Islamgesetz und die katholische Kirche

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Im Gegensatz zu den Leitungsgremien anderer Kirchen gab die Österreichische Bischofskonferenz keine Stellungnahme zum Entwurf des neuen Islamgesetzes ab. Nachstehender Gastkommentar setzt sich mit dieser Vorgangsweise kritisch auseinander.

Ein neues Islamgesetz ist eine weitreichende Angelegenheit, mit der in unserem Land viel auf dem Spiel steht. Sie muss mit entsprechendem Verantwortungsbewusstsein angegangen werden. Die verbreitete fatale Fehl-Identifizierung des IS-Terrors mit "dem Islam“ darf hierfür nicht leitend sein. Es geht im Kern darum, unter aktuellen Bedingungen eine solide rechtliche Basis für die quantitativ zweitgrößte Religion in Österreich zu schaffen - und das glücklicherweise mit dem Ausgangskapital einzigartiger positiver historischer Erfahrungen seit 1912.

Wer die Meldungen zum aktuellen Entwurf verfolgt, wird neben der Auseinandersetzung zwischen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und den staatlichen Instanzen auch deutliche innerislamische Spannungen wahrgenommen haben. Katholische Theologinnen und Theologen haben gemeinsam mit Experten aus anderen Wissenschaften schon früh und pointiert Schwachstellen im Entwurf kritisiert. In dieselbe Richtung haben Organisationen wie die Katholische Sozialakademie und Pax Christi argumentiert. Im Gegensatz dazu steht eine uneingeschränkte Befürwortung des Entwurfes von Seiten des Präsidenten der Stiftung Pro Oriente, Johann Marte, der weitere Verschärfungen gegen die österreichischen Muslime einfordert. Ob diese Haltung freilich den Glaubensgeschwistern im Nahen Osten einen guten Dienst erweist? Jedenfalls artikulieren im Orient lebende Christen bereits ihre Befürchtungen, dass Maßnahmen wie z. B. ein österreichisches Verbot finanzieller Unterstützung von Muslimen aus dem Ausland umgekehrt dort im Nahen Osten eine Logik spiegelbildlichen Vorgehens (gegen Christen) rechtfertigen.

"Keine Einwände“ der Bischöfe

Vor diesem Hintergrund ist die Positionierung der Österreichischen Bischofskonferenz mit Spannung erwartet worden. Angesichts der komplexen Sachlage sowie der inhaltlichen Breite der vorangehenden Reaktionen haben viele mit einer neutralen Formulierung gerechnet. Doch dann die Überraschung: Die Bischofskonferenz erklärt auf einer ganzen Seite in einer öffentlichen Stellungnahme, dass sie "keine offizielle Stellungnahme“ zum Entwurf abgebe, und stellt gleichzeitig fest, dass sie "keine Einwände“ gegen das Gesetz habe. Die zuständigen Minister Josef Ostermayer und Sebastian Kurz werden eine solche de-facto-Absegnung ihres Entwurfes nicht unerfreut entgegengenommen haben. Verwirklicht die katholische Kirche damit ihre Verantwortung als stärkste Religionsgemeinschaft im Land? -Wer die merkwürdige Doppelbotschaft noch nicht ganz versteht, erfährt bei der Pressekonferenz nach dem Herbsttreffen der Bischöfe, man sei der Überzeugung, dass sich dieses Gesetz nicht auf die allgemeine Religionsgesetzgebung in Österreich auswirke. Inwieweit diese Einschätzung zutrifft, wird die Zukunft zeigen. Hoffnungsvoll erscheint hingegen die am Ende der Erklärung formulierte Erwartung der Bischöfe an weiterführende Gespräche sowie ihr eigenes Bekenntnis zu einem qualitativen interreligiösen Dialog.

Viel konstruktive Arbeit ist seitens der Ministerien und auch der IGGiÖ aufgebracht worden, um in Anknüpfung an gute Erfahrungen, Gesetze und Traditionen seit 1912 die religionsrechtlichen Rahmenbedingungen für das Zusammenleben einer halben Million Musliminnen und Muslime mit allen anderen Menschen in unserem Land zeitgemäß zu regeln. Es wäre fahrlässig, wenn diese Energie nun in Eskalationen verloren ginge. Die vielen Eingaben im Begutachtungsverfahren zeigen bei aufrechter Würdigung aller bisherigen Bemühungen, dass wichtige, im Entwurf angesprochene Aspekte noch weiterer Klärung bedürfen. In die noch ausständigen Beratungsprozesse müssen neben den Interessen der Beteiligten weitere juristische sowie entsprechende religionswissenschaftliche und mittlerweile wohl auch mediatorische Kompetenzen einfließen. Die besten Aussichten für die Verwirklichung dieses Projektes bestehen dann, wenn es allen Seiten gelingt, neben den je eigenen Interessen gerade auch die Befürchtungen der jeweils anderen wahrzunehmen und zu bedenken. Die Suche nach dem angemessenen rechtlichen Raum für den Islam in unserem Land ist für unsere Gesellschaft zu wichtig, als dass man sie in einem zeitlich überambitionierten Kurzschlussverfahren durchboxen sollte.

Der Autor lehrt Religionswissenschaft an der Kirchl. Päd. Hochschule Graz sowie an der Uni Graz und engagiert sich seit mehr als 20 Jahren im interreligiösen Dialog

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