Inschallah, das Öl sprudelt weiter

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"Ihr wollt Demokratie? Dann legt euch einen König zu", war unlängst in "Le Monde diplomatique" zu lesen. Der Satz bringt einen neuen Aspekt der politischen Szene in Teilen der arabischen Welt auf den Punkt: Ob Bahrain, Katar, Kuwait oder Oman, ob König, Scheich oder Sultan - Demokratie wird von oben verordnet. Hohes Bevölkerungswachstum, niedrige Rohstoffpreise und das drohende Ende des Erdöl-Booms zwingen zu einem Umdenken in den Golfstaaten. Ob "Omanisierung" oder "Saudisierung" - das Ziel lautet überall: Ausländer raus aus der Wirtschaft und Inländer rein.

Gott wird ein neues Fass aufmachen", ist Abdullah gewiss. Die alten Männer am Tisch nicken. Abdullah schlürft seinen Kaffee - "Inschallah, wir haben noch für 200 Jahre Öl", ruft er schließlich aus, und die alten Männer nicken wieder - "So Gott will". Abdullah freut sich, dass er die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Sohn zum Wirtschaftsstudium nach England geschickt hat. Wenn er zurückkommt, wird er in einer Ölfirma arbeiten, ist der stolze Vater überzeugt - die alten Männer auch, sie nicken jedenfalls.

Zuerst Weihrauch, dann Öl

Der Tisch mit Abdullah und den Männern steht neben dem Tor zum Suk in der omanischen Hauptstadt Masqat. Im Unterschied zum Gesprächsthema riecht es im Eingangsbereich des orientalischen Marktes aber nicht nach Erdöl, sondern nach allerlei Gewürzen - und vor allem nach Weihrauch. Das begehrte Harz war der erste Exportschlager des Omans. Dann ist das Öl gekommen und hat aus dem arabischen Sultanat von der Größe Italiens innerhalb von dreißig Jahren einen reichen Wohlfahrtsstaat gemacht. Doch der Erdölvorrat ist nicht unerschöpflich - und die Zuversicht Abdullahs teilen bloß die paar alten Männer am Tisch.

"Die anderen Golfstaaten ertrinken im Öl, wir müssen in die Gehirne, in unsere Ausbildung investieren", sagt eine Masqater Geschäftsfrau. "Vision 2020" lautet das ambitionierte Vorhaben der Regierung: Bis dahin soll die Erdölabhängigkeit drastisch gesenkt werden. 80 Prozent des Exports und 77 Prozent der Einnahmen des Sultanats basieren derzeit noch auf Öl- und Gasgeschäften. In gut 15 Jahren sollen diese Zahlen auf ein Viertel reduziert werden.

"Wir sind gut unterwegs", zeigt sich Informationsminister, Hamed bin Mohammed al Rashdi zuversichtlich. "Diversifizierung" lautet das Zauberwort, das er in jeden zweiten Satz einflechtet: neue Produkte auf neuen Märkten. Als erste Maßnahme, erklärt der Minister, werde die Veredelung des Rohöls angestrebt, um den Erlös zu steigern. Während er spricht, ruht Al Rashdis Hand auf dem Knauf seines Khanjars, ein Silberdolch, den jeder Omani in seinem Gürtel stecken hat.

Über allem der Sultan

Tourismus, Fischerei und Landwirtschaft seien weitere Hoffnungsgebiete für die omanische Wirtschaft, erklärt er und fühlt sich dabei so wohl, dass er mit seinen Füßen aus den Sandalen schlüpft. Ein großes Bild von Sultan Qabus bin Said hängt hinter Al Rashdi an der Wand. Und es dauert nicht lange, bis auch der Informationsminister in das Lob auf den Monarchen einstimmt - wie schon zuvor Abdullah und die Masqater Geschäftsfrau und eigentlich jeder und jede im Land.

Schnellzug in die Moderne

"Der Sultan hat das Land in drei Jahrzehnten aus dem Mittelalter in die Moderne geführt", lautet der Standardsatz, den der Gast zu hören bekommt, "der Sultan wird uns auch in die Zukunft führen." Um den Erfolgsweg fortzusetzen, hat Qabus bin Said seinem Land den Appell "Omanisierung" auf die Fahne geheftet: Die hinter diesem Begriff stehende Politik ist nicht allein auf Oman beschränkt, auch die anderen Staaten in der Golfregion wenden das Rezept an.

"Omanisierung" heißt in Saudi-Arabien "Saudisierung" - das Ziel ist jedoch da wie dort das Gleiche: Ausländer raus aus der Wirtschaft, Inländer rein. Damit versucht man ein Zweifaches zu erreichen: Erstens soll die hohe Arbeitslosigkeit verringert werden, zweitens die Wertschöpfung mehr als bisher im Land bleiben.

Sukzessive werden jetzt Ausländer per Gesetz aus verschiedenen Geschäftsbereichen hinausgedrängt und Omanis ermuntert, einzusteigen und einen Betrieb zu gründen. In vielen Regionen des Landes dürfen Fremde beispielsweise keine Lebensmittelläden oder Supermärkte mehr führen. Aber ob auf einer Baustelle oder in einer Apotheke oder im Internet-Café oder in der Hotel-Bar oder in einer Zeitungsredaktion - nach wie vor sieht der interessierte Besucher ausschließlich Ausländer, vor allem indischer Herkunft, bei der Arbeit. Die Omanis, in ihre blütenweiße Dischdascha gehüllt, beschränken sich mehr aufs Flanieren und Kontrollieren.

Faulbett Ölreichtum

"Der Ölreichtum ist ein Faulbett", klagt der österreichische Botschafter im Oman, Clemens Coreth. Er erzählt, dass ihm Omanis berichten, sie stellen keine Landsleute ein, denn diese kosten viel, würden aber nur wenig arbeiten wollen. Für Hassan Ahmed al Lawati, Journalist an der Sultan Qabus Universität, ist Omanisierung ein zweischneidiges Schwert: Er kennt die hohe Arbeitslosenrate bei Universitätsabsolventen zu genau, um gegen Maßnahmen für eine Belebung des Arbeitsmarktes zu sein. Andererseits soll die Omanisierung aber nicht dazu führen, dass ausländische Qualifikationen und Erfahrungen dem Land in Hinkunft vorenthalten bleiben.

Ebby Chacko George, Reporter beim Oman Daily Observer, sieht die Sache pragmatisch: Zehn Jahre arbeitet der gebürtige Inder bereits im Oman, wie lange er noch bleiben darf, weiß er nicht - egal: "Jeder Tag, den ich hier arbeiten kann, ist wunderbar."

Aderlass "Brain Drain"

Der Arab Human Development Report 2003 der Vereinten Nationen (siehe Interview Seite 23) warnt vor den negativen Auswirkungen der hohen Abwanderungsrate von qualifizierten arabischen Arbeitskräften ins Ausland. So sind zwischen 1998 und 2000 rund 15.000 arabische Ärzte ausgewandert, schreibt der Bericht und nennt als Grund: "Mangel an attraktiven Arbeitsmöglichkeiten zu Hause und ein unterdrückerisches politisches Milieu." Davon will Informationsminister Al Rashdi nichts wissen: Der "Brain Drain" sei für den Oman kein Problem, sagt er - und schlüpft in seine Sandalen.

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