Kein Antisemitismus unter anderen Vorzeichen

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Der Begriff der Islamophobie kam von Großbritannien aus in den Diskurs. Insbesondere der Bericht des Runnymede Trust über die dortige Islamophobie wurde 1997 für die weitere Auseinandersetzung zum Thema konstitutiv. Dass im eben erschienenen Sammelband „Islamophobie“ in Österreich“, der von den Wiener Politikwissenschaftern John Bunzl (Österreichisches Institut für Internationale Politik) und Farid Hafez (Universität Wien, Interview oben) herausgegeben wurde, der Beitrag des britischen Islam(ophobie)-Experten Chris Allen am Anfang steht, ist daher kein Zufall.

Allen versucht den Begriff „Islamophobie“ zu verorten und die Entwicklung der Diskussion in den letzten 10 Jahren nachzuzeichnen. Immerhin hat sich das Verhältnis der nichtmuslimischen Europäer zu den Muslimen nach 9/11 einschneidend verändert. Der in Illinois lehrende Anthropologe Matti Bunzl geht im Buch dem Zueinander der Phänomene Antisemitismus und Islamophobie nach; er kommt zum Schluss, dass die Islamophobie nicht als Antisemitismus unter anderen Vorzeichen, aber doch auf einem gemeinsamem Humus wachsend zu sehen ist.

Islamophober Diskurs nicht nur in Politik

Ungewöhnlich und angreifbar ist Matti Bunzls Einschätzung, dass der klassische Antisemitismus in Österreich keine tragfähige politische Basis mehr habe: Es gebe keine Debatte mehr über die Legitimität der Juden in Europa; dagegen sei das bei den Muslimen anders. Antisemitismus und Islamophobie seien also keineswegs vergleichbare Phänomene; aber die Islamophobie sei in Europa das dringlichere Problem.

Der Band versammelt wissenschaftliche Beiträge einer Reihe von Autoren. Die evangelische Theologin Susanne Heine beleuchtet ihre Studie über das Islambild in Österreichs Schulbüchern aus den 90er Jahren, ihre Mitarbeiterin Marianne Pratl stellt ein Update 15 Jahre später vor: Trotz positiver Veränderungen kommen da beim Thema Islam immer noch viele Klischees zum Vorschein.

Der Wiener Religionsrechtler Richard Potz analysiert gemeinsam mit Farid Hafez die Moscheebauverbote in Kärnten und Vorarlberg. Hafez setzt sich auch mit dem islamophoben Diskurs in der Politik auseinander – den er aber er nicht nur bei der FPÖ, sondern auch bei den Grünen aufzeigt. Medienkritisches gibt es zur Islamophobie in Tageszeitungen und zur Darstellung des Karikaturenstreits in den Printmedien. Der Wiener Islamwissenschafter Rüdiger Lohlker steuert die Anlayse des islamfeindlichen Blogs „Karl Martell“ sowie eine vernichtende Rezension des vor Jahresfrist erschienenen „Handbuch des politischen Islam“ bei (vgl. dazu auch FURCHE 37/2008).

Überraschend das vorsichtige Eintreten der Religionsrechtlerin Brigitte Schinkele für das Recht der Gesichtsverschleierung auch im Gerichtssaal (in Erinnerung an den Fall Mona S.). Schließlich liefert Standard-Redakteurin Gudrun Harrer für dieses wichtige – erste – Buch zur Islamfeindlichkeit hierzulande eigene Reminiszenzen ans Kinderbuch „Hatschi Bratschis Luftballon“, das jede Menge einschlägige Stereotype bereithält.

Islamophobie in Österreich

Hg. John Bunzl, Farid Hafez:

Studienverlag, Innsbruck 2009.

224 Seiten, brosch. e 24,90

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