[...] 6. Wer durch die Ausführung von Terroranschlägen tötet, hegt Gefühle der Verachtung für die Menschheit und manifestiert Hoffnungslosigkeit gegenüber dem Leben und der Zukunft: Alles kann aus dieser Sicht gehasst und zerstört werden. [...] Bisweilen ist der Terrorismus das Kind eines fanatischen Fundamentalismus, der aus der Überzeugung entsteht, allen die Annahme der eigenen Sichtweise der Wahrheit auferlegen zu können. Die Wahrheit kann jedoch auch dann, wenn sie erlangt wird - und das geschieht immer auf eine begrenzte und vervollkommnungsfähige Weise -, niemals aufgezwungen werden. Die Achtung vor dem Gewissen des anderen, in dem sich das Abbild Gottes selbst widerspiegelt (vgl. Gen 1, 26-27), gestattet nur, die Wahrheit dem anderen vorzulegen; an ihm liegt es dann, sie verantwortungsvoll anzunehmen. Die Anmaßung, das, was man selbst für die Wahrheit hält, anderen gewaltsam aufzuzwingen, bedeutet, dass dadurch die Würde des Menschen verletzt und schließlich Gott, dessen Abbild er ist, beleidigt wird. [...]
7. [...] Die terroristische Gewalt steht im Gegensatz zum Glauben an Gott, den Schöpfer des Menschen, an Gott, der sich um den Menschen kümmert und ihn liebt. Insbesondere steht er völlig im Gegensatz zum Glauben an Christus den Herrn, der seine Jünger zu beten gelehrt hat: "Erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben" (Mt 6, 12) [...]
8. Was aber bedeutet das Vergeben konkret? Und warum müssen wir vergeben? [...] Nur in dem Maße, in dem sich eine Ethik und eine Kultur des Vergebens herausbildet, kann man eine "Politik der Versöhnung" erhoffen, die ihren Niederschlag in sozialen Verhaltensweisen und rechtsstaatlichen Einrichtungen findet, in denen die Gerechtigkeit selbst ein menschliches Antlitz annimmt. [...]
12. Eine besondere Verantwortung bei dieser groß angelegten Bemühung tragen die religiösen Führer. Die christlichen Konfessionen und die großen Religionen der Menschheit müssen zusammenarbeiten, um die sozialen und kulturellen Ursachen des Terrorismus zu beseitigen [...] Es handelt sich um einen klar bestimmten Bereich des Dialogs und der ökumenischen und interreligiösen Zusammenarbeit, um einen dringend erforderlichen Dienst der Religionen am Frieden zwischen den Völkern. - Im Besonderen bin ich davon überzeugt, dass die religiösen Führer der Juden, der Christen und der Muslime durch die öffentliche Verurteilung des Terrorismus die Initiative ergreifen sollen, indem sie denjenigen, die sich an ihm beteiligen, jede Form religiöser oder moralischer Legitimation verweigern. [...]
14. Aus eben diesem Grund ist das Gebet für den Frieden nicht ein Element, das dem Einsatz für den Frieden "nachfolgt". Im Gegenteil, es liegt dem Bemühen um die Herstellung des Friedens in Ordnung, Gerechtigkeit und Freiheit am Herzen. Beten für den Frieden heißt, das menschliche Herz dem Eindringen der erneuernden Kraft Gottes öffnen. [...] Aus all diesen Gründen habe ich die Vertreter der Weltreligionen am kommenden 24. Januar nach Assisi eingeladen, um in der Stadt des heiligen Franziskus für den Frieden zu beten. [...]
15. Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung: Das will ich in dieser Botschaft Glaubenden und Nichtglaubenden, den Männern und Frauen guten Willens verkünden, denen das Wohl der Menschheitsfamilie und ihre Zukunft am Herzen liegt. - Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung: Daran will ich alle erinnern, die das Geschick der menschlichen Gemeinschaften in Händen haben, damit sie sich in ihren schweren und schwierigen Entscheidungen immer vom Licht des wahren Wohls des Menschen im Hinblick auf das Gemeinwohl leiten lassen. - Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung: Ich werde nicht müde, diese Mahnung an alle zu wiederholen, die aus dem einen oder anderen Grund Hass, Rachsucht und Zerstörungswut in sich hegen. [...]
Volltext der Papstbotschaft im Internet: www.vatican.va/ holy_father/john_paul_ii/ messages/peace/ documents/hf_jp-ii_mes_ 20011211_xxxv-world-day-for-peace_ge.html
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