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Weshalb der Ausschluss einer angeklagten verschleierten Muslimin von der Gerichtsverhandlung berechtigt war.

Bis jetzt haben wir die Diskussion über die Zulässigkeit von Vermummung vor allem im Zusammenhang mit der autonomen Szene gekannt: Da das Pochen auf individuelle Freiheit - eben auch jene, sich unkenntlich zu machen; dort das öffentliche Interesse an Sicherheit, welches auch fordert, dass sich potenzielle Gewalttäter nicht in den Schutz der Anonymität flüchten dürften.

Im Fall der jungen Muslimin, die sich nun im sogenannten Wiener Terror-Prozess gemeinsam mit ihrem (nach islamischem Recht) Mann wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten muss, kommt eine zusätzliche Dimension ins Spiel: die Religionsfreiheit. Auf diese hat sich die Angeklagte bei ihrer Weigerung, ihren Gesichtsschleier vor Gericht abzulegen, berufen. Es seien "so viele fremde Männer" anwesend, sie dürfe ihr "Gesicht nicht herzeigen", erklärte sie unter Verweis auf den Propheten. Richter Norbert Gerstberger ließ das nicht durchgehen und schloss Mona S. - gestützt auf einen Paragraphen der Strafprozessordnung über "ungeziemendes Benehmen" - von der Verhandlung aus. "Österreich ist kein Gottesstaat", hatte er zuvor gesagt, "auch wenn Sie das vielleicht gerne hätten".

Juristisch ist die Angelegenheit umstritten, wie immer wenn es um Grundrechtskollisionen geht. Experten sprechen dann zu Recht von "Gratwanderungen" oder "Graubereichen". Politisch spricht indes viel dafür, der Argumentation des Richters zu folgen, der die Vermummung als "Demonstration der Ablehnung der westlichen Gesellschaftsordnung" wertete; zumal es auch innerislamisch alles andere als klar ist, ob, wie von Mona S. behauptet, eine Vollverschleierung vorgeschrieben ist: Manche, wie etwa der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Anas Schakfeh, vertreten die Auffasssung, das Kopftuch genüge, andere halten auch das nicht für zwingend geboten.

Tatsache ist freilich auch, dass die Causa Mona S. nicht einfach ein allgemein religiöses, sondern ein spezifisch islamisches Problem einmal mehr sichtbar gemacht hat: die Vereinbarkeit muslimischer Traditionen mit modernen demokratisch-rechtsstaatlichen Standards. Wenn Schakfeh meint, die Burka (Ganzkörperverhüllung mit Gitter vor dem Gesicht; Mona S. hat allerdings keine Burka, sondern einen Nikab - Gesichtsschleier, der die Augen frei lässt - getragen; Anm.) sei "eine regionale Tracht", so kann man das kaum anders denn als Verharmlosung bezeichnen: als wäre diese "regionale Tracht", die ein archaisches, mit der "westlichen Gesellschaftsordnung" (Gerstberger) völlig inkompatibles Frauenbild symbolisiert, nicht eindeutig religiös zuordenbar. Nebenbei bemerkt, ließe sich daran auch die Frage anknüpfen, wieso viele Protagonisten des öffentlichen Diskurses für "regionale Trachten" anderer Kulturkreise zumindest Respekt und Verständnis fordern, während ihnen angestammte "regionale Trachten" tendenziell als Ausdruck "klerikofaschistischer" Gesinnung gelten. Aber das ist eine andere Geschichte …

Die aktuelle Auseinandersetzung ist im Grunde nur eine neuerliche Ausprägung der seit Jahren schwelenden und immer wieder aufflackernden Debatte um die Einordnung und Bewertung religiöser Symbole im öffentlichen Raum. So hatte beispielsweise vor rund vier Jahren der damalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau mit seiner Wortmeldung über "missionarische Textilien", als die muslimische Schleier und Kopftücher gleichermaßen wie Mönchskutten zu gelten hätten, für heftige Kontroversen gesorgt.

Der Unterschied zwischen Kutte und Kopftuch liegt indes im unterschiedlichen Verständnis hinsichtlich der Trennung zwischen Religion und Staat in den jeweiligen Glaubensgemeinschaften: Zurecht erkennt heute niemand mehr in öffentlich präsenten christlichen Symbolen die Behauptung eines umfassenden, integralen Geltungsanspruchs oder eine Infragestellung der bestehenden pluralistisch-freiheitlichen Gesellschaftsordnung.

Vorfälle wie jener um Mona S. nähren hingegen den Verdacht, dass diesbezüglich innerhalb der islamischen Gemeinschaft, gelinde gesagt, noch erheblicher Klärungsbedarf besteht.

rudolf.mitloehner@furche.at

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