"Katholischstes Land Europas"

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Kroatien sei "Europameister im Katholizismus", spottet die kirchenkritische Zeitung "Feral Tribune". Tatsächlich hat "katholisch" hier einen nationalen, keinen weltumspannend-kirchlichen Klang. Eine Analyse der - politischen - Rolle der katholischen Kirche in Sichtweite des kroatischen EU-Beitritts.

Kroatien sei "das katholischste Land Europas", meinte der Apostolische Nuntius in Kroatien, Francisco-Javier Lozano, in einem Radiointerview: "Es ist mir kein anderes Land bekannt, in dem die Öffentlichkeit so auf die Kirche hört wie in Kroatien". Nachdem diese Aussage im Juli 2004 in der Zagreber Tageszeitung Jutarnji list veröffentlicht worden war , erklärte das in Split erscheinende satirische, regierungs- und kirchenkritische Wochenblatt Feral Tribune Kroatien zum "Europameister im Katholizismus".

Für diese Einschätzung spricht auch die Statistik: Laut Volkszählung 2001 bekennen sich 88 Prozent der Bevölkerung des Landes zum Katholizismus, orthodox sind 4,4 Prozent, islamisch 1,3 Prozent und jüdisch 0,01Prozent. Drei Prozent bezeichnen sich als Agnostiker oder deklarieren sich nicht, und lediglich 2,2 Prozent geben an, Atheisten zu sein. Nicht zuletzt auf Grund dieser Statistik erhebt die Führung der katholischen Kirche in Kroatien den Anspruch auf eine dominierende Stellung in der Gesellschaft. Wegen der "Katholizität der kroatischen Nation" meinen die Bischöfe das Recht zu haben, die Normen der katholischen Moral als verbindlich für "das ganze Volk" zu erklären (sie wenden sich in ihren Rundbriefen in der Regel an "das kroatische Volk" und nicht etwa an die Katholiken des Landes). Das wird unter anderem auf dem Gebiet der Sexualmoral und in der Abtreibungsfrage, postuliert. Von den Politikern fordern die Bischöfe immer wieder, "ihren katholischen Glauben" zu leben und die Gesellschaft danach zu gestalten.

Ein "nationaler" Glaube

Dieser "katholische Glaube" erweist sich bei der Mehrheit der Volksvertreter jedoch nicht als ein Glaubens-, sondern als ein National-Bekenntnis. So kommt etwa für die große Mehrheit der Parlamentsabgeordneten, selbst aus den Reihen der als besonders kirchenfreundlich geltenden regierenden hdz, eine von der Kirche geforderten Änderung des aus der kommunistischen Zeit stammenden liberalen Abtreibungsgesetzes nicht in Frage.

Die hdz-Präsidentschaftskandidatin Jadranka Kosor weigerte sich gar zu Beginn des jüngsten Wahlkampfes, zu dieser Frage Stellung zu beziehen, um später für ein Referendum einzutreten, ohne sich allerdings zu deklarieren, wie sie dabei stimmen würde. Kosor schaffte bekanntlich nur knapp den Einzug in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen im Jänner und unterlag nach einer mit nationalistischen Parolen geführten Kampagne bei gleichzeitigem Bekenntnis zu Europa im zweiten Wahlgang dem Amtsinhaber Stjepan Mesi´c klar.

Die Reaktionen der katholischen Medien und einzelner sich zur katholischen Kirche bekennenden Journalisten zeigten deutlich, dass sich ihre Favoriten unter den geschlagenen rechtsnationalistischen Kandidaten befanden. So wetterte der extrem nationalistisch gesinnte Chefredakteur der in Zagreb erscheinenden Kirchenzeitung Glas Koncila, Ivan Miklenic, in einem Kommentar am 9. Jänner gegen die Berichterstattung des Kroatischen Fernsehens am Abend des ersten Wahlgangs und bezichtigte es einer "skandalösen Verletzung des Gesetzes" und einer Zuschauer- bzw. Wählermanipulation. Das staatliche Fernsehen hatte nämlich nach dem Schließen der Wahllokale eine Prognose aufgrund von Wählerbefragungen veröffentlicht, die Mesi´c bereits im ersten Wahlgang als Gewinner auswies. Damit übertrat das Kroatische Fernsehen ein aus der Ära Tudjman stammendes Gesetz, nach dem die Wahlergebnisse erst nach Mitternacht veröffentlicht werden dürfen. Während sich Mikleni´c über diese "skandalöse Verletzung des Gesetzes" maßlos aufregte und darin ein "Überbleibsel der kommunistischen Mentalität" erblickte, verlor er in seinem Kommentar kein Wort über die in der Tat skandalösen Vorgänge in der Herzegowina, wo nachgewiesenermaßen auch Tote "gewählt" hatten.

Nationalpolitische Lektionen

Ebenfalls nicht erwähnenswert fand der Chefredakteur des Glas Koncila die gesetzeswidrige, massive Wahlwerbung einiger rechtsextremer Gruppierungen vor Wahllokalen, in der Mesic als Verbrecher und Verräter beschimpft wurde.

Unmittelbar vor dem zweiten Wahlgang erinnerte Mikleni´c' Gesinnungsfreund und Vorgänger als Chefredakteur, Zivko Kustic, in seiner Rubrik "Morgenpredigt" im Boulevardblatt Jutarnji list vom 14. Jänner die katholischen Gläubigen an ihre "patriotische Pflicht", wählen zu gehen, und riet denjenigen, deren Kandidaten die erste Runde nicht überstanden hatten, im zweiten Wahlgang "das geringere der beiden Übel" zu wählen, oder - wenn sie sich für keine(n) der beiden entscheiden können - ungültig zu wählen, um auf diese Weise ihre grundsätzliche Bejahung des kroatischen Staates zu dokumentieren. Solche national-politische und pseudotheologische Lektionen erteilt Kusti´c den Lesern des Jutarnji list in seinen "Morgenpredigten" bis heute fast täglich.

Vaterländische Kirche

Die Wirkung derartiger "Predigten" ist offensichtlich kontraproduktiv, denn die überwältigende Mehrheit des "gläubigen katholischen Volkes" spricht sich in allen Umfragen gegen die Einmischung der Kirche in die Politik aus und bekennt sich nur zu einem geringen Teil zu den Grundsätzen der katholischen Moral.

Entsprechend gering ist das grundlegende Wissen der Bevölkerung über die eigene Konfession und über das Christentum generell. Laut einer Umfrage im Auftrag von Jutarnji list zu Weihnachten 2004 haben zwei Drittel der Befragten die Bibel nie in der Hand gehabt, 50 Prozent von ihnen wissen nicht, wo und wann Jesus geboren wurde; einer der Befragten meinte sogar, Jesus sei kroatischer Abstammung gewesen.

Diese bizarre Meinung überrascht keineswegs in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl die Bischöfe als auch die große Mehrheits der Priester immer wieder von der "Vaterländischen Kirche" (Domovinska Crkva) sprechen, "kroatische" Heilige und Selige im Himmel zählen, deren Fürsprache für das "leidende kroatische Volk" erbitten.

Den Hauptgrund für das mangelnde Wissen der nominell katholischen kroatischen Bevölkerung über die eigene Religion sieht die Führung der "Kirche bei den Kroaten", wie sich die katholische Ortskirche in Kroatien gerne selbst bezeichnet, freilich in der langjährigen kommunistischen Herrschaft sowie im "verhängnisvollen" Einfluss der kirchenkritischen Medien, die ein Erbe des "Jugo-Kommunismus" seien.

Auch wenn die katholische Kirche in den Medien sehr stark präsent ist, kann sie kritische Berichterstattung nicht verhindern. Kirchenkritische Beiträge erscheinen in den meisten Printmedien des Landes, lediglich die eindeutig rechts bis extrem rechts orientierten Blätter, wie etwa die Wochenschriften Fokus, Hrvatsko slovo, oder Hrvatski list sind betont kirchenfreundlich, denn sie sehen die "kroatische" katholische Kirche in erster Line als eine nationale und politische Institution und daher als ihren "natürlichen Verbündeten".

Die enge Bindung an die Nation, ihre weit gehende Identifizierung mit den rechten politischen Kräften und der daraus resultierende Verlust der moralischen Autorität im engeren Sinne sind die Hauptprobleme der katholischen Kirche in Kroatien.

Zur Zeit des Kommunismus galt die katholische Kirche als exklusive Verteidigerin kroatischer Nationalinteressen. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde sie von dieser Rolle durch die nationalistische hdz verdrängt. In dieser Situation blieb der Kirche nichts anderes übrig, als sich mit den neuen Machthabern weit gehend zu identifizieren, umso mehr, als diese um die Gunst der Kirche buhlten und sie zu einer moralischen Instanz in der Gesellschaft und zu einer nationalen Institution erklärten.

Militante Rhetorik

Nach der Ablöse der hdz durch die Mitte-Links-Koalition im Jänner 2000 sprach die Kirche von einer neuerlichen "kommunistischen Bedrohung", die sie zugleich als eine Bedrohung der "kroatischen Nationalinteressen" und des kroatischen Staates wertete. Die Kirchenführung sah sich selbst wieder als Verteidigerin der kroatischen Nationalinteressen und des kroatischen Staates, konnte jedoch nicht mehr diese Rolle für sich exklusiv in Anspruch nehmen, sondern musste sie mit der wieder erstarkten hdz und den anderen "natürlichen Verbündeten" auf der rechten Seite des politischen Spektrums teilen. So verwundert es nicht, dass die katholische Kirche zur wichtigsten Wahlhelferin der hdz vor den Parlamentswahlen im November 2003 wurde, bei denen bekanntlich die ehemalige Tudjman-Partei wieder an die Macht kam, wurde, und dass dieses "natürliche Bündnis" bis heute besteht.

Auch die Rhetorik der Bischöfe war eine militante, vergleichbar oder oft sogar identisch mit jener der nationalistischen Parteien. In den offiziellen Erklärungen der Bischofskonferenz oder der einzelnen Bischöfe war im Zusammenhang mit dem Krieg 1991-95 immer wieder von der "Würde des Vaterländischen Krieges" (dostojanstvo Domovinskog rata), und vom "gerechten", "aufgezwungenen" Verteidigungskrieg die Rede. Es wurde eine Pseudo-Theologie des kollektiven Opfers des ganzen kroatischen Volkes konstruiert und von der Kanzel verkündigt.

In diesem Zusammenhang wurden wegen Kriegsverbrechen angeklagte kroatische Militärs zu Nationalhelden und Märtyrern hochstilisiert und die internationale Gemeinschaft, vor allem aber das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, einer antikroatischen Kampagne und einer Gleichsetzung von Tätern und Opfern bezichtigt. Besonders hervorgetan als Verteidiger der angeklagten kroatischen Generäle hat sich der Militärbischof Juraj Jezerinac, der alle Kriegsverbrechen der kroatischen Militärs in Abrede stellte oder sie bestenfalls als eine Möglichkeit zuließ oder als "vereinzelte Überschreitungen des legitimen Rechts auf Verteidigung" bezeichnete.

Ins gleiche Horn stößt auch das die erwähnte kirchennahe Wochenzeitung Glas Koncila (Stimme des Konzils), die längst die Linie des Zweiten Vatikanums verlassen und sich zu einem politischen, rechtsnationalistischen Blatt gewandelt hatte. Chefredakteur Ivan Miklenic beschwört immer wieder die Gefahr der "Rückkehr des kommunistischen Gespenstes" und des Untergangs des kroatischen Staates herauf und macht die Verteidigung der "kroatischen Nationalinteressen" zum Hauptthema seiner (politischen) Kommentare. Als Hauptfeindbilder des Glas koncila galten nationalismus- und kirchenkritische Medien, allen voran die satirische Wochenschrift Feral Tribune, die sich selbst im Impressum ironisch als "Wochenschrift kroatischer Anarchisten, Protestanten und Häretiker" nennt und dementsprechend die katholische Kirche regelmäßig heftig attackiert.

Religiöse Reconquista?

Feral Tribune brachte am 16. April 2004 unter dem Titel "Der Kirchenstaat - Der katholische Fundamentalismus in Kroatien" eine Stellungnahme des kroatischen Soziologen Srdan Vrcan zum gegenwärtigen Verhältnis zwischen Kirche, Nation und Staat und zu den politischen Ambitionen der katholischen Kirche in Kroatien. In Anlehnung an den amerikanischen Religionssoziologen Peter Berger spricht Vrcan vom Versuch der "religiösen Reconquista" der modernen Gesellschaft (der Rückeroberung traditioneller Machtpositionen in der Gesellschaft) durch eine Religionsgemeinschaft. Diese religiöse Reconquista könne nur in autoritärer Art und Weise, durch das Stützen auf die politische Macht, verwirklicht werden.

Im Fall Kroatiens geschehe dies oft auf der Grundlage der "Nationalisierung des Heiligen" und der "Sakralisierung des Nationalen". Im Hintergrund sieht Vrcan den "Austauch religiöser und politischer Güter und Dienstleistungen" zwischen den Vertretern der Politik und einer nach Dominanz strebenden katholischen Kirche. Die Religion werde durch die Politik legitimiert, dafür genießt die Religion maximale Privilegien in der Gesellschaft - meint Vrcan.

Unabhängig davon, ob diese Analyse zutreffend und der Vorwurf des nationalistisch-religiösen Fundamentalismus an die Adresse der katholischen Kirchenführung berechtigt ist, steht fest, dass sich die Vertreter der eu, der usa und des Vatikans - oder zumindest einige vatikanische Kreise - trotz des Frohlockens von Nuntius Lozano über den "katholischsten Staat Europa", Sorgen über die Entwicklung der katholischen Kirche in Kroatien machen.

Bremste Rom Nationalisten?

Die Zagreber Wochenschrift Globus berichtete, dass der Vatikan im Oktober 2002 bei der Herbstversammlung der kroatischen Bischofskonferenz direkt in die Wahl des Vorsitzenden eingegriffen habe. Der Zagreber Erzbischof, Kardinal Josip Bozanic sollte durch den Erzbischof von Split Marin Barisic, einen Exponenten des nationalistischen, antieuropäischen Flügels ersetzt werden.

Im Vorfeld der Herbstversammlung soll sich sich eine Mehrheit für die Ablöse Bozanics abgezeichnet haben. Treibende Kräfte dieser geplanten Ablöse waren laut Globus der Bischof von Gospic und Senj, Mirko Bogovic, Militärbischof Juraj Jezerinac, die sich wie erwähnt besonders stark als Anwälte der angeklagten kroatischen Generäle und als Vertreter der "Theologie des kollektiven (nationalen) Opfers" exponiert hatten, weiters der für ökumenische Fragen zuständige Bischof von Pozega in Slawonien, Antun Skvorcevic sowie die so genannte "dalmatinische Fraktion" (die Bischöfe von Split, Hvar, Sibenik und Dubrovnik).

Die "nationalistische Fraktion" hatte schon längst Einwände gegen die "nationale Farblosigkeit" des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, der in seinen ersten Rundschreiben nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Zagreb im Juli 1997 das Wort "kroatisch" kein einziges Mal verwendet und die hdz-Regierung unter Tudjman wegen der "sündigen Strukturen" im Staat zumindest indirekt gemahnt hatte. Diese "a-nationale" Haltung konnten ihm die "patriotische Fraktion" offensichtlich nicht verzeihen.

Nur durch eine kompromisslose Intervention Vatikans, so der Verfasser des Globus-Beitrags Mladen Plese, wurde die Ablöse Bozanic verhindert. Die Abstimmung überwachte der damalige Apostolische Nuntius in Kroatien, Giulio Einaudi, der gemeinsam mit dem doch wieder gewählten Vorsitzenden Bozanic eine extrem harte, nationalistisch-fundamentalistische Erklärung der Bischöfe verhindert habe, in der die damalige Mitte-Links-Regierung Racan sowie die internationale Gemeinschaft wegen ihrer "antikroatischen Politik" scharf verurteilt werden sollten. Als ein Entgegenkommen Einaudis und Bozanic den "nationalistischen Hardlinern" wurde der Umstand gewertet, dass in der Bischofserklärung eine Verurteilung der internationalen und nationalen Gerichte, die nach der Meinung der Bischöfe "das Opfer mit dem Aggressor" gleichsetzten, beibehalten wurde, womit sich Bischöfe direkt in die Angelegenheiten der Justiz einmischten, was im heutigen Europa beispiellos ist.

Nationale Opfertheologie

Damit brachte der Vatikan die kroatische Bischofskonferenz auf die "europäische Linie", die von dieser bis heute zur Schau getragen wird, zuletzt beim Mitteleuropäischen Katholikentag im Mai dieses Jahres in Österreich. Dies entspricht jedoch keineswegs der Gesinnung der Mehrheit der kroatischen Bischöfe, die dem modernen Europa und seinen Werte zutiefst misstrauen.

Diese Mehrheit predigt auch weiterhin die "Theologie des kollektiven (nationalen) Opfers" und verteidigt die "Würde des Vaterländischen Krieges". Sie beweint nur kroatische Opfer und leugnet oder ignoriert die serbischen, trotz des mehrfachen Aufrufs des Papstes zur Versöhnung zwischen den beiden Völkern und Staaten.

In diesem Klima der national-konfessionellen Ausschließlichkeit können natürlich keine ökumenischen Kontakte zur serbisch-orthodoxen Kirche gepflegt werden, nicht zuletzt deswegen, weil auch die "Gegenseite" eine ähnlich starre Haltung einnimmt. Die kroatische Bischofskonferenz erweckt zwar auf ihrer Homepage den Eindruck, um ökumenische Kontakte bemüht zu sein, indem sie eine Rubrik mit dem Titel "Friedenstiftende und ökumenische Bemühungen der Kirchenoberen während des Vaterländischen Krieges" führt, der Titel selbst deutet aber schon an, dass man der "Gegenseite" die Schuld fürs Nicht- Zustandekommen der Gespräche gibt.

Kirchliche Gegenkräfte

Es gibt im kroatischen Klerus selbstverständlich auch solche Kräfte, die gegen den Strom schwimmen und auf die genannten Missstände und Fehlentwicklungen in der Kirche aufmerksam machen. Hier sind vor allem der Theologe und Soziologe Ivan GrubiÇsi´c aus Split, der sich mit der Rolle der Religion in der kroatischen Tradition und in der Gegenwart kritisch auseinander setzt, und Branko Sbutega, ein Priester und Intellektueller aus Montenegro, der wiederholt den Nationalismus seiner Mitbrüder in Kroatien scharf kritisiert und einer antieuropäischen Stimmung in Kirche und Gesellschaft gegensteuert.

Diese beiden Vertreter der antinationalistischen, kritischen Richtung und andere Gleichgesinnte in der katholischen Kirche bekommen zwar relativ viel Publizität in den "profanen" Medien des Landes, werden aber innerhalb der Kirche marginalisiert und wegen ihrer "unpatriotischen" Haltung angefeindet. Sie gelten als Verbündete jener Nationalismus- und Kirchenkritiker, denen Glas Koncila und die Exponenten der "nationalistischen Fraktion" in der Führung der katholischen Kirche vorwerfen, "alles, was katholisch und kroatisch ist", zu hassen.

Die Zukunftsperspektive der katholischen Kirche in Kroatien und ihre Rolle in der kroatischen Gesellschaft stimmt aufgrund der geschilderten Entwicklung - zumindest mittelfristig - wenig optimistisch. Solange die Kirchenführung nicht bereit ist, die Nationalfahne aus der Hand zu geben, sich auf ihren Charakter als katholische - das heißt allgemeine, übernationale - Kirche zu besinnen, wird sie keine echte moralische Autorität in der Gesellschaft darstellen. Eine solche "national-katholische" Kirche, die sich dem vergangenen, "christlichen" Europa, bestenfalls jenem des 19. Jahrhunderts zugehörig fühlt und dementsprechend agiert, wird im modernen, pluralistischen Europa, wenn Kroatien einmal in die eu aufgenommen wird, keine Heimat finden.

Der Autor, Dr. phil., Mag. theol., ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien. (Forschungsschwerpunkt: Nation-Religion-Konfession in Ostmittel- u. Südosteuropa im 19. und 20. Jhdt.)

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