Jesus-Magdalena: keine Affäre

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Dan Browns Roman "Sakrileg" (englisch: "The Da Vinci Code") stürmt seit Monaten die Bestseller-Listen diesseits und jenseits des Atlantiks. Wieder einmal behauptet eine Story, dass die Kirche wesentliche Geschichten über Jesus und die Frauen unterdrückt. von hans förster

Sakrileg" - ein solcher Titel verspricht hohe Auflagen. Und tatsächlich hat der amerikanische Schriftsteller Dan Brown einen internationalen Bestseller geschrieben, der sich in Amerika unter dem Titel "The Da Vinci Code" bestens verkaufte - kolportiert werden über 7 Millionen Exemplare.

Die Urteile über "Sakrileg" schwanken stark. Während die einen meinen, es handle sich um ein eher oberflächliches Buch, bezeichnen andere - wie die New York Times - das Buch als Bombe und nennen es gar in einem Atemzug mit Harry Potter: Eine kirchliche Verschwörung zur Unterdrückung der Wahrheit über das Christentum schreckt auch vor Morden nicht zurück, die Geheimnisträger der Sionsbruderschaft sterben wie die Fliegen, und ein ungleiches Paar macht sich an die Aufklärung der Morde. Der Wissenschafter Robert Langdon und Sophie Neuve, Kryptologin bei der Pariser Polizei, werden durch den Mord am Direktor des Louvre - Neuves Großvater - in die Ereignisse hineingezogen und machen sich nicht ganz freiwillig an die Aufklärung des Verbrechens, wird Langdon doch zum Hauptverdächtigen.

Es wimmelt in "Sakrileg" von verschlüsselten Botschaften, die beiden lösen viele Rätsel, entkommen der Polizei und anderen Gaunern, aber die eigentlich zu erwartende Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die unter widrigen Umständen aufeinander geworfen werden, kommt nicht in Schwung. Zur literarischen Qualität ist zu bemerken, dass ein Gutteil der Spannung auf der dichten Handlung beruht: Hier ist die Grundlage für einen Actionfilm gelegt.

Das historische Fundament des Buches bildet die angebliche Verschwörung, und Dan Brown versucht, in "Sakrileg" vermeintliche Sachinformationen einzustreuen. Er behauptet, diesbezügliche Fakten recherchiert zu haben. Die meisten der historischen Ausführungen finden sich in den Ausführungen des "Symbolologen" Robert Landon, der in Harvard lehrt, oder in den Monologen des "königlich-britischen Historikers" Leigh Teabing, der im französischen Exil lebt.

Was um 300 n. Chr. geschah

Man mag die konstantinische Wende sehr unterschiedlich beurteilen, doch das, was die Buch-Figur Leigh Teabing in dieser Frage vertritt, würde hoffentlich in der realen Welt zum Ausschluss dieses Mannes aus jeder wissenschaftlichen Gesellschaft führen: Es ist richtig, dass erst unter Konstantin der Sonntag einen gewissen staatlichen Schutz erhielt - dieser ordnete Arbeitsruhe für Sklaven am Dies Solis an. Die Behauptung, bis dahin hätten die Christen den Sabbat gehalten, lässt sich allerdings durch keine Quelle belegen: Der erste Tag der Woche galt bereits den ersten Christen als Tag der Auferstehung Jesu. Ähnlich oberflächlich sind die im Buch ausgebreiteten Kenntnisse des Konzils von Nicäa (325 n. Chr.): Dort war die göttliche Natur Jesu gegen den Arianismus verteidigt worden. Dass Jesus davor von allen Theologen nur als bloßer Mensch gesehen worden wäre, dass also auf Druck Konstantins die Kirche ein falsches Credo angenommen hätte, ist eine sehr eigenwillige Sicht der Dinge.

Derartige Nebenschauplätze dürfen jedoch nicht vom eigentlichen Geheimnis ablenken, das dem Buch zu seinem englischen Titel verholfen hat: Ausgehend von Bildern Leonardo da Vincis erfährt man von der geheimnisvollen Beziehung Jesu zu Maria Magdalena. Leonardo habe bei seinem "Letzten Abendmahl" zur Rechten Jesu gar keinen Mann dargestellt, der vermeintliche Lieblingsjünger sei vielmehr eine Frau. Der Künstler selbst sei einer der Geheimnisträger gewesen, die über Jahrhunderte dieses geheime Wissen um die Beziehung Jesu zur Magdalenerin überliefert hätten. Als ultimatives Geheimnis offenbart "Sakrileg", dass Jesus mit dieser Frau sogar Kinder gehabt habe, und dass daher noch heute direkte Nachkommen Jesu leben würden. Dieses Geheimnis sei auch gleichzeitig der heilige Gral, der nicht der Kelch des letzten Abendmahles gewesen sei, sondern vielmehr das Wissen um die menschlichen Beziehungen Jesu, die in Widerspruch zur kirchlichen Lehre über Jesu Leben stünden. Die hierfür bemühte etymologische Ableitung des Heiligen Grals von "königliches Blut" - damit soll die Nachkommenschaft Jesu gemeint sein - sagt viel über die ausufernde Phantasie des Autors Dan Smith.

Streitfall Maria aus Magdala

Doch, was ist von der Behauptung im Buch zu halten, dass sich aufgrund historischer Quellen diese Beziehung Jesu zu einer seiner Jüngerinnen belegen lasse? Ein erstes Problem ist natürlich, dass die kirchliche Tradition tatsächlich das Bild der Maria aus Magdala verzerrt hat. Sie war nach den synoptischen Evangelien eine der ersten Zeuginnen der Auferstehung Jesu; das Johannesevangelium (Joh 20,1-18) zeichnet sie allein als die erste Zeugin der Auferstehung. Nach dem Bericht des Lukas (Lk 8,2) hatte Jesus sieben Dämonen aus dieser Frau ausgetrieben. Dieses Evangelium berichtet auch von einer Salbung Jesu durch eine namentlich nicht benannte Sünderin (Lk 7,36-50), nach dem Johannesevangelium ist es Maria von Betanien, die Schwester des Lazarus, die Jesus kurz vor seinem Tode salbt. Papst Gregor I. (590-604) lässt diese Personen verschmelzen, aus der Schwester des Lazarus wird die Magdalenerin, die gleichzeitig mit der namenlosen Sünderin identifiziert wird. In den Predigten Gregors ist die Wurzel für die nur im Westen so übliche Identifizierung der Magdalenerin mit der Sünderin zu finden.

Brown zitiert andere Quellen - apokryphe Evangelien, die nicht zum Kanon des Neuen Testaments zählen. Das Philippusevangelium berichtet davon, dass diese Frau Jesu Geliebte gewesen sei: "Der Erlöser liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger und er küsste sie oftmals auf ihren Mund. Die übrigen Jünger gingen zu ihnen, um Forderungen zu stellen. Sie sagten zu ihm: Weswegen liebst du sie mehr als uns alle?' Der Erlöser antwortete und sprach zu ihnen: Weswegen liebe ich euch nicht so wie sie?'"

Von diesem Text, den Teabing in dem Roman der Sophie Neuve zum Lesen gibt (die Gegenfrage Jesu wird dabei weggelassen), ist es dann natürlich nur noch ein Schritt zur "Letzten Versuchung Christi", wenn man den Romantitel von Nikos Kasantzkais und den gleichnamigen Skandalfilm heranziehen möchte. Bereits die Tatsache, dass durch die Gegenfrage des Erlösers die Möglichkeit in Erwägung gezogen wird, dass Jesus seine Jünger ebenso lieben könnte wie Maria Magdalena, weist auf eine Beziehung hin, die wohl eher nicht auf der erotischen Ebene liegt. Hierfür sprechen auch Texte wie das Evangelium der Maria, wo die besondere Beziehung der Maria zu Jesus durch ein entsprechendes besonderes Wissen über Lehren und Worte Jesu gekennzeichnet ist.

Action statt Geschichte

Das Philippusevangelium lässt sich auf das Ende des 2. Jahrhunderts datieren, Lehren einer Splittergruppe lassen sich in ihm nachweisen. Der Umstand, dass in dieser Gruppe die Erkenntnis ein sehr wichtiger Aspekt war, um einer Erlösung teilhaftig zu werden, während sie gleichzeitig von einer gewissen Leibfeindlichkeit geprägt war, spricht ebenfalls gegen die von Brown vorgeschlagene Interpretation der Stelle.

Was Browns Roman an historischem Tiefgang vermissen lässt, wird durch Action wieder wettgemacht. Bedauerlich daran ist, dass einige altkirchliche Themen tatsächlich zu spannenden Büchern Anlass sein könnten. Ein Wissen um die angebliche sexuelle Beziehung Jesu zur Magdalenerin, der sogar Kinder entsprungen sein sollen, musste allerdings von kirchlicher Seite nie unterdrückt werden.

Der Autor forscht als APART-Stipendiat der Österr. Akademie der Wissenschaften in der Papyrussammlung der Nationalbibliothek.

SAKRILEG - The Da Vinci Code

Von Dan Brown. Aus dem Amerikan. von Piet van Poll. Verlag G. Lübbe, Bergisch Gladbach 2004. 605 S., geb., e 20,50

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