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Karl Strobl: Der Kirche Stichwortgeber

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Karl Strobl: Studenten- und Akademikerseelsorger, Fragensteller, Themensetzer in der katholischen Kirche Österreichs. Zur 20. Wiederkehr seines Todestages am 21. August.

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Karl Strobl: Studenten- und Akademikerseelsorger, Fragensteller, Themensetzer in der katholischen Kirche Österreichs. Zur 20. Wiederkehr seines Todestages am 21. August.

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Die Inschrift auf seinem Grab in Poysdorf, wo er am 20. Jänner 1908 geboren wurde, lautet: Prälat Dr. Karl Strobl - Seelsorger für Studenten und Akademiker - Domkapitular zu St. Stephan in Wien - "Alle meine Quellen sind in dir, o Gott" (Ps 87,7).

Bei einer Feier zu seinem 60. Geburtstag hat Otto Mauer seinen Freund und Weggenossen durch drei Stichworte charakterisiert: Er ist ein Bauer, der weiß, dass seine Produkte wachsen und dazu Zeit brauchen; er ist ein Intellektueller, der die Gabe der Unterscheidung der Geister besitzt und in größeren Perspektiven denkt; er ist ein Untertan, der seine Initiativen nicht aus einer Position der Macht heraus setzt, sondern - wie Karl Kraus einmal gesagt hat - "von unten herab".

Bauer

Als achtes Kind eines Weinbauern orientierte sich Karl Strobl instinktiv an einem alten Sprichwort: "Wer spärlich sät, wird spärlich ernten; wer reichlich sät, wird reichlich ernten" (2 Kor 9,6). Er liebte keine kirchlichen Monokulturen. "In experimentis volvimur", zitierte er immer wieder Augustinus: durch Experimentieren kommen wir weiter. Wir müssen probieren und riskieren, müssen Versuche wagen und Erfahrungen sammeln, auch wenn wir dabei selber durchgewalzt' (volvimur) werden.

Das Feld, das ihm zugewiesen wurde, war die Universität. Nach einigen Kaplansjahren wurde er 1937 zur Mitarbeit in der Studentenseelsorge berufen. Ein Jahr später wurde er deren Leiter und Referent im Erzbischöflichen Seelsorgeamt. 1945 gründete er die Katholische Hochschulgemeinde Wien und ergriff 1946 die Initiative zur Gründung der Katholischen Hochschuljugend Österreichs.

Für die Bearbeitung seines Arbeitsfeldes brachte er prägende Erfahrungen des kirchlichen Lebens in seiner Familie und Heimatpfarre mit. Im Bund Neuland lernte er eine hohe Kultur des Gesprächs und eine inspirierende Feier der Liturgie kennen; er machte dort die Erfahrungen des Wanderns und der Pilgerwege und wurde mit grundlegenden Perspektiven des Evangeliums vertraut. Die Schlüsselworte, nach denen er seine Arbeit ausrichtete, fand und formulierte er schon als Student: Kirche als Gemeinde und Zeichen des Reiches Gottes, Erkennen und Ergreifen des Kairos, Liebe zu Österreich. Im Priesterseminar teilte er mit Otto Mauer das Zimmer und begann mit ihm eine lebenslange Auseinandersetzung über die Möglichkeiten eines Lebens und Wirkens aus dem Glauben. Diesem intensiven Gespräch schloss sich später auch der Linzer Hochschülerseelsorger (und seit 1962 Wiener Pastoraltheologe) Ferdinand Klostermann an, aber auch eine lange Liste von Studenten und Akademikern, Frauen und Männern, die durch die Ereignisse in der Zeit des Nationalsozialismus, des Krieges und der Nachkriegszeit hoch motiviert waren, neue und bessere Wege für das Land, für die Kirche und die Universität zu finden.

Der "Bauer" Strobl stiftete und bearbeitete immer neue Felder des wissenschaftlichen und kirchlichen Lebens - als Rektor des Afro-asiatischen Instituts, als Akademikerseelsorger und Geistlicher Assistent der Katholischen Aktion Österreichs. 1966 ergriff er die Initiative zur Gründung des Österreichischen Studienförderungswerkes Pro Scientia. Nach dem Tod Otto Mauers (1973) schenkte er als Universalerbe dessen wertvolle Kunstsammlung der Erzdiözese Wien. Dadurch ermöglichte er (1980) die Gründung des "Otto Mauer-Fonds", die Stiftung des "Msgr. Otto Mauer-Preises" und die Errichtung des "Forums St. Stephan - Gespräche zwischen Wissenschaft, Kultur und Kirche". Ein Jahr vor seinem Tod wirkte er noch an der Gründung des Vereins "Netz initiativer Christen" mit.

Über den Rundfunk versuchte er, die Beschäftigung mit religiösen Grundfragen in breite Kreise der Bevölkerung zu tragen. Er entwarf die Konzepte und war der Hauptredaktor für die ORF-Studienprogramme "Wozu glauben?" (1974) und "Wem glauben?" (1977).

Im ganzen Land wurden Gesprächskreise gebildet, die sich mit den Themen der einzelnen Sendungen und des Begleitbuches beschäftigten.

Intellektueller

Als Volksschüler in Poysdorf fiel er durch sein Interesse an Geschichte, Sprachlehre und Rechnen auf. Im Knabenseminar Hollabrunn lernte er, die Meinungen anderer zu erfassen und dazu Stellung zu nehmen. Er las ständig Zeitschriften und Zeitungen; er schmökerte in Buchhandlungen und kaufte manchmal mehr Bücher, als er heimtragen konnte. Er konnte sie nicht alle lesen, aber er wusste, was drinsteht. Sorgfältig ging er jedem Zitat aus der Bibel nach und übersetzte es aus dem Urtext. Mit jungen Architekten überlegte er eine möglichst schlichte, künstlerisch anspruchsvolle Gestaltung der Kapelle in den Häusern der Hochschulgemeinde. Im Zentrum Ebendorferstraße reservierte er einen Raum für die "Arche", eine von ihm angeregte Theatergruppe der Studenten, denn "das Spiel ist eine wesentliche Kategorie geistigen Lebens".

Er provozierte Fragen, die an der Universität entweder gar nicht oder doch so nicht gestellt werden. Von ihm hörte man Namen, die manchem von seinem Fach her nicht bekannt waren: Karl Kraus, Ferdinand Ebner, Georg Trakl, Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz, Joseph Wittig und Erik Peterson. Er war ständig von Literatur aller Art umgeben: Romane und Lyrik, Kirchenväter und Philosophie, Geschichte und Theologie. Er hatte einen sicheren Blick für Begabungen und "ermutigte viele, etwas zu werden, von dem sie noch nicht gewusst haben, dass sie es schon sind", wie Gernot Eder einmal sagte. Er konnte Menschen über religiöse Distanzen und politische Gräben hinweg miteinander ins Gespräch bringen. Den Dialog der Kirchen und Religionen hielt er für unverzichtbar; aber auch den Dialog Christentum-Marxismus verfolgte er mit Interesse und freundete sich mit einem seiner Mitbegründer, dem marxistischen Philosophen Milan Machovec (Prag) an.

Kaum ein Jahr nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs gründete er mit Otto Mauer die Zeitschrift Wort und Wahrheit, die vor allem von Intellektuellen gelesen wurde. Im ersten Heft schrieb er: "Allzu sehr und allzu lang stand das Wort, das gesprochene und das geschriebene, im Dienste der Lüge ... Nicht länger mehr darf die Öffentlichkeit unter dem Zwange derer stehen, die das Wort missbrauchen. Der Redende wird einer ethischen Legitimierung bedürfen, wenn er zur Öffentlichkeit spricht."

Untertan

"Karl Strobl ist ein durch und durch politischer Mensch", hat Erhard Busek einmal geschrieben. Das stimmt; aber "politisch" meint hier die Sorge um alle und ums Ganze. Es ging ihm nicht darum, für die Hochschulseelsorge eine bestimmte Position zu erobern, um Macht ausüben oder Posten vermitteln zu können. Ein Dokument dafür ist das "Innere Statut", das an allen Hochschulorten in einer offenen Diskussion durch Studenten und Seelsorger erarbeitet und 1947 verabschiedet wurde. Leitworte daraus sind "Leistung in Studium und Beruf, Tüchtigkeit als Legitimation, Helfen auf alle Fälle, Kampf gegen Korruption auch im Kleinen." Kirche ist ein Leben und Wirken von Person zu Person aus der Position des "Untertans" heraus: Einordnung in einen gemeinsamen Weg zu einen gemeinsamen Ziel. Das ist das "Prinzip Gemeinde", das Ferdinand Klostermann theologisch reflektiert und 1965 als Buch "Der Katholischen Hochschulgemeinde Wien" gewidmet hat.

Strobl wollte, dass in Politik und Kirche das geschieht, was richtig ist und allen nützt. Er stellte Fragen, machte Vorschläge, gab Themen, Stichwörter und Formulierungen vor, etwa für den Katholikentag 1962 "Löscht den Geist nicht aus", 1975 "Versöhnung" und 1983 "Hoffnung". Er war froh, wenn die Entscheidungsträger gar nicht wussten, von wem die Ideen kamen. "Am meisten engagieren sie sich, wenn sie meinen, das sei ihnen selbst eingefallen", sagt er lächelnd.

Der Autor ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie an der Kath.-Theol. Privatuniversität Linz.

In Memoriam PRÄLAT Karl Strobl (1908-1984): Gedenkfahrt nach Poysdorf zum Grab Strobls (Worte des Gedenkens: Erhard Busek, Gottesdienst mit Bischof Egon Kapellari), Samstag, 25. September, 15 Uhr. Symposium "In experimentis . Christliche und politische Identität auf dem Prüfstand" (mit Reinhard Kögerler/Bielefeld, Rainer Bucher/Graz, Tomas Halík/Prag u. a.). Ort: Otto-Mauer-Zentrum, 1090 Wien, Währinger Str. 2-4. Freitag, 15. Oktober, 17 Uhr. - Infos: Kath. Akademiker Verb., Tel. 01/3176165, www.kav-wien.at

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