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KARL RAHNER / HORER UND KUNDER DES GOTTESWORTES

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Theologie war vielleicht allzu lange und für allzu viele Menschen eine papierene Sache: nicht zuletzt für viele Priester, die von Seiten der Theologie als Wissenschaft nicht die Hilfe erhielten, die sie ah Seelsorger an der Front des Menschen brauchen.

Karl R ahn er, einer der bedeutendsten lebenden katholischen Theologen, dessen Wort, wie wir hoffen, auf dem kommenden Ökumenischen Konzil auch von Seiten der lateinischen Welt die hohe Beachtung finden wird, die er seit langem im deutschen, französischen und auch nordamerikanischen Sprachraum besitzt, vereinigt in höchst persönlicher Weise beides: hohe theologische Wissenschaft und Seelsorge. Karl Rahner ist Hörer und Künder des Wortes Gottes. Dieser so „unauffällige“, „kleine Mann“ ist ein Großer im Reiche des Geistes, ein Bruder seiner Priesterbrüder, ein treuer väterlicher Freund des Laien, der sich heute vis erwachender Christ mit mehr Fragen und Schwierigkeiten konfrontiert sieht, als sich Klerus und kirchenfromme Laienschaft gestern und vorgestern träumen ließen.

Karl Rahner — wir gedenken wenigstens mit einem Satz hier seines bedeutenden Bruders, Berufsgenossen und Ordensgenossen, Hugo Rahner — wurde am 5. März 1904 im einst vorderösterreichischen Freiburg im Breisgau geboren. Er vereinigt denn auch in Naturell und persönlicher Prägung eine Reihe der vorzüglichsten Gaben des süddeutschen, alemannischen Menschenschlags mit österreichischen Ingredienzien und mit der Spiritualität der Söhne des heiligen Ignatius: Umsicht, Zähigkeit, Klugheit, Freimut, fa Kühnheit, Humor, eine kernhafte Menschenfreundlichkeit. „Rahner-Witze“ haben sich einen besonderen Ruf im Orbis catholicus erworben. Sie mögen ein gesundes Gegengewicht gegen die Strenge und Anstrengung des theologischen Forschens und Denkens bilden.

Der junge Rahner trat 1922 In die Gesellschaft Jesu ein: Das war damals eine Zeit, in der man im Raum der deutschen Bildung mit Recht auf ein „Erwachen der Kirche in den Seelen“ (vor allem der Gebildeten) hoffen konnte. Es ist hier nicht der Ort, auszuführen, warum die Hoffnungen nach 1918 nicht in Erfüllung gingen, wieviel Reif auf einen jungen Geistesfrühling fiel. Es ist aber nicht unwichtig zu wisse, daß Karl Rahner in jener Zeit, zwischen erstem und zweitem Weltkrieg, seine geistige Schulung empfing, in der ein berechtigter Optimismus eine junge katholische Intelligenz beseelte.

Nach dem Studium der Philosophie und Theolozie in München-Pullach, Valkenburg (Holland), Freiburg im Breisgau und Innsbruck habilitierte sich Karl Rahner 1937 als Privatdozent für Dogmatik an der theologischen Fakultät der Innsbrucker Universität. In Freiburg war er ein Schüler Martin Heideggers gewesen: Karl Rahner hat wie wenige scholastisch geschulte Theologen die Strukturen des modernen Denkens und die Fragestellungen des Existenzialis-mus durchdacht.

Die Schließung der theologischen Fakultät durch die nationalsozialistischen Machthaber 1938 vertrieb ihn aus Innsbruck. Bis Kriegsende wirkte Karl Rahner nun als Seelsorger in Wien und in einem kleinen bayrischen Dorfe. Nach Kriegsende wurde er Dozent am Berchmanskolleg der Jesuiten in München-Pullach. 1948 erhielt er den Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Innsbruck.

Ein Verzeichnis der Bücher und Aufsätze Karl Rahners umfaßt bis 1961 über 700 Nummern. Gemeinsam mit Josef Höfer, Rom, gibt er das zehnbändige „Lexikon für Theologie und Kirchea heraus. In Zusammenhang mit dem kommenden Konzil wurde er als Konsultor in die Kommission für die Verwaltung der Sakramente berufen. Es ist anzunehmen, daß diese Kommission sich mit Vorschlägen und Wünschen bezüglich der Eheschließung, eines eigenständigen Diakonats, der Feier der Eucharistie und vielleicht auch der Landessprache bei der Sakramenten-spendung zu befassen hatte.

Von den großen Werken Karl Rahners sei hier nur auf die fünfbändigen „Schriften zur Theologie“ und die „Quaestiones disputatae“, eine Schriftenreihe, die auch „heiße Eisen“ der Theologie behandelt, verwiesen. In vielen Kleinschriften behandelt Karl Rahner Fragen des religiösen Lebens für Laien und Seelsorger.

Dieser „unscheinbare“ 58jährige Jesuit ist heute für viele Menschen, weit über Europa und auch weit über^die katholische Kirche hinaus, ein lebendiges Zeichen für ein Wachsen des Geistes und der Geistesfreiheit im europäischen Christentum. Wo man Karl Rahner liest, hört, aufmerksam vernimmt, da ist Katholizismus des 20. Jahrhunderts präsent. F. Ii

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