Keine Alternative zum Dialog

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Die Welt ist verrückt. Auf diesen Punkt mag man die jüngste Runde in einem virtuellen Religionskrieg mit tödlichen Auswirkungen bringen: Da verbrennt ein fundamentalistischer christlicher Zündler im Wortsinn irgendwo in Florida einen Koran. Und zwar schon am 20. März. Erst zwei Wochen später verbreitet sich dies über die virtuellen Kanäle - TV, Web, SMS - nach und in Afghanistan, Kundgebungen folgen, eskalieren, im Norden werden sieben UN-Leute vom Mob getötet, auch im Süden kommen Menschen bei Demonstrationen um.

Keine Diagnosen am Schreibtisch

Man sollte einerseits nüchtern bleiben, am Schreibtisch im fernen Wien lassen sich die Details der Auseinandersetzungen nicht beurteilen. Was in den afghanischen Vorgängen mitschwingt und wer da welche Interessen befördert, bleibt schwer zu sagen.

Andererseits ist nicht bestreitbar, dass ein absurdes Ereignis in einer mittelgroßen US-Stadt tödliche Auseinandersetzungen auf der anderen Seite der Erdkugel zu induzieren imstande ist. Und dass ein evangelikaler Prediger eine Bedeutung erhält, die ihm nie und nimmer zukommt.

Aber die Welt weiß spätestens seit Osama bin Laden die globale Bühne betreten hat, dass es die "unbedeutende Provinz“ oder ein "fernes Bergland“ nicht mehr gibt, wo religiöser Fanatismus abgeschieden bleibt: Hermetisch mag das Denksystem des Fundamentalismus sein, die Auswirkungen wuchern über die ganze Welt. Und können tödlich enden.

Die Vorgänge offenbaren gleichzeitig die Achillesferse nichtinstitutioneller Religion. Dass der Koran-Verbrenner in Florida dem freikirchlichen Milieu entstammt, macht ihn beinahe ungreifbar, weil es auch keine religiöse Instanz gibt, die ihn zur Räson brächte.

Die institutionelle Nicht-Verfasstheit ist im Islam gleichfalls eines der Probleme: Denn mit welcher islamischen Instanz sollen sich Christen auseinandersetzen, um Konflikte mit religiösen Komponenten oder Wurzeln zu lösen?

Umso wichtiger scheint es, dass bestehende religiöse Autoritäten im Gespräch bleiben. Dass etwa die Al-Azhar-Universität in Kairo, oft als "höchste Lehrautorität des sunnitischen Islam“ apostrophiert, vor wenigen Wochen den Dialog mit dem Vatikan eingestellt hat, ist kein gutes Zeichen: Der Papst habe sich mit seinen Klagen über den Umgang mit Christen in Ägypten unzulässig in die inneren Angelegenheiten eingemischt, so eine wesentliche Begründung für den Gesprächsabbruch. Man muss hier natürlich im Blick haben, dass die Leitung von Al-Azhar, insbesondere ihr Großscheich, im Einfluss des Mubarak-Regimes stand und von daher im Sinn des mittlerweile gestürzten Regimes agierte.

Doch in der Änderung der Verhältnisse könnte die Chance liegen, dass sich die Instanz Al-Azhar wieder in den interreligösen Dialog einklinkt. Jede Hilfestellung dabei ist zu begrüßen: Dass der österreichische Außenminister Michael Spindelegger dieser Tage in Kairo unterwegs war, sich mit dem Kopten-Papst und dem Großscheich von Al-Azhar traf und ein Dialogzentrum der Weltreligionen in Wien auf die Beine stellen will, ist von daher nur zu begrüßen.

Österreichs nützliche Dienste

Österreich hat in der arabischen Welt einen guten Ruf und kann auch als säkulare Gesellschaft nützliche Dienste der Verständigung anbieten. Es ist hoch an der Zeit, diesen Dialog zu befördern: Auch Rom und Al-Azhar sind wieder an einen Tisch zu bringen.

Dieser Tage erinnern in Wien und anderswo Christen an die Bedrohung ihrer Glaubensgeschwister in vielen Teilen der Welt. Diese Bedrohung darf nicht aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden. Ein wichtiges Standbein diesbezüglicher Aktivität sollte aber das glaubhafte Bemühen sein, unbeirrt und unermüdlich an einer Gesprächsbasis mit dem Islam zu arbeiten. Eine Herkules-, vielleicht gar eine Sisyphus-Arbeit. Aber doch ohne Alternative.

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