Im Zeichen des hl. Mamas

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Im seit 30 Jahren geteilten Zypern gibt es erste Schritte wenigstens zu einer "kirchlichen" Wiedervereinigung: Die Kirche Agios Mamas, des Patrons der Steuersünder, öffnete in Nordzypern wieder ihre Pforten.

Frühjahr 2004, Vorabend des EU-Beitritts der Republik Zypern: Die politische Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel scheitert, vorläufig wird nur ihr vorwiegend zyperngriechischer Süden aufgenommen. In der Zwischenzeit hat sich immerhin die Lage der wenigen im türkisch besetzten Norden verbliebenen Christen gebessert. Anfang September gab es jetzt sogar einen Ansatz zur kirchlichen Wiedervereinigung: Die seit dreißig Jahren geschlossene Kirche des Agios Mamas im nordzyprischen Morphou öffnete zum Fest dieses Heiligen festlich wieder ihre Tore. Der als Helfer der Steuersünder verehrte Märtyrer Mamas wird so auf Zypern zum Einheitspatron.

Diese erfreuliche Entwicklung hat eine lange und schmerzliche Vorgeschichte: 1878 hatten die orthodoxen Zyperngriechen nach fast 300-jähriger Türkenherrschaft die Übernahme der Verwaltung der Insel durch Großbritannien zunächst freudig begrüßt. Bald erblickten sie aber in der britischen Herrschaft nur eine Übergangslösung zum Anschluss ans moderne Griechenland.

Gläubige wählen Bischof

Für diese "Enosis" machte sich als erster Erzbischof Sophronios II. (1865-1900) stark. Seit dem 17. Jahrhundert waren die griechisch-orthodoxen Erzbischöfe von Zypern im Rahmen des osmanischen Verwaltungssystems der "Religionsvölker" (Millet) auch politische Führer ihrer Gläubigen, so genannte Ethnarchen. Auch Erzbischof Kyrillos III. (1916-33) forderte daher 1918 in London die Unabhängigkeit für Zypern und sein Recht auf spätere Vereinigung mit Griechenland. Im Oktober 1931 brach ein Aufstand der Zyperngriechen aus, der blutig niedergeschlagen wurde. Kyrillos III. musste zurücktreten, die Engländer erlaubten keine Wahl eines Nachfolgers: Seit frühkirchlicher Zeit hat sich einzig auf Zypern die direkte Wahl der Bischöfe durch ihre Gläubigen erhalten. Bis 1947 blieb Bischof Leontios von Paphos Administrator des Erzbistums Zypern. Es wurde dann mit Makarios II. neu besetzt, dem bald Makarios III. Mouskos (1913-77) folgte. Wegen seiner Unterstützung für den Befreiungskampf der Untergrundbewegung EOKA wurde er 1956 auf die Seychellen verbannt, doch es wurde ihm drei Jahre später die Rückkehr als Hauptgesprächspartner von Großbritannien, Griechenland und der Türkei für die Unabhängigkeit Zyperns gestattet.

Diese nahm mit den Verträgen von Zürich und London im Somme 1959 Gestalt an. Appendix E zu diesen Verträgen anerkannte neben den Griechisch-Orthodoxen und den zyperntürkischen Muslimen auch die gregorianischen Armenier, Maroniten und römischen Katholiken als öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften.

Bischof-Präsident Makarios

Der neuen "Republik Zypern" wurde allerdings der Anschluss an Griechenland verboten, obwohl sich in einer von der orthodoxen Kirche organisierten Abstimmung 95,7 Prozent ihrer Mitglieder für die Enosis aussprachen. Das System der Ethnarchie war in der Verfasssung nicht mehr verankert, doch ließ sich Erzbischof Makarios Ende 1959 zum Staatsoberhaupt wählen. Als er den Zyperntürken Ende 1963 mit Abbau ihrer Rechte drohte, igelten sich diese in den Altstädten von Nikosia und anderen Orten ein. Ungeachtet dieser Krise war es Makarios, der Anfang 1964 den Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras I., zum ökumenisch bahnbrechenden Zusammentreffen mit Papst Paul VI. im Heiligen Land ermutigt hat. Makarios war ein Verfechter des Gedankens der Wiedervereinigung aller christlichen Kirchen. Aus diesem sowie aus politischen Gründen versuchten ihn 1973 die drei Metropoliten (Bischöfe) Zyperns abzusetzen, was jedoch mit ihrer eigenen Amtsenthebung durch eine auch von den orthodoxen Nachbarkirchen beschickte "Größere Synode" endete. Damals wurde auch die Zahl der Bistümer von drei auf fünf erhöht, unter ihnen die Metropolis Morphou mit dem Kloster des heiligen Mamas als geistlichem Mittelpunkt.

30 Jahre Teilung - noch immer

Makarios machte sich auch um den Aufbruch seiner Kirche in die junge orthodoxe Afrikamission verdient. Doch putschten gegen ihn im Juli 1974 Anhänger der damaligen Militärdiktatur in Griechenland und verübten Gemetzel unter den Zyperntürken.

Das löste eine militärische Intervention der Türkei aus, die zur Teilung der Inselrepublik und zur Vertreibung von einer Viertelmillion vorwiegend orthodoxer Christen und katholischer Maroniten aus dem Libanon, die dort seit den Kreuzzügen lebten, aus dem besetzten Norden führte, zur Zerstörung vieler Kirchen und dem Raub von sakralen Kunstwerken. Makarios starb schließlich, gebrochen von Zyperns Teilung, Anfang August 1977.

Einer seiner engsten Mitarbeiter, der damals 50-jährige Chrysostomos Kykkotis, wurde zum neuen Erzbischof gewählt. Kirchliche und politische Führung blieben seitdem getrennt. Wichtigste Ergebnisse der Amtszeit von Chrysostomos sind die Einführung einer neuen Kirchenverfassung 1980 und die Revitalisierung der Mönchsrepublik Athos durch Mönche aus Zypern. Allerdings wurde nun am 30. April 2004 ein letzter Versuch zur Wiedervereinigung Zyperns vor dem EU-Beitritt seines Südteils nicht zuletzt wegen der kritischen Haltung des Erzbischofs abgelehnt.

Hoffnungsvoller Neubeginn

Auch Kloster und Kirche des Agios Mamas wurden im Sommer 1974 entweiht, geplündert und schließlich von den zyperntürkischen Behörden zu einem Museum gemacht. Dort sammelten sie, was Diebe und Hehler in der weiteren Nachbarschaft an Ikonen und kirchlichen Geräten übrig gelassen hatten. Der Bischof von Morphou und gut ein Drittel seiner Gläubigen flohen über die Demarkationslinie der türkischen Besatzungszone nach Süden, wo sie ab 1975 in der Kleinstadt Evrichou ihren vorläufigen Mittelpunkt fanden.

Im Gegenzug kamen aus Südzypern umgesiedelte Türken nach Morphou, das sie nun Güzelyurt nannten: schöne Heimat. Aus ihren alten Dörfern im Süden war ihnen die Verehrung des heiligen Mamas vertraut, eines Märtyrers aus dem 3. Jahrhundert, der später in der griechischen Kirche zum Viehpatron geworden ist.

In Morphou vermischte sich seine Legende mit der Vita eines gleichnamigen lokalen Einsiedlers. Dieser hatte vor seiner Weltflucht der mittelalterlichen byzantinischen Obrigkeit das Zahlen von Steuern verweigert, weil sein Geld Gott und den Armen gehöre.

So wurde Agios Mamas zum Schutzheiligen der Steuersünder, den in Güzelyurt während der letzten dreißig Jahre allerdings nur mehr die Zyperntürken verehren durften: Wie viele andere Muslime auch halten sie Maria, den heiligen Georg und andere christliche Heilige hoch in Ehren. Jetzt läuten in Morphou aber wieder die Kirchenglocken und Metropolit Neophytos konnte seine heimatvertriebenen Gläubigen wenigstens zum Fest ihres Heiligen wieder nach Hause führen.

Das ist nach all dem Leid auf Zypern ein hoffnungsvoller Neubeginn.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostkirchen-Institut Glaube in der 2. Welt, Zürich.

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