Kein Frühling in der slowakischen Kirche

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Ján Orosch ist zum neuen Erzbischof in Trnava ernannt worden, doch die Causa seines abgesetzten Vorgängers Róbert Bezák ist damit längst nicht beendet.

Ciao, Roberto“ titelte ein Pressburger Blatt nach Róbert Bezáks Auftritt beim Festival "Pohoda“ am 13. Juli. Nach all dem Geschehenen sehe er seine Zukunft nicht mehr in seiner slowakischen Heimat, bloß in Europa möchte er bleiben, so der Redemptorist vor rund 2000 Zuhörerinnen und Zuhörern im "Europa-Café“ auf dem Flugplatz von Trencˇín. Bevor er sich zu konkreten Angeboten äußere, müsse aber geklärt werden, wer er nun eigentlich sei: nach wie vor Erzbischof oder ein einfacher Ordensmann? Ein Dekret über den Entzug der Erzdiözese Trnava sei ihm bis heute nicht zugestellt und die Gründe für seine Abberufung seien bis heute nicht auf den Tisch gelegt worden.

Diesbezüglich hat freilich der Prager Erzbischof Kardinal Dominik Duka aufhorchen lassen: So viel könne gesagt werden, dass Bezáks Absetzung "nicht wegen eines moralischen Versagens“ erfolgt sei, und Papst Benedikt XVI. habe in seinem Brief an die slowakischen Bischöfe vor einem Jahr selber angedeutet, dass es sich hier um eine interne Angelegenheit der Bischofskonferenz handle.

Slowakische Rivalitäten

Auch Róbert Bezák wurde bei seinem Schwanengesang deutlicher denn je zuvor. Vielleicht habe sich "schon jemand auf diesen Posten gefreut“, und als ihm dann der erst 49-jährige Bezák vorgezogen wurde, sei ihm klargeworden, dass er bei dessen Emeritierung mit 75 Jahren es "wohl nicht erleben werde, ihn noch zu beerben“. Einen Namen nannte Bezák nicht, aber wen sonst sollte er gemeint haben als seinen nunmehrigen Nachfolger, den sieben Jahre älteren Ján Orosch? Mit dessen Ernennung am 2. Juli, genau ein Jahr nach der eigenen Abberufung, habe sich für ihn "ein Kreis geschlossen“: Er sei sich bewusst jetzt endgültig "zur Seite geschoben“ zu sein.

Die Ernennung Oroschs zum Erzbischof von Trnava hat in dreifacher Hinsicht überrascht. Erstens war von vielen angenommen worden, es werde zuerst die Causa Bezák abgehakt und erst dann die Nachfolgefrage gelöst werden. Zweitens hatten viele Anhänger Bezáks wider alle Einsicht noch immer auf eine Rückkehr ihres Idols in sein Amt gehofft; ihre Hoffnungen auf den neuen Papst erfüllten sich nicht, denn Präfekt der Bischofskongregation ist noch immer Kardinal Marc Ouellet, der Bezák vor Jahresfrist erniedrigende Fragen gestellt hatte. Und drittens hatten Anhänger wie auch Widersacher kaum mit Orosch gerechnet; noch am 11. Juli, als dieser das Geheimnis seiner Ernennung lüftete, schrieben Zeitungen, der aussichtsreichste Kandidat sei Pressburgs Weihbischof Jozef Hal’ko.

Doch in dem einen Jahr, in dem die Erzdiözese Trnava verwaist war, hatte Orosch als Administrator alles getan, die Spuren seines bisherigen Chefs zu verwischen. Markant war dabei die sofortige Schließung des von Róbert Bezák eingerichteten Restaurants im Bischofshof und die Marginalisierung der von Bezák aus Österreich übernommenen "Nacht der Kirchen“. Während sich zeitlich befristete Diözesanadministratoren durchgreifender Entscheidungen üblicherweise enthalten, schöpfte Orosch seinen Rahmen voll aus.

Das Tüpferl auf dem i war die Ab- und Versetzung von Bezák ernannter Dechanten wenige Tage vor der Ernennung zum Erzbischof. Sie hatten Ján Orosch aus Solidarität mit Róbert Bezák gleich nach dessen Abberufung die Zurücklegung ihrer Funktion angeboten und jetzt machte Orosch davon eben Gebrauch. Prominentestes Opfer war der Tyrnauer Stadtpfarrer, der in der Nikolaus-Basilika auch heuer erfolgreich die "Nacht der Kirchen“ durchgezogen hatte. Es sei nicht gut, "wenn die Wölfe die Hirten loben“, meinte der frisch gebackene Erzbischof und rügte die "Ungläubigen“, die die ganze Problematik auf einer politischen Ebene betrachten: "Aber wir Gläubigen gründen unser Wirken, unsere Arbeit und Berufung auf dem Gebet, auf einer tiefen Beziehung zu Gott.“

Die "Ungläubigen“ verwiesen freilich sofort auf die handfesten Hintergründe der ganzen Affäre. Die Ernennung Oroschs bestätige "die alte Indikation, dass Bezák wegen finanzieller Angelegenheiten abberufen“ worden sei, so Frantisˇek Miklosˇko, früherer Dissident und Urgestein der slowakischen Christdemokraten. Bezák habe auf die "Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsgebarung seines Vorgängers Ján Sokol hingewiesen“. Die Ernennung Oroschs, der schon unter Sokol Generalvikar war, sei "ein Versuch zu verhindern, dass jemand Neuer kommt, der die Sache so wie Bezák angehen würde“.

Die erste Schwalbe

Wohl nicht bloß späte Kollegialität hat die Slowakische Bischofskonferenz bewogen, dem Alterzbischof eine Rente zukommen zu lassen, die seiner Würde angemessen ist. Ende Juli lief nämlich die formale Anstellung Bezáks als Aushilfspriester aus, die sein Sabbatjahr absichern sollte, und schon begannen die Medien zu phantasieren, wie Bezák sich beim Arbeitsamt anstellen könnte. Dieser hat das Angebot freilich abgelehnt, bevor nicht seine Bedingungen erfüllt sind - siehe oben.

Bezeichnenderweise schien das Thema weder auf der Tagesordnung noch im Kommuniqué der letzten Versammlung der Bischofskonferenz auf, die den Beschluss der Apanage Róbert Bezáks fasste. Der größte Skandal, so der Expriester und Publizist L’ubomír Jasˇko, sei eben "die Art der Kommunikation der kirchlichen Hierarchie mit den Gläubigen und die Arroganz der Träger der heiligen Macht, die sich aus den kirchlichen Vorschriften ein Alibi für die eigene Unfreiheit zurechtgezimmert haben“.

Es wird noch einige Zeit dauern, bis in der katholischen Kirche zwischen Tatra und Donau Schönwetter und Friede - pohoda - einkehrt, aber "wenn die erste Schwalbe“, so der 84-jährige Kardinal-König-Preisträger Anton Srholec, "erfroren ist, heißt das nicht, dass kein Frühling kommt“.

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