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Ist das Priesterbild richtig?

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Nach einer Definition des Priesters auf Grund des Zweiten Vatikanums gefragt, meinte jemand: Der Priester ist derjenige, der kein Bischofsamt innehat, der nicht im Stand der Vollkommenheit lebt (wie Ordensleute), der nicht zum Dienst des Diakons berufen ist und nicht die Würde des Laien besitzt. „Reine Negationen!” kommentiert Professor Dr. A. Sustar, Bischöflicher Vikar der Diözese Chur und organisatorischer Leiter der nächsten Europäischen Bischofskonferenz. „Für positive Aussagen waren damals anscheinend noch keine genügenden Grundlagen vorhanden. Der Priester schien lange Zeit der Vernachlässigte des Zweiten Vatikanums zu sein…”

Diese etwas grimmige Feststellung Dr. Sustars ist zweifellos richtig: nirgends hat dieses Konzil ein vollständiges und thematisch einheitliches Lehrdokument über den Priester vorgelegt.

Man wird unwillkürlich an das Erste Vatikanum erinnert. Dort ist nach gründlicher Darstellung der päpstlichen Aufgabe und Autorität „etwas übrig geblieben”, nämlich die Behandlung und Klarstellung der bischöflichen Aufgabe und Autorität in der Kirche. Eine Ergänzung erarbeitete bekanntlich das Zweite Vatikanum im 3. Kapitel der Dogmatischen Konstitution „Über die Kirche”, in welchem Amt und Autorität der Bischöfe klargestellt werden.

Wird also die Zweite Europäische Bischofskonferenz eine solche Ergänzung hinsichtlich der priesterlichen Aufgabe bieten? Keineswegs! Wer in den Jahren von 1962 bis 1966 die zahlreichen Entwürfe und Verbesserungswünsche für die einzelnen Konzilsdokumente verfolgt hat, wird wissen, daß eine dreitägige Bischofskonferenz ganz ausgeschlossen ein solches Dokument erarbeiten kann. Das Schwergewicht wird auf Informationsaustausch und Diskussion liegen, welche durch Vorträge auf bestimmte Themen zentriert werden sollen. Daher ist nur ein einziger Vortrag pro Tag vorgesehen, dem ein „Conpte rendu” (d. h. eine ins Konkrete und Praktische gehende Rechenschaft über das Gehörte in Gegenüberstellung zu den Problemen unserer Zeit) folgen soll. Nachmittags sind ausführliche Diskussionen geplant, während die Abende von Veranstaltungen freigelassen werden, um den Bischöfen möglichst viel Gelegenheit zu geben, untereinander Diskussion und Informationsaustausch zu pflegen.

Schwerpunkte der Probleme

Gerade diese Betonung des Konkreten, Praktischen und Zeitnahen haben die englischen Bischöfe mit echt angelsächsischem Sinn für Praktisches durch ihren Vertreter auf der jüngsten zweiten Vorbereitungskonferenz, welche am 15. Und 16. Oktober in Paris stattgefunden hat, unterstrichen. Sie wollen weder akademische Diskussionen noch Klagelieder negativer Situationsanalysen hören: „Wir müssen zu positiven, konkreten und ermutigenden Lösungen finden!” faßte Mgr. Michael Buckley die Wünsche seiner englischen Bischöfe zusammen.

Freilich werden sich die in Chur versammelten Bischöfe auch fragen, wo die Schwerpunkte der Probleme — quer durch Europa gesehen — liegen. Und diese sind erstaunlich ähnlich, wie schon die erste Vorbereitungskonferenz vom Juli d. J. in Paris feststellen konnte.

Ist unser Priesterbild richtig?

Zahlreiche jüngste Veröffentlichungen haben eine umfassende Diskussion ausgelöst. Die Bischofskonferenz wird sich ausdrücklich mit der Frage befassen: Was ist an unserem Priesterbild geschichtlich geworden, was ist mit der neutesta- mentlichen Offenbarung wesentlich mitgegeben, was ist abzubauen und was neu zu entwickeln? Doch auch hier werden keine Lehrentscheidungen oder doktrinale Abhandlungen erarbeitet werden. Immerhin ist denkbar — ja wünschenswert! — daß von diesem bischöflichen Informationsaustausch Impulse für die wissenschaftliche Forschung der theologischen Fakultäten ausgehen werden. Denn es ist ein anderes, Thesen aufzustellen, und ein anderes, Thesen zu beweisen!

Eine weitere Frage, die sich quer durch die Diözesen Europas zieht, ist die nach der kirchlichen Autorität. Nicht nur, daß wir in einer Zeit großer Autoritätskrisen leben, sondern vor allem der Eindruck, daß das Verständnis von christlicher Autorität und Gehorsam zu einseitig vom vorgegebenen Modell der staatlichen Autorität und des dem Staat zu leistenden Gehorsam her entwickelt worden ist, hat zu einer emstzunehmenden Krise geführt. „Die größte Krise, größer als die der Reformation”, urteilt der konservative holländische Theologe P. Tromp SJ. — und ich fand dieses Zitat, als ich eben in einer Konferenzpause eine Nummer von Paris-Match in die Hand nahm. Links fand ich ein Bild von P. Schillebeech, „in Rom angeklagt” stand darunter. Rechts erkannte ich Prof. Küng. „Weigert sich nach Rom zu gehen”, las ich unter dem Bild des umstrittenen Tübinger Professors.

Eine weitere Frage: Welche sind die gestaltenden Kräfte, die gegenwärtig das geistige Klima unseres Kontinents bestimmen? Auch hier soll es nicht um philosophisch-soziologische Thesen gehen, sondern um eine kurze, das Wesentliche herausarbeitende Zeitanalyse, der dann der Priester gegenübergestellt werden soll: Wie soll er diese Kräfte bewerten? Wie soll er sich ihnen gegenüber verhalten?

Haben nicht Priester und Bischöfe wiederholt positive Zeitströmungen fromm, aber dennoch übersehen? Haben sie nicht wiederholt Entwicklungen und Strömungen zugestimmt, die mit dem Evangelium Jesu Christi nicht vereinbar sind? Antisemitismus, Nationalsozialismus, Kommunismus seien hier nur in groben Stichworten angeführt. Doch es entspricht sicher mehr dem Gebot der Liebe und der Wachsamkeit, sich über die Gegenwart ernst und gründlich Gedanken zu machen, als in historischen Rückblicken seine Glaubensbrüder an den Pranger zu stellen. Finden wir heute nicht sehr sonderbare Versuche, die Kirche mit dem militanten Atheismus, das Evangelium mit einem rein innerweltlichen Humanismus, die christliche Moral mit einem Libertinismus in Verbindung zu bringen? Doch weisen die gestaltenden Kräfte unseres Jahrhunderts nur negative Eigenschaften auf? Bieten sie nicht viele Ansätze zu fruchtbarem Dialog, ja zu wertvoller Zusammenarbeit? Der weltweite Ruf nach Frieden, das Verantwortungsgefühl für verarmte Kontinente und Länder, die universelle Brüderlichkeit aller Menschen, der Wunsch nach Einheit aller Christen seien auch hier nur in groben Stichworten genannt. In diesen an Mannigfaltigkeit reichen Strömungen der Gegenwart werden die Bischöfe in Chur den Auftrag des heiligen Paulus befolgen: „Alles aber prüfet, was gut ist, behaltet” (1. Thess. 5, 21).

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