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In Entwicklung begriffen

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I. Die zweite Frage ist eine solche der historischen Forschung und wird sich nicht für den gesamten Raum und die ganze bisherige Geschichte des Marxismus in gleicher Weise beantworten lassen. Sicher aber gehört in die Wirkungsgeschichte des Marxismus die enge Verbindung von Atheismus und Klassenkampf. Es ist kaum zu bezweifeln, daß diese Verbindung mit dazu beigetragen hat, die „politische Durchschlagskraft“ des Marxismus zu erhöhen.

II. Die Beantwortimg der ersten Frage hängt davon ab, was man unter Marxismus versteht. Diese Frage ist schon für die Vergangenheit nicht immer leicht zu beantworten; in der Gegenwart ist der Marxismus wie alle Ideologien in einer Entwicklung begriffen, deren Resultate man nicht absehen kann.

1. Bezüglich der Klassiker sei auf das Buch „Karl Marx — Friedrich Engels, über Religion“, 1958, hingewiesen. In ihm heißt es: „Der vorliegende Sammelband enthält eine Auswahl wichtiger Arbeiten und Aussagen von Marx und Engels über Fragen der Religion. Basierend auf dem dialektischen Materialismus, der sich auf die Ergebnisse der Wissenschaft und auf die Erfahrungen des revolutionären Klassenkampfes stützt, zeigen sie das Entstehen der Religion und ihr wahres Wesen als eine der Klassengesellschaft eigenen Erscheinung auf. In diesen Arbeiten haben Marx und Engels den proletarischen Atheismus, der ein entscheidender Bestandteil unserer materialistischen Weltanschauung ist, dargelegt und theoretisch begründet. Sie weisen nach, daß Wissenschaft und religiöser Glaube miteinander unvereinbar sind und beweisen den fortschritthemmenden Charakter der religiösen wie jeder anderen idealistischen Weltanschauung. Marx und Engels lehren, daß der Kampf gegen die religiöse Vernebelung der Menschen stets dem revolutionären Kampf der Arbeiterklasse und ihrer sozialistischen Klassenpartei untergeordnet sein muß.“ Freilich hat schon für Marx der Atheismus insofern „keinen Sinn“ mehr, als er „negativ“ ist, während doch der „Sozialismus als Sozialismus einer solchen Vermittlung nicht mehr bedarf: er beginnt von dem theoretisch und praktisch sinnlichen Bewußtsein des Menschen und der Natur als des Wesens. Er ist positives, nicht mehr durch die Aufhebung der Religion vermitteltes Selbstbewußtsein des Menschen, wie das wirkliche Leben positive, nicht mehr durch Aufhebung des Privateigentums, den Kommurvsmus ' vermittelte Wirklichkeit des Menschen ist.“

2. Das Ausspielen der „Ergebnisse der Wissenschaft“ gegen die Religion bewegt sich im großen und ganzen — unter Berufung auf neuere Fortschritte der Wissenschaft —. in den Bahnen der „Aufklärung“ gegen die positive Religion; es zeichnet sich in weiten Gebieten durch Plattheit aus. Dagegen sind die von den „Erfahrungen des revolutionären Klassenkampfes“ gelieferten geschichtsphi'osophischen und sozialgeschichtlichen Argumente ernster zu nehmen, da sie ohne Zweifel auf wirklich bestehende Mißstände in der Zusammenarbeit von Kirche und Staat in der Vergangenheit hinweisen. Es gibt für diese Bemühungen wissenschaftliche Zentren, zum Beispiel den „Lehrstuhl für wissenschaftlichen Atheismus“ in Jena.

3. Auch gegenwärtige Formen des Marxismus, die diesen im wesentlichen als einen „Humanismus der Praxis“ bestimmen, lehnen bei aller Distanzierung vergangener Positionen jede Art v&n „Transzendenz“ im Zusammenhang mit der Sinngebung des Daseins ab und bestimmen ihre Art Humanismus häufig primär aus diesem Aspekt. Dieser Einstellung kommen auf christlicher Seite manche unklare Haltungen, zum Beispiel auch im Zusammenhang mit Teil-hard de Ghardin, entgegen,

4. Es hat immer Märkten gegeben, die der Religion eine durchaus positive Haltung entgegenbrachten oder zumindest ihre Bedeutung für das menschliche Leben anerkannten. Erwähnt sei Im Rahmen des AustremarxlSffltiS Max Adler (vgl. bü diesem Thema das in Vorbereitung befindliche Buch meines, Sohnes, Peter Heintel). Auch der bekannte polnische Philosoph Köla-köviski wäife in diesem Zusammenhang zu erwähnen.

9. Die Situation Verlangt ein vorbehaltloses, philosophisch und theologisch fundiertes Gespräch über den Gesamtbereich der Thematik, in dem über die ideologischen Verfestigungen der Vergangenheit und über die weitgehende Unkenntnis der gegnerischen Positionen hinäüg ausgetragen Wird, was sich argumentativ austragen läßt.

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