Islamische Feministinnen

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Für eine Rückkehr zum egalitären Islam setzen sich die Musliminnen Valentine Moghadan und Sabiha El-Zayat ein.brigitte voykowitsch und ursula baatz sprachen mit den beiden Frauenbewegten, die sich kürzlich in Wien aufhielten.

Ich würde sagen, dass fast alle Frauen im Iran mit ihrer Lage unzufrieden sind. [...] Die große Mehrheit unterstützt die Reformbewegung und tritt für kulturelle, soziale und politische Veränderungen und insbesondere für die Gleichstellung der Frauen ein", erklärt Valentine Moghadam. Seit Jahren verfolgt die aus Teheran gebürtige Soziologin, die lange in den USA lehrte und derzeit in London forscht, die unterschiedlichen Strategien der Frauenrechtsaktivistinnen in ihrer Heimat, aber auch in anderen muslimischen Ländern. Dabei unterscheidet sie grundsätzlich drei Gruppen von Frauen - die säkularen, die muslimischen und die islamischen Feministinnen.

Dreimal Feminismus

Erstere, sagt Moghadam, mögen gläubige Frauen sein oder nicht, jedenfalls verwenden sie keine religiöse Sprache und berufen sich üblicherweise auf internationale Abkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die Konvention zur Abschaffung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen. Sie sprechen von natürlichen Rechten, von Menschenrechten und weltweiten Normen. Muslimische Feministinnen sind dagegen in jedem Fall gläubige Frauen, denen ihre religiöse Identität sehr wichtig ist, die aber in ihren Kampagnen für die Rechte der Frauen eine Mischung aus internationalem Diskurs und religiösen wie kulturspezifischen Begriffen und Symbolen verwenden. Auch die dritte Gruppe, die islamischen Feministinnen - die es strikt von den Islamistinnen auseinanderzuhalten gilt - sind sich internationaler Normen und des weltweiten Feminismus bewusst. Doch ihr zentrales Anliegen besteht darin, "dass ihre Religion missverstanden wurde; und zwar sowohl von westlichen Personen, die glauben, dass der Islam eine völlig oppressive Religion ist, wie auch von vielen muslimischen Männern und Theologen, die ihrer Ansicht nach eine fehlgeleitete, inkorrekte und patriarchale Interpretation des Islam" verfechten.

"Islamische Feministinnen möchten zurückgehen zum egalitären und emanzipatorischen Islam. Sie machen also etwas, was christliche und jüdischen Feministinnnen ebenfalls getan haben", betont Moghadam. Durch eine Neulesung des Koran wollen sie belegen, dass das, was sich im Mittelalter in den islamischen Rechtsschulen entwickelte und was in jüngerer Zeit an angeblich auf der Scharia beruhenden Gesetzen festgeschrieben wurde, "Fehlinterpretationen und ein falsches Verständnis des Koran sind. Sie sagen, lesen wir den Koran von neuem und sehen wir, was die wahre Intention des Propheten und Gottes ist; sehen wir auch die frühe islamische Geschichte und die Sozialstrukturen von damals an."

Dabei initiieren die Frauen weder eine "neue Theologie" noch "eine Exotentheologie", "was von muslimischer wie nicht-muslimischer Seite gerne als Totschlagargument benützt wird", betont Sabiha El-Zayat, ausgebildete Ärztin und Islamwissenschafterin und heute Dozentin am "Zentrum für islamische Frauenforschung und -förderung" in Köln. "Wir berufen uns auf den Text [des Korans] und belegen auch anhand dieses Textes. Wer mit uns streiten mag, ist herzlich willkommen", meint El-Zayat.

Gendergerechter Koran

Für El-Zayat ist der Koran "ein ausgesprochen gendergerechtes Buch", eine Schrift, aus der sich die Gleichstellung der Geschlechter ableiten lässt. "Aber das hermeneutische Gepäck, also das Vorverständnis, mit dem sich der- oder diejenige dem Koran zuwendet, bestimmt sehr stark das Ergebnis der Reflexion über diesen Text." Die Aufgabe der islamischen Feministinnen besteht also darin, den äußerst patriarchal gefärbten Deutungen, die sich im Lauf der Jahrhunderte durchgesetzt haben, eine Neudeutung gegenüberzustellen. Dies erfordert laut El-Zayat eine sehr sorgfältige Exegese, denn fest steht auch, dass viele Koranstellen mehrdeutig sind. Der Koran selbst "spricht in Sure 3 Vers 7 davon, dass in ihm eindeutige Verse sind und mehrdeutige Verse."

Spannend ist die Koranexegese für El-Zayat bereits auf der "ganz profanen linguistischen Ebene [...]. Was man da alles entdeckt, lässt einem teilweise die Haare zu Berge stehen." Als Beispiel führt sie Sure 4 Vers 1 an, wo es um die ontologische Beschaffenheit von Männern und Frauen geht, "und wo Gott sagt: Und er hat den Menschen aus einem einzigen Wesen erschaffen und aus diesem Wesen sein Partnerwesen. Das Wort Partner, das hier benutzt wird, kann männlich oder weiblich sein. In den allermeisten Übersetzungen, auch in vielen, die von muslimischen Autoren gemacht wurden, wird man allerdings den Text mit folgendem Wortlaut finden: Und Gott hat den Menschen aus einem einzigen Wesen erschaffen, und aus diesem seine Gattin.' Das wäre eine theoretisch mögliche Auslegung, aber man hat eben die Vielfalt des arabischen Wortes eingeschränkt auf eine mögliche Deutung. [Damit wird] diese eine Wesen implizit männlich gedacht [...] Liest man den Text aber im Arabischen und geht man nicht mit einer vorgefassten Meinung heran, ist es sowohl als auch denkbar. Und es ist auch denkbar, dass die Aufsplittung in männlich und weiblich erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfand. Der Text geht nämlich weiter "und aus diesen viele Männer und Frauen", sodass die Notwendigkeit, dieses eine Wesen geschlechtsspezifisch zu definieren, gar nicht unbedingt gegeben ist." Dazu kommt, so El Zayat, noch, dass der Begriff des "einen Wesens" im Arabischen grammatikalisch feminin ist.

Das Erschaffen aus einer Essenz bedeutet für Islamwissenschafterinnen wie El Zayat "auch essenziell gleich", eine Auffassung, der sich viele Muslime freilich nicht anschließen können oder wollen. El Zayat verweist in diesem Kontext auf eine andere Passage, in der davon die Rede ist, wie "Gott das Werk der gläubigen Männer und der gläubigen Frauen, der keuschen Männer und der keuschen Frauen annimmt, die sich für das Gerechte einsetzen." Mit einer "fast schon penetranten" Wiederholung wird ihrer Ansicht nach "hier darauf Wert gelegt, dass es gleichwertig ist, ob dieser Einsatz von einer Frau oder einem Mann kommt." Daraus folgt für El Zayat aber zwingend, dass "das auch möglich sein muss. Das bedeutet auch, dass Frauen einen Zugang zu Gesellschaft und Öffentlichkeit haben müssen, wenn sie ihrem Auftrag, sich für die gerechte Sache einzusetzen, nachkommen wollen."

Emanzipatorische Botschaft

Selbstverständlich gibt es auch heikle Passagen. Moghadam führt jene an, derzufolge Männer zweimal so viel erben dürfen wie Frauen. Unter islamischen Feministinnen werde aber bereits über die Notwendigkeit debattiert, den Koran an die sich ändernden Zeiten und Imperative anzupassen. "Sie versuchen langsam, die Religon in ihrem historischen Kontext zu begreifen. Noch sind sie nicht ganz so weit, aber das ist der Trend." In der Erbfrage könnte das Argument dann etwa lauten, dass die obige Regelung "zur Zeit des Propheten gepasst haben" mag, aber unpassend ist "für die heutige Zeit, in der Frauen bezahlter Arbeit nachgehen und zum Familieneinkommen beitragen müssen."

Das Anliegen der islamischen Feministinnen, nämlich die Rückkehr zur "wahren, egalitären und emazipatorischen Botschaft ihrer Religion", ist nach Ansicht Moghadams "Teil einer breiteren islamischen Reformation". Diese Reformation wird ihrer Ansicht nach "so bedeutend sein wie die christliche Reformation, mit dem Unterschied, dass die Intellektuellen der christlichen Reformation fast ausschließlich Männer waren, während die islamische Reformation auf eine starke Beteiligung von weiblichen Intellektuellen und Theologinnen zählen kann."

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