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Am westfälischen Wesen soll die deutsche Kirche genesen: richtungsweisende Bischofsernennungen in Deutschland.

Gleich drei Bischofsstühle wurden in Deutschland kurz vor Weihnachten neu besetzt. Dabei ist die Ernennung des Trierer Bischofs Reinhard Marx zum Erzbischof von München und Freising sicher die spektakulärste. Mindestens zwei Eigenschaften haben alle drei neuen Oberhirten - neben Marx Franz-Peter Tebartz-van Elst und Karl-Heinz Wiesemann - gemeinsam: Sie gehören zu den jüngsten deutschen Bischöfen, und sie kommen allesamt aus Westfalen.

Dessen Bistümer Münster und Paderborn seien das "Mistbeet des deutschen Katholizismus", wusste vor vielen Jahren schon Prälat Paul Bocklet, lange Zeit Leiter des Katholischen Büros in Bonn. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wie die Bayern im Erzbistum München und Freising, die Hessen im Bistum Limburg und die Pfälzer im Bistum Speyer darüber denken, darf man gespannt sein. In jedem Fall treffen da total unterschiedliche Mentalitäten aufeinander.

Sozialpolitiker in München

Vor allem in München war man lange Zeit ganz sicher, dass nur ein Bayer als Nachfolger von Kardinal Friedrich Wetter in Frage käme (wie es 186 Jahre lang üblich war). Monatelang drehte sich das Kandidatenkarussell. Wie auch immer: Offenbar ist der Papst bei der Suche nach einem adäquaten Kandidaten für die Wetter-Nachfolge in Bayern letztlich nicht fündig geworden. So fiel seine Wahl am Ende auf den Westfalen Marx, der ein Schwergewicht in der Deutschen Bischofskonferenz ist - in jeder Beziehung. Er ist einer der brillantesten Köpfe der deutschen Kirche und einer der wenigen, der wirklich fundiert zu allen nur denkbaren theologischen, politischen, gesellschaftlichen, ethischen und sozialen Fragen Stellung zu nehmen vermag. Mit den Medien weiß er so gut umzugehen wie kaum ein anderer deutscher Bischof, ja, er hat sogar schon einmal selbst eine Talkshow beim Saarländischen Rundfunk geleitet.

Kein Zweifel: Der Zigarrenraucher ist ebenso intellektuell wie umgänglich, handfest-bodenständig, schlagfertig und von unverkrampfter Fröhlichkeit. Wie kaum ein zweiter kennt sich der Kirchenmann mit dem berühmten Namen in der Sozialpolitik aus, zu der er auch gern und oft von den Medien befragt wird. Steht er auf diesem Gebiet eher links, so denkt er theologisch, kirchenpolitisch und liturgisch konservativ.

Der 1953 in Geseke als Sohn eines Schlossermeisters geborene Westfale hat eine steile Karriere hinter sich: 1996 wurde er Professor für Christliche Gesellschaftslehre und Weihbischof in Paderborn, 2001 dann Diözesanbischof von Trier, der ältesten deutschen Bischofsstadt. Die Frage wird sein, ob Marx in seiner neuen Diözese die Strukturreformen ähnlich entschieden vorantreibt wie im Bistum Trier. Es ehrt den neuen Oberhirten, dass er kein Hehl daraus macht, bisher zu Bayern wenig Verbindungen gehabt zu haben. Doch Marx liebt das barocke Lebensgefühl, und mit seiner Erfahrung von westfälischen Schützenfesten her dürfte es ihm nicht schwer fallen, auch in bayerischen Bierzelten eine imposante Figur zu machen.

Gespannt sein darf man auch darauf, wie Marx eine andere große Aufgabe anpackt: 2010 findet in München der zweite ökumenische Kirchentag statt. Im Zusammenhang mit dem ersten in Berlin 2003 machte Marx Schlagzeilen, als er den gebürtigen Grazer Gotthold Hasenhüttl vom Priesteramt suspendierte und ihm die Lehrerlaubnis entzog. Grund: Der Saarbrücker Theologieprofessor hatte außerhalb des offiziellen Programms verbotenerweise Evangelische zur Eucharistie eingeladen.

Was die Berufung von Marx für die deutsche Ortskirche insgesamt bedeutet, ist rasch verdeutlicht: Der Münchner Bischofsstuhl, den der heutige Papst selbst von 1977 bis 1982 bekleidete, zählt - neben Köln - zu den beiden bedeutendsten in Deutschland und ist seit 100 Jahren traditionell mit der Kardinalswürde verbunden. Alle Beobachter sind sich einig: Mit der jüngsten Berufung ist Marx der klare Favorit für die Nachfolge von Karl Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Vordenker in Limburg

Ein ganz anderer Typ als Marx ist Franz-Peter Tebartz-van Elst, der in Limburg das Erbe von Franz Kamphaus antritt. Tebartz-van Elst räumte bei seiner Ernennung selbst ein, dass es eine "große Herausforderung" sei, mit der eigenen Schuhgröße in die Fußstapfen des profilierten, allseits geschätzten Franz Kamphaus zu treten. Der 1959 im niederrheinischen Kevelaer-Twisteden geborene Bauernsohn war Professor für Pastoraltheologie und Liturgiewissenschaft in Passau, als er Ende 2003 zum Weihbischof in Münster ernannt wurde.

Das vor 180 Jahren gegründete Bistum Limburg gehört zu den kleineren deutschen Diözesen und erstreckt sich größtenteils auf Hessen. Tebartz-van Elsts Ernennung kam unerwartet, war er doch eher als Favorit für den gleichfalls frei werdenden Bischofsstuhl von Münster angesehen worden. Tebartz-van Elst ist ein Vordenker in pastoralen Fragen, der die Veränderungen in den Gemeinden und der Pfarreienstruktur schon vorhergesehen hat, als andere im Traum noch nicht daran dachten. Auf Strukturdebatten antwortete er mit der Einführung einer "Jüngerschule", geistlichen Wochenenden, mit denen er zeigen wollte, "was Kirche von innen her ist". Große Verdienste hat Tebartz-van Elst sich auch um die Taufkatechese für Erwachsene erworben. Dass die Erwachsenentaufe in Deutschland so etwas wie einen Boom erlebt, ist zu einem großen Teil sein Verdienst.

Trotzdem: "Progressiv", wie der Hessische Rundfunk und die Frankfurter Rundschau behaupteten, ist der jungenhaft wirkende Intellektuelle nicht und will es wohl auch nicht sein. Ein Konflikt mit dem Papst - wie ihn einst Kamphaus jahrelang mit Johannes Paul II. wegen der Schwangerschaftskonfliktberatung austrug - wäre bei ihm undenkbar.

Schöngeist in Speyer

Ein ausgesprochener Schöngeist ist der wie Marx aus dem Erzbistum Paderborn stammende künftige Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann. Wiesemann hat eine ähnlich steile Karriere gemacht wie Tebartz-van Elst. Die Ökumene ist eines der großen Anliegen des 47-Jährigen, der im ostwestfälischen Herford und damit in der Diaspora geboren wurde. Wiesemann verfügt über reiche seelsorgliche Erfahrung: Nach der Priesterweihe und der Promotion in Rom wirkte der Geistliche ab 1994 als Seelsorger in Menden-Bösperde und danach als Propst im ebenfalls zum Sauerland gehörenden Brilon, wo man ihn wegen seines kollegialen Leitungsstils und nicht zuletzt wegen seiner beeindruckenden Predigten sehr schätzte. 2002 wurde Wiesemann zum Weihbischof in Paderborn berufen. Wiesemann wird jüngster deutscher Diözesanbischof sein.

Bei vielen Beobachtern und Kommentatoren haben die drei Bischofsernennungen breite Zustimmung, ja teilweise sogar Jubel und Begeisterung ausgelöst. Die jüngsten Ernennungen zeigen aber auch, und das ist durchaus kein Widerspruch, dass die Personaldecke dünner geworden ist: "Junge" Weihbischöfe haben heute wesentlich schneller die Chance, rasch aufzusteigen und Diözesanbischof zu werden. Ob das eher ein Vorteil oder ein Nachteil ist, müssen die nächsten Jahrzehnte weisen. Die Zeit der großen Neuerer ist jedenfalls ebenso vorbei wie die der polternden Hardliner. Eine neue Generation gewinnt in der Deutschen Bischofskonferenz an Gewicht.

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