Im Zeichen des Kreuzes

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Die Ausstellung in Yad Vashem in Jerusalem beginnt mit einem Bild aus dem Österreich ("Ostmark") des Jahres 1939. Zu sehen ist eine Ortseinfahrt. Neben einem Wegkreuz mit dem toten Jesus ist ein Transparent gespannt, auf dem zu lesen steht: Juden sind hier unerwünscht! Deutlicher kann die jahrhundertelange Missbrauchsgeschichte des Kreuzes und des Todes Jesu nicht ins Auge springen. Im Zeichen des Kreuzes sind die abscheulichsten Verbrechen begangen und die Juden zu Gottesmördern dämonisiert worden.

Am Anfang dieser Geschichte steht wohl die Vision Konstantins "In hoc signo vinces", die das Kreuz zum Feldzeichen machte. Es hieße die Augen vor den Folgen der theologischen Irrtümer verschließen, wenn nicht auch gesagt würde: Der millionenfache Tod von Jüdinnen und Juden in der Schoa geschah ebenfalls im Zeichen eines Kreuzes. Dass es nicht das genuin christliche war, sollte kein Anlass sein, die Hände in Unschuld zu waschen. Ist der Gekreuzigte wirklich, wie Daniel J. Goldhagen kürzlich schrieb, die Ikone der "Fetischisierung von Gewalt und Schrecken"?

Gründliches Umdenken ist notwendig. Zuerst historisch: Mit Jesus von Nazareth ist ein auf gewaltfreie Weise für die Befreiung seines Volkes kämpfender Jude grausam umgebracht worden. Dann theologisch: Dies deuteten die Zeugen und Zeuginnen der Auferstehung als Selbsthingabe Gottes und das Ende aller Opfer. Ein für allemal, wie es der Hebräerbrief formuliert. Damit ist der Wiederholungszwang des Blutgesetzes durchbrochen. Schließlich politisch: Die heute wiederbelebte Kreuzzugsideologie mit der dazu gehörenden Märtyrergesinnung im Krieg gegen den Terrorismus widerspricht dem Geist Jesu und dem Sinn des Kreuzes. Das Kreuz ist kein Bannerzeichen des Krieges, sondern ein Symbol für Versöhnung und Gewaltfreiheit.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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