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Interpretierend, doch spannend

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Wer an authentischer biblischer Verkündigung interessiert ist, wird dem Unterfangen, die biblischen Erzählungen in Romanform zu schildern, eher Skepsis entgegenbringen. Da ist zunächst die Schwierigkeit, daß nicht-erzählende literarische Formen der Ribel zu kurz kommen müssen, etwa die Gesetzestexte, die Weisheitsliteratur, die Apokalyptik und die Rriefsammlun-gen. Doch auch bei den narrativen Texten erfolgt eine Auswahl, sodaß man beispielsweise die Entwicklung der jungen Kirche nur angedeutet findet.

Noch schwerer wiegt das Problem der Ergänzung und Ausschmückung der im allgemeinen eher durch knappe Schilderungen gekennzeichneten Bibeltexte. So „erfährt” der Leser über die biblischen Erzählungen hinausgehend, daß Zacharias nicht nur Priester, sondern auch Nagelschmied war (S. 621ff.) und daß Marta, die Schwester des verstorbenen und von Jesus erweckten Lazarus, einen streng riechenden Atem hatte (853), und so weiter.

Der nichtkundige Leser kann so nur schwer die genuin biblischen Elemente von erzählerischen Zutaten des Autors beziehungsweise nicht-kanonischer Schriften unterscheiden. Ist schon jede Übersetzung eines Textes unvermeidlicherweise eine gewisse persönliche Interpretation desselben, so noch viel mehr eine freie Nacherzählung. Dazu kommt, daß der Verfasser unterschiedliche biblische Traditionen harmonisieren muß (zum Beispiel die vier Evangelien).

Ist man sich der grundsätzlichen Problematik der Methode bewußt, kann man jedoch den vorliegenden Ausführungen durchaus sehr positive Seiten abgewinnen. Wenn es nach Gotteserfahrung suchende Menschen gibt, die zwar vor den biblischen Originaltexten resignieren, doch in dieser leichter lesbaren Form das Buch der Bücher nicht ungelesen weglegen, dann ist damit doch einiges gewonnen. Denn trotz aller Ausschmückungen vermittelt der Roman doch vieles an authentischen biblischen Inhalten.

Streckenweise hält er sich relativ genau an seine Vorlage, etwa bei der Wiedergabe der Bergpredigt, die sich an der Fassung des Matthäus orientiert (738-742).

Auch der im Bibellesen Versierte wird von Walter Wangerins lebendiger Wiedergabe der Bibel profitieren. Durch die Romanform können jene politischen, kulturellen und sozialen Gegebenheiten geschildert werden, die die Ribeltexte stillschweigend voraussetzen. So werden die politischen Zustände in Israel zur Zeit der Geburt Jesu verständlich und zutreffend beschrieben (622-624.666-668).

Leider vermißt man bei den einzelnen Kapiteln die Angabe der jeweils nacherzählten Ribelstelle. Dies würde signalisieren, daß der Autor seine Leser zur Ribel hinführen und diese nicht ersetzen möchte.

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