Laien keine Meinungsbildung zu erwarten, sondern nur eine uninteressierte Passivität. Es soll nun keineswegs der Eindruck entstehen, als habe der Kleriker vergangener Zeiten niemals das Laieninteresse wahrgenommen. War doch die Fühlungnahme eine menschliche Selbstverständlichkeit, die es oft bewirkte, daß der Laie durch den Kleriker sprach. Die fortgesetzte Klage über das Bestehen einer triumphalistischen Führungsschicht, der Rechtlosigkeit des Laien, ja, seiner Unperson, bewegt sich nur zu gern in Abstraktionen und wird durch die unausgesetzte Wiederholung, verbrämt mit unwissenschaftlichem Pathos, nicht glaubwürdiger.

Ebenso erschien es begründet, wenn bei der Beteiligung des Klerus von der Schablone abgegangen wurde. Die nach geltendem Recht geforderte Einladung aller Pfarrer des Tagungsortes hätte für die Wiener Verhältnisse eine Kopflastigkeit der Synode bewirkt. Die gleiche Erwägung mag gelten, wenn davon abgesehen wurde, jede klerikale Ordensgenossenschaft mit einem Vertreter zu beteiligen.

Eine geteilte Beurteilung fand der Verzicht auf die geschlossene Teilnahme aller Dechan-ten und die anfänglich bestandene Unsicherheit, ob das Kapitel korporativ einzuladen sei. Bedenkt man, daß es dem Dechanten kraft seines Amtes zukommt, über die Durchführung des Gesetzes zu wachen, so mutet es doch merkwürdig an, ihn vom Werdegang des Gesetzes auszuschließen. Als zu Beginn der ersten Sitzungsperiode mit Dank jener Arbeit gedacht wurde, die trotz steigender Terminnot bewältigt werden konnte, galt dies im Hinblick auf die Materialvorlagen. Die Debatte zeigte jedoch, daß trotz der materiellen Fülle die Klarheit der Begriffe manches zu wünschen übrig ließ.

Die Kritik am theologischen Grundtext — sie mag als Ketzerriecherei aufgefaßt worden sein — galt nicht nur der einen oder anderen mißverständlichen ' Einseitigkeit, sondern vor allem der Schwerverständlichkeit. So mancher Laie hätte es vielleicht dankbar begrüßt und sich ernstgenommen gefühlt, wenn statt des weniger glücklichen Versuches, eine dogmatische Konstitution zu imitieren, jene Aufträge des Konzils zusammengefaßt und erläutert worden wären, die einer Verwirklichung durch teilkirchliche Gesetzgeber bedürfen.

Eine terminologische Klarstellung über die Kollegialität kirchlicher Leistungsgremien und die Natur beratender Gremien hätte die Debatte um die „kollegiale Leitung“ wesentlich verkürzen können. Nach der Errichtung von Priesterrat, Pastoralrat und Laienrat neben dem vorläufig in seinen Rechten ungeschmälerten Domkapitel waren emphatische Wendungen wie etwa „Kollegialität in allen Leitungsgremien“ überflüssig. Die mangelnde Koordination, die sich aus dem Dreiklang von Priester- und Pastoralrat sowie Domkapitel ergibt, hätte eher der Anlaß sein können, aus diesem Nebeneinander auf partikularrechtlicher Ebene ein Zueinander zu entwickeln. Pfarrkirchenrat und Pfarrbeirat rufen ohnedies den Laien zu Mitsprache und Mitbestimmung auf; Koordination und kompetenzenerweiternde Bestrebungen bedürfen einer geduldigen Kleinarbeit, nicht aber programmatischer Forderungen.

Die gleichen Erwägungen gelten für die Verwirklichung jener Möglichkeit, die das Vati-kanum II durch die Erwähnung des Bischofsvikars geschaffen hat. Unklarheiten über seine Funktion und Einsatzmöglichkeiten führten zur offenkundigen Fehlentscheidung, den Bischofsvikar durch die bischöfliche Weihe auszuzeichnen.

Die Offenheit der Debatte konnte manches Mißtrauen überwinden; sie wurde wegen ihres teilweise hohen Niveaus gerühmt. Ohne dieses Lob schmälern zu wollen, muß doch eingeräumt werden, daß es nicht so sehr die intellektuelle Leistung war als die Maßhaltung und teilweise doch vorhandene Kompromißbereitschaf t. Das Ergebnis war ein erleichtertes Aufatmen, weil das Ärgste doch verhütet worden war, extreme Positionen nicht zum Sieg gelangen konnten und der befürchtete Konflikt zumindest nicht offen ausbrach. Die begriffliche Unklarheit ließ auch das mangelnde Wissen um Kompetenzfragen erkennen. Vom ordensrechtlichen Standpunkt aus gesehen, wirkte es eher peinlich, als die Synode nicht nur zu einer Abklärung des Fragenkomplexes „Ordensleute und Diözese“ führte, sondern ohne Rücksicht auf ihre Unzuständigkeit ordensinterne Fragen aufgriff wie etwa die Ausbildung von Ordensangehörigen oder die Zusammensetzung der Supe-riorenkonferenz.

Nicht zuletzt zeigte sich die begriffliche Unklarheit in einem mangelnden Realismus. Das Bestreben, die amorphe Masse der Pfarre mit einer Gliederung zu versehen, um sie pastoral besser zu erfassen, soll als Grundsatzforde-rung nicht in Frage gestellt werden. Die Sprengelteilung mit einem priesterlichen, diakonalen oder laikalen Gemeindeleiter und zumindest einem „Mehrzweckraum“ mag dort angezeigt sein, wo die räumliche Ausdehnung der Pfarre, etwa am Stadtrand, die Vorbereitung einer Teilung nahelegt. Die konsequente Durchführung in allen Pfarren wird oft genug vor personalen, psychologischen, räumlichen und finanziellen Hindernissen stehen. Ein weiteres Bedenken darf dort angemeldet werden, wo sich in die bereits reich gegliederten Strukturen von Sprengel oder Wohngemeinde, Pfarre, Dekanant, Vikariat (Region) und Diözese nebst dem kategorialen Heilsdienst die Seelsorgezone schiebt. Wenn die Synodal vorläge hier „Studien und Experimente“ vorsieht, dürfte der Weg zur Ernüchterung nicht mehr sehr weit sein. Ähnliche Vorbehalte gelten für eine überorganisierte kategoriale Seelsorge. Die nach-konziliare Entwicklung läßt die starke Hervorkehrung der Territorialpfarre als einen bereits überschrittenen Höhepunkt erscheinen. Wie weit eine Verbundenheit von Studenten, Akademikern und anderen Gruppen von der Pfarre weg zu einer personalen Gliederung hinzuführen vermag, entzieht sich vorläufig der Erfahrung. Die Anziehungskraft, die von der Nachbarpfarre, einer Klosterkirche oder der Domkirche ausgeht, läßt ebensowenig Fixierungen aufkommen wie die Ausstrahlung einer priesterlichen Persönlichkeit, die einen Hörerkreis zu fesseln vermag. Die grundsätzliche Berechtigung einer Seelsorge für bestimmte Gruppen wird niemand leugnen, wohl aber eine wirklichkeitsnahe Betrachtungsweise fordern, wenn es gilt, das Ausmaß des kategorialen Heilsdienstes festzulegen und ihn in die rechte Beziehung zur Pfarre zu bringen. Eine Seelsorge an gewissen Kreisen mag das Wort des evangelischen Mitbruders berechtigt erscheinen lassen: erst wird die Pfarre „verkreist“ und dann ist sie „vergreist“.

Schließlich zeigt sich der Mangel an Information nicht nur in der vorgängigen Meinungsbildung, sondern auch in einer fragwürdigen Öffentlichkeitsarbeit. War doch die Presseberichterstattung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht immer objektiv; es konnte geradezu der Eindruck entstehen, als handle es sich um Meldungen über die militärische Lage im Spiegel feindlicher Heeresberichte. Die Pressevertreter wurden mit Antipoden konfrontiert, deren Kontroversen einer fairen Auswertung entbehrten. Eine objektive Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse von dazu berufenen Organen hätte das Bild vorurteilsfreier zeichnen können. Dieser Rückblick ist nicht nur eine Schau in die Vergangenheit; er soll, fern jeglicher Destruktion, ebensogut Ausblick sein, um das Verantwortungsgefühl jener Synodalen zu wecken, die sich berufen fühlen, ausgewogene Argumente nicht polemisch, sondern klärend ins Treffen zu führen. Niemand würde es der Synodalleitung verargen, wenn bei unklarer Situation eine Information und Sichtung erfolgte, nicht um zu beeinflussen, sondern um zu klären und die Motive herauszustellen. Die vornehme Zurückhaltung mag Anerkennung finden, die Grenzen des Schweigens und Ge-währenlassens wird jedoch kein Gutwilliger beliebig ausdehnen. Das Wort dessen, der gelegen oder ungelegen zu mahnen und zurechtzuweisen hat, soll dann nicht ungehört verhallen.

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