Kardinal Korec (†) und Jan Čarnogurský: Zwei Christen in der Slowakei
Am 22. Jänner wäre Kardinal Ján Korec 100 Jahre alt geworden, am 1. Jänner feierte Ján Čarnogurský seinen Achtziger. Zwei konservative Slowaken, die verschiedener nicht sein könnten.
Am 22. Jänner wäre Kardinal Ján Korec 100 Jahre alt geworden, am 1. Jänner feierte Ján Čarnogurský seinen Achtziger. Zwei konservative Slowaken, die verschiedener nicht sein könnten.
Wäre Ján Korec noch am Leben gewesen, so wäre Robert Fico nach seinem Wahlsieg vom 30. September wieder nach Nitra geeilt, um sich den Segen des Patriarchen zu holen. Fico sei zwar im Kommunismus verwurzelt, doch sei er ein guter Slowake und um sozialen Ausgleich bemüht, so Korec nach früheren Wahlsiegen des Linkspopulisten zum Entsetzen nicht nur der Christdemokraten. Ob der Kardinal ihm die Absolution auch diesmal erteilt hätte, muss offenbleiben – gegen einen Auftritt Ficos bei der Korec-Konferenz in Nitra am Montag konnte er sich nicht zur Wehr setzen.
Korec sei eine „slowakische Legende, die den nationalen Rahmen sprengte“, so der Premier. Korec habe „niemals eine Revanche für das gefordert, was ihm und anderen Vertretern der katholischen Kirche vor 1989 angetan worden war“. Vielmehr habe er darauf bestanden, „dass wir nicht auf Rache, sondern auf Wandel sinnen müssen“.
Ján Chryzostom Korec ist auch acht Jahre nach seinem Tod als Symbolfigur der Slowaken im 20. Jahrhundert weitgehend unbestritten. 1924 geboren, erlebte er als Jugendlicher den Aufschwung der katholischen Kirche im Slowakischen Staat des Priesterpräsidenten Józef Tiso von 1939 bis 1945. Als Fünfzehnjähriger in den Jesuitenorden eingetreten, deutete alles auf eine kirchliche Karriere hin. Doch die Machtergreifung der Kommunisten 1948 warf alles über den Haufen. Nach der Aufhebung aller Orden und Klöster wurde Korec vorübergehend interniert. Die Barbarische Nacht vom 13. auf den 14. April 1950 hat er in einem weltweit beachteten Buch beschrieben.
Aus dem Lager freigelassen empfing Korec am 1. Oktober 1950 geheim die Priesterweihe und am 14. August 1951 die Bischofsweihe. Der Vatikan gewährte angesichts der drohenden Amtsbehinderung der Ortsbischöfe die sogenannten Mexikanischen Fakultäten (päpstliche Sondervollmachten in einer Verfolgungssituation), um die apostolische Sukzession sicherzustellen. Von 1960 bis zum Prager Frühling 1968 saß Korec in berüchtigten Gefängnissen ein, danach verdingte er sich bis zum Pensionsantritt 1984 wieder als Arbeiter. Immer mehr wurde er zur geistlichen Zentralfigur der slowakischen Untergrundkirche. 1990 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Diözesanbischof von Nitra und beließ ihn in dieser Funktion bis 2005. 1991 hat ihn der Pole zum Kardinal erhoben.
Der erfahrene Seelsorger stand nun vor der Aufgabe, die kirchliche Infrastruktur wieder aufzubauen. Irritationen riefen nur seltene Ausritte hervor, die aber aufzeigten, in welchen Zusammenhängen er dachte. So enthüllte er eine Gedenktafel am Geburtshaus Jozef Tisos und las Seelenmessen für das 1947 hingerichtete Staatsoberhaupt von Hitlers Gnaden. Korec rechtfertigte sich damit, dass er 1987 eine Erklärung über die Deportationen slowakischer Juden unterschrieben habe, in der das jüdische Volk um Vergebung gebeten wurde.
In der Biografie über die „Unendlichen Horizonte des Kardinals Korec“ analysiert Marián Gavenda dessen Rede bei der Kyrill-und-Method-Wallfahrt in Nitra am 5. Juli 2005. Schon die Konzeption einer „die ganze Nation umfassenden Meditation und Gewissenserforschung aller – der Gläubigen, der weniger Gläubigen, der Ungläubigen und der Suchenden“ entzweite die Zuhörenden. Die Freiheit sei „ein einzigartiges Geschenk des Menschen“, doch die von den Medien unterstützte Unterhaltungsindustrie könne „den Untergang der Grundwerte unserer Kultur und Tradition“ bewirken und die Kluft zwischen Arm und Reich vertiefen. Es werde im „Namen der Freiheit die Freiheit vernichtet“.
Schließlich holte der kurz davor emeritierte Bischof zu einer Infragestellung des Liberalismus aus, der sich in Europa zur nicht ausgerufenen offiziellen Religion entwickle. Die Ehe von Mann und Frau sei naturrechtlich verankert und habe „lang vor der Slowakischen Republik und deren Nationalrat“ bestanden. „Wir alle“ seien „berufen, das Werk von Kyrill und Method weiterzuentwickeln und auch heute und in die Zukunft die Furchen des Volkes zu ziehen. Als Wächter des Geistes, des Lebens und des Erbes unserer ganzen Slowakei.“
Ján Čarnogurský: Katholik und „Russophiler“
Weniger pathetisch, aber nicht weniger pessimistisch äußert sich heute Ján Čarnogurský. Amerika und der Westen befänden sich im Niedergang und es zeuge von „Naivität und mangelnder Bildung, den Staat von einer westlichen Macht abhängig zu machen, diesfalls den USA“, so der einstige Dissident, Mitbegründer der Christdemokratischen Bewegung (KDH) sowie spätere Justizminister und Ministerpräsident 1991/92. Dies habe sich für die Tschechoslowakei mit dem Münchner Abkommen 1938 erwiesen sowie im Jahr danach, als auch Polen vom Westen im Stich gelassen worden sei. Präsident Beneš habe seine Außenpolitik auf eine starke Position im Westen aufgebaut, aber auch auf gute Beziehungen mit der Sowjetunion. Die heutige tschechische Politik verleugne Beneš’ Erbe, was sich einmal rächen könnte. Die slowakische Außenpolitik sei da realistischer, so Čarnogurský in einem Interview für das Internetportal Business vor seinem 78. Geburtstag.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!