Kein "Anti-Katholikentag“

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45.000 kamen, viel weniger als zu den traditionellen Katholikentagen in Deutschland. Aber der nationale Eucharistischer Kongress in Köln wird zum großen Glaubensfest.estio. Nam sum vellicium lit fugiatus.

Bei strahlendem Sonnenschein sitzen Hunderte Menschen an langen, weiß gedeckten Tischen vor der gewaltigen Kulisse des Kölner Doms und teilen miteinander Brot, Salz, Öl und Wasser. Gleich um die Ecke von dieser Brottafel "Geteilte Freude“ stehen Tausende für die Lichtinstallation "Lux eucharistica“ im Dom an, bei der die riesige Kathedrale auf ungewöhnliche Weise mit Licht und Musik geflutet wird: Bilder, die das Ereignis "Eucharistischer Kongress“ wie in einem Brennglas zusammenfassen.

Mit dieser Idee hatte der Kölner Kardinal Joachim Meisner seine deutschen Bischofskollegen im vorigen Jahr überrascht: Zum Abschluss seiner Amtszeit sollte es in der Domstadt am Rhein einen nationalen Eucharistischen Kongress geben. Schon bald spöttelten Kritiker, dieses Christentreffen werde vor allem eine große Abschiedsparty für Meisner werden. Und auch bei vielen Oberhirten war im Vorfeld des Kongresses einige Skepsis spürbar. Würde dieser auf genügend Resonanz stoßen und gut enden - eine Veranstaltung ohne große Diskussionen zu gesellschaftspolitischen und kirchlichen Reform-Themen, ohne bekannte Politiker und dafür mit einem klaren Akzent auf Besinnung und Einkehr? Eine Art "Anti-Katholikentag“ also?

Die Dynamik eines Glaubensfestes

Etwas von der Dynamik und Strahlkraft des Glaubensfestes, der unter dem Motto "Herr, zu wem wollen wir gehen?“ steht, ist gleich am ersten "richtigen“ Kongress-Tag zu spüren: 6300 Schüler beleben die Domstadt am "Schülertag“ und tragen einen Hauch von Weltjugendtag ins "heilige Köln“. Doch was auf den ersten Blick so spontan wirkt, ist in Wirklichkeit organisiert: Die neunten Jahrgangsstufen von bischöflichen Schulen sind zum Kongress "abgeordnet“ worden. Schon hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Katechesen in den großartigen romanischen Innenstadtkirchen ausfallen, die täglich von Bischöfen (warum eigentlich nicht auch von Theologen oder Laien, selbstverständlich auch von Frauen aus dem Kirchenvolk?) gehalten werden. Der Münsteraner Weihbischof Wilfried Theising überlässt in der Kirche St. Ursula den theologischen Part zwei Schulseelsorgern und stellt sich dafür den Fragen der Schüler. Dabei wird schnell deutlich, dass da vor allem die sattsam bekannten "heißen Eisen“ - die Rolle der Frau in der Kirche, der Zölibat und die Haltung der Kirche zur Homosexualität - unter den Nägeln brennen. Theising geht mit Charme und Geschick auf die Schüler-Fragen ein, ohne die offizielle Linie der Kirche zu verlassen.

Verständlich und unverständlich

Im Kölner Dom feiert der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode eine Vesper mit etwa 4000 Jugendlichen und gesteht spontan: "Das war mein Traum, dass so viele von euch hier zusammenkommen. Das zeigt: Die Kirche besteht aus lebendigen Steinen.“ Doch so viel Lebendigkeit hat auch ihren Preis: Der Geräuschpegel im Dom ist durchgehend hoch; vergeblich versuchen die Veranstalter, den vielen jungen Leuten ein paar Minuten Stille zu "verordnen“ oder sie zum Mitsingen zu bewegen. Und auch das fällt auf: So stark wie der Evangelische Kirchentag vor sechs oder erst recht der Weltjugendtag vor acht Jahren prägt der Eucharistische Kongress das Kölner Straßenbild nicht.

Tags darauf unternimmt Theisings "Chef“ Felix Genn, der Bischof von Münster, in der Kirche Groß St. Martin den Versuch, den Sinn und Hintergrund des Kongresses und seines Leitwortes zu erklären, und spricht in einer fast mystischen und geistlich tiefen Weise von der Eucharistie - persönlich glaubwürdig, aber in einer schwer verständlichen Binnen-Sprache, die in diesem Kreis allerdings gut ankommt. Ganz anders sieht die Katechese tags darauf in der nahe am Hauptbahnhof gelegenen Kirche St. Andreas aus. Hier gelingt es dem Trierer Bischof Stephan Ackermann auf anschaulich-konkrete Weise, das Anliegen des Kongresses auf den Punkt zu bringen: Die eigentliche Herausforderung für die Gläubigen bestehe darin, das Leben als Gabe zu verstehen, die sie weitergeben sollen.

Immer wieder kommt in diesen Tagen genau dieser Aspekt zur Sprache, nämlich was die Eucharistie mit dem Leben und dem praktischen Handeln zu tun hat. Bei einem Podium zum Thema "Abendmahl und Fußwaschung“ im Rahmen des Jugendfestivals fordert der Kölner "Ghetto-Priester“ Franz Meurer engagiert: "Wir müssen das Brot wirklich verteilen. Eucharistie bedeutet, dass wir uns verwandeln.“ Karitatives Handeln ergebe sich aus der Liturgie von selbst, und insofern sei die Eucharistie hochpolitisch. "Abendmahl und Fußwaschung sind dasselbe: Gott beschenkt uns“, steigert der "Don Camillo“ von Köln sich in breitem rheinischem Dialekt regelrecht in eine Emphase hinein. Nebenan, in einem stickigen, überfüllten Raum setzen junge Leute sich mit dem Geheimnis der Eucharistie auseinander und bringen in einer Runde mit dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck ihre Fragen und Zweifel zur Sprache. "Eucharistische Anbetung - also damit kann ich ehrlich gesagt gar nichts anfangen“, bekennt Natalie Kamps von der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (Neuss). "Da bete ich doch viel lieber vor einem Kreuz. Das sagt mir viel mehr.“

Die eucharistische Anbetung langweilig und schwierig? Das sehen viele Teilnehmer des Kongresses offenbar ganz anders. Die Barockkirche "St. Mariä Himmelfahrt“ in der Nähe des Hauptbahnhofs, in der rund um die Uhr "Stille Ewige Anbetung“ angeboten wird, ist fast ständig gut gefüllt. Auch in anderen Innenstadtkirchen wird die eucharistische Anbetung gut angenommen. Schwach besucht sind dagegen die Stände der deutschen Bistümer auf dem Neumarkt, ein ganzes Stück vom Zentrum des Geschehens rund um den Dom entfernt. Mehr Zulauf haben dagegen konservative und charismatische Gruppierungen wie die "Legionäre Christi“ oder "Totus tuus“, die vor der Minoritenkirche für sich werben.

Skeptiker umgewandelt

Im Laufe der Tage wird immer klarer: Dieser Kongress hat eine ganz andere Akzentsetzung als ein Katholikentag, aber ähnlich wie dieser erschöpft er sich nicht in Gottesdiensten und geistlichen Veranstaltungen, sondern bietet mit seinen über 800 Veranstaltungen auch manch anregende Diskussion und ein vielfältiges Kulturprogramm, bei dem die Kölner Kultbands "Höhner“ und die "Bläck Fööss“ nicht fehlen dürfen. Am Ende ist der Eucharistische Kongress, wie von Anfang an erwartet, keine Massenveranstaltung geworden. Doch die meisten Skeptiker und Zweifler sowohl unter den "normalen Gläubigen“ als auch unter den Beobachtern und Bischöfen selbst wirken letztlich wie umgewandelt.

Nur die Reformbewegung "Wir sind Kirche“ merkt kritisch an, die aktuellen Probleme der Kirche könnten nicht mit den Rezepten des 19. Jahrhunderts gelöst werden. Doch das war auch nicht das Ziel dieses Kongresses. Stattdessen hat er die Chance genutzt, den Kernkatholiken (immerhin werden insgesamt etwa 45.000 Tages- und Dauerteilnehmer gezählt) Glaubensvertiefung und Glaubensaustausch zu bieten.

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