Im Volk El Salvadors auferstanden

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20 Jahre nach der Ermordung des Erzbischofs von San Salvador, Oscar A. Romero, haben seine Worte nichts an Brisanz verloren.

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20 Jahre nach der Ermordung des Erzbischofs von San Salvador, Oscar A. Romero, haben seine Worte nichts an Brisanz verloren.

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Ein Schuß beendete am 24. März 1980 die Predigt von Oscar A. Romero: Mitten ins Herz getroffen brach der Erzbischof von San Salvador in der kleinen Kapelle zusammen. Es sollte ein kurzer Triumph werden für seine Mörder, die mit Champagner auf die Beseitigung des schärfsten Kritikers der Ungerechtugkeit in El Salvador anstießen. Das Volk machte noch in derselben Nacht "die Stimme der Stimmlosen" zu ihrem Heiligen. Romero selbst hatte das prophezeit: "Wenn sie mich umbringen, werde ich im salvadorianischen Volk auferstehen."

Oscar Romero war nicht immer "die gute Nachricht von Gott für die Armen gewesen". Ganz im Gegenteil: 1917 nahe der Grenze zu Honduras in Armut geboren erwachte schon früh sein Wunsch, Priester zu werden. Nach Theologiestudium und Priesterweihe in Rom war er Pfarrer, Bischofssekretär und wurde schließlich 1970 Weihbischof von San Salvador. Als Generalsekretär der salvadorianischen Bischofskonferenz trat er entschieden gegen politisch und sozial engagierte Priester auf. Romero warf ihnen Ungehorsam gegenüber den kirchlichen Autoritäten und das Vermischen von Politik mit Eucharistie vor.

1977 - in einer extrem explosiven politischen Lage - wurde Oscar Romero Erzbischof von San Salvador. Die an der Basis arbeitenden Laien und Priester, die versuchten, die Grundsätze der lateinamerikanischen Bischofsversammlung von Medellin (1968), wo die Option der Kirche für die Armen formuliert wurde - in die Tat umzusetzen, waren enttäuscht. Sie alle hatten sich erhofft, daß der neue Erzbischof zur politischen und sozialen Veränderung im Lande beitragen werde. Denn ein paar mächtige Familien regierten El Salvador mit Hilfe von Todesschwadronen und korrupten Beamten. Zwei Drittel der Bevölkerung jedoch lebten im Elend.

Ein Hoffnungsträger für die Armen war der Jesuit Rutilio Grande. Immer wieder erhob er seine Stimme gegen das Unrecht: "Wir Menschen haben einen gemeinsamen Vater. Das macht uns alle zu Brüdern und Schwestern. Aber manche von unseren Brüdern und Schwestern sind ,Kains'. In unserem Land leben ,Kains', die Anspruch erheben, daß Gott auf ihrer Seite ist. Das ist der Grund dafür, warum manche Dinge sich zum Bösen entwickelt haben." Nur einen Monat nachdem Grande diese Worte gesprochen hatte, wurde er als erster Priester in El Salvador zusammen mit zwei Katechisten ermordet - im Auftrag eines Großgrundbesitzers.

Der Tod von Rutilio Grande wurde zum Schlüsselerlebnis für Erzbischof Oscar Romero: "Wenn sie ihn für das umgebracht haben, was er getan hat, dann muß ich denselben Weg gehen." Noch während der Totenmesse für Pater Grande wurde der Gesinnungswechsel des Erzbischofs deutlich: 100.000 Menschen hielten den Atem an, als Oscar Romero die Exkommunikation der unbekannten Täter ins Mikrophon donnerte. Auch versprach der neue Hirte des Volkes, bis zur restlosen Aufklärung der Morde an keinem offiziellen Staatsakt mehr teilzunehmen.

Stimme der Armen Von nun an war Erzbischof Romero wie ausgewechselt: Alle, die ihn davor gekannt hatten, waren äußert verblüfft. Er wurde zum Diener der Menschen, zum Prediger der Gerechtigkeit. Er verteidigte das Recht der Menschen, sich zu organisieren. Er klagte das korrupte Justizwesen und den Imperialismus der USA an. Tausende im ganzen Land lauschten Sonntag für Sonntag seinen Predigten, die über den katholischen Radiosender YSAX verbreitet wurden. Die Armen hatten in diesem Bischof ihre Stimme gefunden!

Die Kathedrale von San Salvador wurde nun zum Hort der Menschenrechte. Immer wieder prangerte der Erzbischof die Übergriffe der Paramilitärs an. Entschieden stellte er sich gegen jede Form der Gewalt. Romero sah sich innerhalb kürzester Zeit massiven Protesten und Angriffen seiner ehemaligen Freunde gegenübergestellt. Er, der die "roten Patres" zur Räson hätte bringen sollen, wurde nun deren Wortführer. Wenn man ihn an seine früheren Aussagen gegen die Vermischung von Politik mit der Eucharistie erinnerte, konterte er: "Das ist nicht Politik, wenn in einer Predigt die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Sünden aufgezeigt werden; sondern das ist das Wort Gottes, das in unserer Wirklichkeit Fleisch wird."

Die Worte Romeros erzielten ungeheure Wirkung. Viele sahen sich ermutigt in ihrem Kampf gegen die Oligarchie, gegen die Unterdrückung. Im Gegensatz dazu standen freilich die Großgrundbesitzer, die Minister und auch manche Vertreter der Kirche. Sie beargwöhnten die "kommunistischen" Aktivitäten ihres Mitbruders. Wie der Jesuitenpater Martin Maier, Chefredakteur der Münchner Zeitschrift "Stimmen der Zeit" und Kenner der salvadorianischen Situation, unlängst festhielt, war der größte Schmerz für den tiefgläubigen Romero die "erbitterte Gegnerschaft einiger seiner Mitbischöfe und des Nuntius".

Oscar Romero setzte sich - angesichts massiver Morddrohungen - mit dem eigenen Tod auseinander: Noch kurz vor seiner Ermordung erhielt er diesbezügliche Warnungen. Doch er ließ sich dadurch nicht abhalten: "Ich habe Angst vor den Gefahren, die sich gegen mein Leben richten." Doch: "Mit der Gnade Gottes kann ich mich den Ungewißheiten stellen."

Heute haben die Menschen in El Salvador, die jahrelang sogar um ihr Leben fürchten mußten, wenn bei ihnen Bilder des Ermordeten gefunden wurden, ihren Hirten, der sich einem Wunder gleich zu einem der ihren bekehrt hatte, längst heiliggesprochen. Erst 1990 wurde dafür das offizielle Verfahren begonnen. Doch alle, die gehofft hatten, daß Romero 2000 seliggesprochen wird, müssen sich weiter gedulden. Martin Maier SJ: "Auch heute noch sitzen Gegner Romeros an einflußreicher Stelle im Vatikan." Bedenklich sei, daß weiterhin versucht werde, "Romero als frommen und etwas naiven Menschen darzustellen, der sich von bestimmten kirchlichen und politischen Gruppen manipulieren ließ."

Späte Gerechtigkeit?

Die Mörder Romeros sind bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Doch die jüngsten Entwicklungen in El Salvador lassen auf späte Gerechtigkeit hoffen: Die Parlamentswahlen vom 12. März brachten der rechtsextremen ARENA-Partei , deren Gründer Major Roberto d'Aubuisson war, starke Verluste. D'Aubuisson gilt als Anstifter des Mordkomplotts gegen Oscar A. Romero. Die ehemalige linke Guerilla-Bewegung FMLN errang bei den Wahlen 30 von 84 Parlamentssitzen gegenüber 28 für die ARENA.

Oscar Arnulfo Romero hat die Kirche gelehrt, die "Strukturen der Sünde", von denen auch Johannes Paul II. gesprochen hat, an den Pranger zu stellen. Der Priester und Mitarbeiter in der Christlichen Initiative Romero in Münster, Norbert Arntz, faßt dies so zusammen: "Romero wird jene Verantwortlichen in der Kirche ermutigen, die Freiheit und Gerechtigkeit fordern, weil sie Gott und dem einfachen Volk treu bleiben wollen. Aber zugleich stellt Romero auch jene Hierarchien in Frage, die eher Bündnisse mit den Mächtigen pflegen als Partei für das arm gehaltene Volk zu ergreifen."

Der Autor ist Pressesprecher von Missio Austria.

TIP Mahnwache am 20. Todestag von Erzbischof Romero Ort: Wien, Stephansplatz Termin: Freitag, 24. März, 15 Uhr "Misa Campesina" im Gedenken an Erzbischof Romero Ort: Konzilsgedächtniskirche Lainz, 1130 Wien, Lainzer Straße 138 Termin: Sonntag, 26. März, 18 Uhr Veranstalter: Dreikönigsaktion, Christian Solidarity International, El-Salvador-Komitee, Lateinamerika-Institut, Missio Austria, ÖED, Romerogruppe Salzburg, Internationaler Versöhnungsbund und andere

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