Ins Herz des Abendlands

Werbung
Werbung
Werbung

Als Zeichen für den christlich-muslimischen Dialog sollte ein Kunstdenkmal in der Nähe des Stephansdoms errichtet werden. Die Gemeinde Wien unterstützt - nach dem 11. September noch mehr als zuvor - das Vorhaben, das Domkapitel ist dagegen.

Zugegeben, diese Geschichte hätte schon viel früher geschrieben gehört: Der 12. September 1683 zum Beispiel wäre ein erster möglicher Termin gewesen. Bereits um 5 Uhr in der Früh begann die Entsatzschlacht um Wien. Die Türken leisteten erbitterten Widerstand, mussten aber schließlich flüchten und alles zurücklassen. Falsch, ein namentlich nicht bekannter Zeichner konnte seinen Plan von Wien, den sagenumwobenen "Goldenen Apfel", mitnehmen. Fünf Jahre später, 1688, fiel die kolorierte Federzeichnung, die mittlerweile in das Geheimarchiv des Süleyman Pascha gelangt war, bei der Eroberung Belgrads in die Hände der Kaiserlichen. Seit 1932 befindet sich der Plan im Besitz der Wiener Städtischen Sammlung und wird im Historischen Museum der Stadt Wien ausgestellt.

November 1999, ein weiterer Termin, an dem diese Geschichte ihren Anfang hätte nehmen können: Der Verband Österreichischer und Türkischer Unternehmer und Industrieller (ATIS) veranstaltete Gedenktage anlässlich des 700. Gründungsjahres des Osmanischen Reiches. Die Grundidee für diese Veranstaltung bestand darin, Österreich und die Türkei sowohl interkulturell als interreligiös auf ihre gemeinsame Vergangenheit aufmerksam zu machen sowie eine Verbindung zur Jetztzeit zu schaffen. Zu diesem Zweck interpretierte der international anerkannte türkische Keramikkünstler Sitki Olçar den Stadtplan zu den Ereignissen von 1683 neu. Der so entstandene Kunstgegenstand, der für Olçar und die Initiatoren des Projekts den Wandel von Feindschaft zu Freundschaft dokumentiert, wurde der Stadt Wien als Geschenk überreicht. Der einst gegen das Interesse Wiens geschaffene Plan sollte von nun an als "Symbol des gegenseitigen Verstehens" dienen.

Symbol in Holzwolle

Zwei Jahre später, November 2001: Zugegeben, die Geschichte hätte schon viel früher erscheinen können, aber dass es gerade zum jetzigen Zeitpunkt geschieht, hat auch etwas für sich, denn das "Symbol gegenseitigen Verstehens" liegt - in Holzwolle eingewickelt und Kisten verpackt - in einem Büro der Wiener Magistratsabteilung 19.

Nach der Überreichung des Geschenks machten sich die Gemeinde Wien und Vertreter von ATIS auf die Suche nach einem geeigneten Ort für die Errichtung einer Stele mit der integrierten Keramiktafel des Plans von Wien (Durchmesser 1,20 Meter). Ein zentraler Ort, der für Österreicher und Türken, Christen und Muslime eine gleichermaßen große Bedeutung hat, wurde gesucht. Im Februar dieses Jahres schien diese Suche ein erfolgreiches Ende gefunden zu haben: In einem Schreiben der Magistratsabteilung 19 heißt es: "Aus stadtgestalterischer Sicht würde sich der Standort unmittelbar vor der Sakristei (an der rechten Seite des Stephansdoms) gegenüber dem Curhaus anbieten. Gestalterisch ist an die Ausführung einer in den Boden eingespannten gläsernen Stele gedacht, in der die gegenständliche Keramik integriert ist. Sowohl Bürgermeister Häupl, als auch Stadträtin Brauner wären mit der Standortwahl einverstanden. Ein Gespräch mit Dombaumeister Zehetner vor Ort zeigte auch dessen prinzipielle Akzeptanz." Ein Plan und Fotomontagen des Projekts sind dem Schreiben beigelegt, verleihen dem Ganzen einen ziemlich endgültigen, ja abgeschlossenen Charakter. Doch der Schein trügt.

Mehr als ein halbes Jahr später - Monate, in denen die Notwendigkeit des Dialogs zwischen Islam und Christentum im Bewusstsein der Öffentlichkeit stand wie nie zuvor und Würdenträger beider Religionen Zeichen des friedlichen Zusammenlebens setzten - verstaubt Sitki Olçars "Symbol gegenseitigen Verstehens" nach wie vor in der MA 19. Dort beim zuständigen Sachbearbeiter nach dem Grund der Verzögerung angefragt, antwortet dieser: "Wir sind an einer Lösung mehr als je zuvor interessiert und warten nur auf das Okay!" Von wem? "Essentiell" ist für die Magistratsabteilung das Einverständnis der Kirche. Dieses liegt aber nicht vor.

Warum dieser Meinungsumschwung seitens der Kirche? Im Schreiben des Magistrats von Anfang Februar war doch noch von der "prinzipiellen Akzeptanz" des Dombaumeisters die Rede. Wolfgang Zehetner auf diesen Widerspruch von der furche angesprochen, findet die Formulierung im MA 19 Schreiben "stark übertrieben". Es habe sich damals bloß um ein Überlegungsgespräch gehandelt, von Einverständnis könne keine Rede sein, so der Dombaumeister heute. Zehetner ist von den ehrenwerten Motiven der Betreiber des Projekts überzeugt, doch "Fakten baulicher Natur an einem so klar geprägten und zentralen Ort müssen sehr, sehr gut überlegt sein". Die Verantwortlichen haben zu schauen, dass der Stephansplatz nicht überfrachtet werde. Erst kürzlich wurde auch ein Ansuchen nach dem Errichten einer Siegessäule für den Polen Jan III. Sobieski - dem Gegenspieler von 1683 also - abgelehnt. Außerdem, so Zehetner, sei ein solches Symbol "im Herzen des christlichen Abendlandes eine zweischneidige Sache".

Ähnlich wie der Dombaumeister argumentiert Dompfarrer Toni Faber. Dieser sieht Zurückhaltung angebracht, denn es bestehe die Gefahr einer "Verhüttelung" des Platzes. Ob die Ereignisse des 11. September dieses Symbol christlich-muslimischen Dialogs in seiner Bedeutung nicht anders, neu bewerten, wollte die furche von Faber noch wissen. Der Dompfarrer meint aber nicht, dass "diese historische Darstellung für die aktuelle Sache etwas bringt". Hierfür müsste man ein neues Motiv suchen, so Faber. Dombaumeister und Pfarrer schlagen vor, das Kunstwerk am Ring, irgendwo bei den alten Ausfalls- und Einfallstoren aufzustellen.

Bei Bürgermeister Michael Häupl und Integrationsstadträtin Renate Brauner nachgefragt, betonen beide ihre Unterstützung für die Verwirklichung des Projekts am Stephansplatz. Häupl: "Nach dem 11. September mehr denn je!" Selbstverständlich wolle man aber ohne Einverständnis der Kirche nichts unternehmen. ÖVP-Wien Chef Bernhard Görg unterscheidet: Als früherer Planungsstadtrat weiß er um die Gefahr der "Verhüttelung", kann diesem Argument also viel abgewinnen. Dabei aber auch von einem Quasi-Schutz des christlichen Abendlandes zu sprechen, lässt Görg nicht gelten.

Weiters unterstützt die Islamische Glaubensgemeinschaft das Projekt von ATIS, weil "damit endlich Kreuzzüge und Türkenkriege als überwundene Epoche" aufgezeigt würden. Wert wird aber auch von dieser Seite auf das kirchliche Ja gelegt. Und vielleicht ist in dieser Sache ja noch nicht das letzte Wort gesprochen. Was bedeuten würde, diese Geschichte ist nicht zu spät, sondern noch zu früh verfasst worden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung