„Kein Bischof gegen Volkes Willen“

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Das Ernennungsrecht für Bischöfe ist heute ein Reservatrecht des Papstes. Doch das war nicht immer so. Gleichzeitig muss der Papst auch heute noch viele Ausnahmen bedenken.

Der Satz „Nullus invitis detur episcopus – Kein Bischof gegen den Willen des Volkes“ geht auf eine ganz alte Quelle des Kirchenrechts (5. Jh.) zurück, ist also (abgesehen von der lateinischen Sprache) keineswegs erst in den Turbulenzen der vergangenen Wochen entstanden.

Föderalismus versus Zentralismus

Ursprünglich wurden die Bischöfe von Klerus und Volk gewählt, wobei sich das Wahlrecht allmählich auf den Klerus konzentrierte, während dem Volk ein Zustimmungs-(Akklamations-)recht verblieb. Die Bestellung von Diözesan- und sogenannten Weihbischöfen (Auxiliarbischöfen) wurde mehr und mehr zugunsten der päpstlichen Gewalt zentralisiert, wobei ein letzter entscheidender „Schub“ in diese Richtung erst durch das kirchliche Gesetzbuch (Codex iuris canonici) von 1917 vorgenommen wurde. Vor diesem Zeitpunkt sind u. a. zu erwähnen die Wahlrechte der Domkapitel und das Nominationsrecht einiger Staatsoberhäupter, so des römisch-deutschen bzw. österreichischen Kaisers für Bischofssitze der Monarchie.

Reste dieser Entwicklung gibt es heute nur mehr aufgrund partikularen Rechts (Konkordate) zugunsten des Wahlrechts der Domkapitel von Basel und St. Gallen (Schweiz) und (kurioserweise) das Nominationsrecht des französischen Staatspräsidenten für die Diözesen Metz und Strassburg. Der Papst hat in beiden Fällen das Recht der Bestätigung des Gewählten bzw. Nominierten.

Das Listenverfahren

Das freie Ernennungsrecht für Bischöfe ist heute grundsätzlich ein Reservatrecht des Papstes. Freilich bedarf es dazu nicht nur Römischer Zentralbehörden, sondern auch eines Informationssystems, das geeignet erscheinende Kandidaten aussucht und dem Papst vorschlägt. Es handelt sich dabei u. a. um das sogenannte absolute bzw. relative Listenverfahren. Absolutes Listenverfahren bedeutet, dass, auch wenn zurzeit kein neuer Diözesanbischof zu bestellen ist, die Bischöfe einer Kirchenprovinz oder die gesamte Bischofskonferenz wenigstens alle drei Jahre dem Hl. Stuhl eine Liste von für das Bischofsamt besonders geeigneten Kandidaten vorzulegen haben.

Relatives Listenverfahren besteht in Österreich aufgrund des Konkordates (1933/34, Art. IV § 1). Demnach haben die einzelnen österreichischen Bischöfe bei Vakanz eines Bischofssitzes innerhalb eines Monats eine Liste von geeigneten Kandidaten dem Hl. Stuhl vorzulegen, ohne dass dieser an die Listen gebunden ist. Wenn es um die Besetzung des erzbischöflichen Stuhles von Salzburg geht, legt der Hl. Stuhl dem dortigen Domkapitel eine Liste von drei Kandidaten vor, aus denen es in freier, geheimer Abstimmung den Erzbischof zu wählen hat. Eine solche Bestimmung ist aufgrund bundesdeutschen Konkordatsrechts auch für bestimmte Bischofssitze in Deutschland vorgesehen (z. B. Köln). Freilich hat sich in jüngerer Zeit mehrmals gezeigt, dass die vorgelegte Liste eigentlich nur einen einzigen wirklich wählbaren Kandidaten enthielt, der offensichtlich der römische Wunschkandidat war. Einer Bitte des Salzburger Domkapitels bei der vorletzten Wahl eines Erzbischofs, der Heilige Stuhl möge eine „ausgewogenere“ Liste vorlegen, wurde nicht entsprochen.

Bei diesen Verfahrensformen ist keinerlei Mitwirkung ortskirchlicher Gremien (Priester wie Laien) vorgesehen. Geradezu ängstlich wird vermieden, auch nur den Anschein irgendeiner Form von kollegialer Befragung und Beschlussfassung von Vertretern der betroffenen Diözese zu erwecken. Der Nuntius hat bei der Bestellung eines Diözesanbischofs oder eines Bischofskoadjutors (dieser hat das Nachfolgerecht bei Sedisvakanz des Bischofssitzes) die Pflicht, dem Hl. Stuhl einen Dreiervorschlag von Kandidaten vorzulegen. Diesem Vorschlag müssen die Meinungen des Metropoliten und der Suffraganbischöfe sowie des Vorsitzenden der Bischofskonferenz beigefügt werden (c. 377 § 3). Der Dreiervorschlag ist für den Hl. Stuhl rechtlich nicht verbindlich.

Bestellung eines Weihbischofs

Bei der Bestellung eines Auxiliarbischofs (Weihbischofs) hat der Diözesanbischof ein ausschließliches Vorschlagsrecht. Dass dem eine entsprechende Beratung vorausgeht, ergibt sich aus der Natur der Sache; es kommt aber niemandem das Recht zu, am Dreiervorschlag (es könnten auch mehr als drei Kandidaten benannt werden) mitzuwirken.

Auch diese Bitte um einen Weihbischof und die vom Diözesanbischof eingereichte Liste haben keine rechtliche Verbindlichkeit für den Hl. Stuhl. Der Papst kann eine Ernennung ohne Rücksichtnahme auf den Vorschlag des Bischofs vornehmen. Sofern dies aber ohne vorherigen Kontakt mit dem Diözesanbischof und dem Metropoliten geschieht (brüderliches Gespräch), liegt zwar keine Rechtsverletzung, wohl aber ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor, der dem Prinzip der Kollegialität des Papstes mit den Bischöfen diametral widerspricht. – Die Bischöfe selbst müssten sich allerdings generell kritisch mit der Frage beschäftigen, ob sie überhaupt einen Weihbischof brauchen. Denn derjenige, der mit dem Bischof einen Großteil der Verantwortung in der Diözese trägt, nämlich der Generalvikar als „alter ego Episcopi“ (anderes Ich des Bischofs), besitzt in der Regel keine Bischofsweihe und benötigt sie auch nicht.

Der Autor ist em. Ordinarius für Kirchenrecht an der Kath.-Theol. Fakultät Wien

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