Kein Monopol mehr, vielleicht aber Marktführer in Religionskompetenz

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Vom Glanz und Elend der (christlichen) Theologie

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Vom Glanz und Elend der (christlichen) Theologie

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Theologie als Wissenschaft nahm lange die erste Stelle der Fakultäten ein. Doch dieser Status ist in Frage gestellt. Der pluralistische Staat fragt sich, warum nur Katholiken und Protestanten dieses Privileg genießen sollten. Und in der Kirche selbst mehren sich Stimmen, die für einen Rückzug von der Universität in ihren Binnenraum plädieren. Welche Diskussionsbeiträge können die betroffenen Professionalisten dazu leisten? Zwei neue Publikationen werfen ganz unterschiedlich - Licht auf diese Frage.

(Wie) Ist das alte christliche Glaubensbekenntnis heute (noch) zu verstehen? Deutschsprachige Dogmatik-Professoren analysieren im Band "Was bekennt, wer heute das Credo spricht?" die Artikel des Credo und decken dabei wesentliche Inhalte des christlichen Glaubens ab. "Ich glaube" kann heute heißen, "das Gottesgerücht für wahr zu halten". Gott ist der Hoffnungshorizont dafür, dass Liebe und Leben gelingen kann. Dass man bei diesem Wort "Gott" um Worte ringt, darf nicht nur nicht irritieren sondern ist der Theo-Logie angemessen. Der Schöpfer ist nicht nur der erste unbewegte Beweger, sondern der Erhalter der Welt, in dessen Namen die Gläubigen die Welt verantwortungsbewusst gestalten. "Vater" (mit mütterlichen Zügen) betont die Zuneigung Gottes zu den Menschen, seine Sympathie für die Welt. "Jesus Christus", das Zentrum der christlichen Religion, verbindet auf unüberbietbare Weise Himmel und Erde, Gott und die Menschen und eröffnet ihnen dadurch Lebensmut und Handlungsspielräume. "Heiliger Geist" ist die Präsenz Gottes in der Welt, das "Im-andern-bei-sich-selbst-Sein".

Auch wenn das Fachtheologische des Büchleins manchmal ins Unlesbare abgleitet, werden viele dieses Kompendium aktueller Theologie dankbar zu Rate ziehen. Es darf aber gefragt werden, ob der christliche Glaube tatsächlich so schwer verständlich ist, dass auch seine kurzen Bekenntnisformeln so ausführlich erklärt werden müssen.

Beim genaueren Hinsehen braucht es aber die wissenschaftliche Theologie sehr wohl: um Beliebigkeit und Unverbindlichkeit einerseits und ideologischen, dialogunfähigen Fundamentalismus andererseits zu vermeiden. Galt im Mittelalter die Philosophie als "ancilla theologiae", so muss sich die Theologie heute selbst als Dienerin des Glaubens verstehen. An vielen Gläubigen liegt es, das formulierte Credo in die Praxis umzusetzen: in Predigt und Religionsunterricht und, noch viel wichtiger, an den Orten des Lebens: in Familie, Fabrik, Spital, Frauenhaus, Politik - und am Stammtisch.

Der zweite Sammelband, "Theologie im Umbruch", der von der Grazer Theologischen Fakultät zusammengestellt wurde, stellt sich diesem Theorie-Praxis-Problem. Die universitäre Wissenschaft sieht sich herausgefordert, ihr Selbstverständnis und ihre gesellschaftliche Relevanz nachzuweisen. Für welche Berufsbilder außer für den Priester und Religionslehrer werden Theologinnen und Theologen ausgebildet? Welche Funktionen haben die einzelnen Disziplinen wie Dogmatik oder Ethik im Ganzen der Theologie? Worin besteht die Einheit und Ganzheit der Gotteslehre? Als zentrales Anliegen erscheint dabei in fast allen Beiträgen die Praxisorientierung. Die originellsten und hilfreichsten Gedanken steuert da ein Außenstehender bei, der bekannte Religionsjournalist Peter Pawlowsky: Wenn Theologie heute noch relevant bleiben wolle, dann müsste sie längst wahrgenommen haben, dass sie kein Monopol mehr innehabe. Es bleibe ihr aber unbenommen, in Sachen Religionskompetenz Marktführer zu sein oder (wieder) zu werden.

WAS BEKENNT, WER HEUTE DAS CREDO SPRICHT? Hg. von Reiner Anselm und Franz-Josef Nocke. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2000. 136 Seiten, kt. öS 234,-/e 17,01 THEOLOGIE IM UMBRUCH.Hg. von Wolfgang Weirer und Reinhold Esterbauer (Reihe: Tehologie im kulturellen Dialog, Bd. 6). Verlag Styria, Graz 2000. 350 Seiten, geb.. öS 298,-/e 21,66

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