(K)Ein jüdischer Schriftsteller

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Kein Nachruf auf Philip Roth, der vergangene Woche starb, hat verabsäumt, ihn als bedeutenden "jüdischen" Schriftsteller zu würdigen, obwohl Roth selbst dieses Etikett stets ablehnte. Das Thema seiner literarischen Kreativität sei "Amerika". Warum diese Ablehnung, obwohl sein ganzes literarisches Werk von jüdischen Figuren und Themen geprägt ist?

Roths früheste Werke erschienen in den 1950er Jahren, als viele Juden in den USA die Chance sahen, endlich in der weißen Mittelschicht akzeptiert zu werden. In "Goodbye, Columbus"(1959) und anderen Texten hielt Roth ihnen einen Spiegel vor. Darin zeigte er ihre verkrampften Bemühungen auf, die damit verbundenen Konformitätserwartungen zu erfüllen. Roth spottete, sie seien getrieben von der Sorge, "Was werden die goyim (Nichtjuden) denken?" Entsprechend heftig war der Zorn, dass Roth Juden als materialistisch, kleinbürgerlich und geistig eng bloßstelle. Nicht mal ihrer Religion seien sie sich sicher, schien die Botschaft der Erzählung "Die Bekehrung der Juden" zu sein. Darin hält ein Schüler dem Rabbiner vor, die Idee eines auserwählten Volkes passe nicht zum Gleichheitsideal der Unabhängigkeitserklärung der USA.

Solche Spannungen lotete Roth lustvoll aus. Inzwischen wird er dafür gefeiert, dass er jüdische Lebenswelten zum Thema des literarischen Kanons der USA machte. Auch so kann man Roths Anspruch verstehen, er sei vor allem ein amerikanischer Schriftsteller. Dieser Anspruch könnte dazu beigetragen haben, dass ihm der Literaturnobelpreis verwehrt blieb. Schade, dass Roth die Skandale um Korruption und sexuelle Belästigung nicht zu einer literarischen Abrechnung mit der Schwedischen Akademie verwendet hat. Das wäre unterhaltsam gewesen - und eine Chance, der feministischen Kritik an seinem Frauenbild entgegenzutreten.

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