Keine Einbahnstraße

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Das Anwachsen des Islam in Europa stellt eine epochale Herausforderung für die Bürgergesellschaft - und darin besonders für die Christen - dar.

Leitende Verantwortliche der christlichen Kirchen, des Judentums und des Islam in Österreich haben sich vor kurzem in einer Art von Schulterschluss betreffend den politischen und kulturellen Umgang mit Ausländern in Österreich gemeinsam zu Wort gemeldet. Dies ist ein weiterer Schritt auf einem Weg des Miteinander, der schon vor Jahren begonnen hat und den man gern als "österreichischen Weg" bezeichnet in der Hoffnung, dass unser Land auch diesbezüglich entsprechend einem Wort von Grillparzer eine "kleine Welt" sein kann, "in der die große ihre Probe hält". Euphorie ist deshalb nicht angesagt, denn religiös oder politisch Verantwortliche werden ja gerne und berechtigt gefragt, wie viele Angehörige ihrer Gemeinschaften sich mit ihren Stellungnahmen identifizieren. Dies gilt besonders für den vielgestaltigen Islam, aber auch für die großen christlichen Kirchen.

Good governance bedeutet für leitend Verantwortliche freilich auch die Bereitschaft, aus guten Gründen ein sogar eigenen Parteigängern unbequemes Profil zu entwickeln. Dies muss aber verbunden sein mit der Bereitschaft, dieses Profil ohne Arroganz und begleitet von geduldiger Argumentation zu präsentieren, dann freilich gleichviel, ob dies gelegen oder nicht gelegen ist.

Nichts klein- und schönreden

Viele Christen und besonders auch die Kirchenleitungen bemühen sich in Österreich seit vielen Jahren um ein faires Miteinander nicht nur von Christen getrennter Kirchen, sondern auch von Christen, Juden und Muslimen. Bezogen auf den vielgestaltigen Islam ergibt dies weithin bekannte Schwierigkeiten auf beiden Seiten, die nicht klein- und schöngeredet werden sollten.

Die Beziehungen der angestammten Bevölkerung zu den Muslimen und ihren Gemeinschaften sind ja auch in unserem Land nicht völlig ablösbar von be-gründeter Skepsis, ja Furcht gegenüber manchen Ausprägungen des Islam im globalen Horizont. Diese Skepsis und Furcht wird nicht kleiner, wenn ihr im Namen einer fragwürdigen political correctness ein Redeverbot auferlegt wird. Solche Redeverbote begünstigen lediglich das Agieren mancher demagogischer Politiker und lösen keine Probleme, sondern decken sie nur zeitweise zu. Sie behindern das Zusammenleben integrierter oder integrationswilliger Muslime mit religiös anders- oder nichtglaubenden Menschen im Land.

Nur bloße "Provinzposse"?

Ein sachlich höchst unqualifizierter Generalangriff gegen den Islam seitens der Spitzenkandidatin der FPÖ vor der jüngsten Grazer Gemeinderatswahl hat österreichweit und darüber hinaus Empörung nicht nur bei Muslimen, sondern auch bei politisch Verantwortlichen der meisten Parteien und besonders auch in den Kirchen und anderen religiösen Gemeinschaften hervorgerufen.

Diese Allianz im Widerstand gegen etwas, das zwar in Wien als bloße "Provinzposse" bezeichnet wurde, aber dennoch nicht ein steirisches Sonderproblem, sondern ein Problem vieler Länder Europas anzeigt, stellt der politischen Kultur unseres Landes ein gutes Zeugnis aus. So nicht! Das war die Botschaft an lokale Brandstifter.

Die großen Probleme zwischen dem Islam und westlichen Demokratien und Gesellschaften bleiben aber auch in Österreich auf dem Tisch und sollten ohne Tabus besprochen und abgearbeitet werden. Dafür plädieren unbeirrt von Stimmungen und Denkverboten besonders auch profilierte Journalisten unabhängiger Zeitungen.

So beispielsweise vor kurzem Christian Ortner in der Presse unter der Überschrift "Jene unappetitliche Grazer Pöbelei gegen den Islam lässt dessen problematische Aspekte leider nicht verschwinden". Hier geht es um die Frage einer europäischen Stabilität, die oft mit dem umstrittenen, aber im Kern kaum angreifbaren Begriff "Leitkultur" bezeichnet worden ist. Diese Leitkultur ist in besonderem Maß vom Christentum - freilich ohne Monopolanspruch - geprägt und umfasst nicht verhandelbare, nicht aufgebbare Werte europäischer Demokratie.

Entschiedenes Christsein

Kirchlicherseits gibt es in Europa im weiten Bogen vom Vatikan bis zu kirchlichen Institutionen und auch Pfarrgemeinden in Österreich und in damit vergleichbaren Ländern eine große Bereitschaft zu einem ehrlichen Gespräch mit dem Islam auf der Basis gegenseitigen Respekts und einer Toleranz, die keine Einbahnstraße ist. Wer als Christ die Türen auf diese Weise öffnet, braucht freilich eine starke Identität. Er darf seinen Glauben nicht verstecken. Dies würde ihm auch keinen Respekt seitens der Muslime einbringen.

Entschiedene Christen werden versuchen, auch Muslimen Christus zu zeigen und das Evangelium für sie zum Leuchten zu bringen. Andererseits werden tief gläubige Muslime ihre Religion einladend präsentieren. Das rasche Anwachsen des Islam in Europa ist eine epochale Herausforderung an die gesamte Bürgergesellschaft und in deren Mitte besonders an das Christentum.

Die Kirche ist herausgefordert zu einem entschlosseneren und missionarischen Glauben, der aus seinen tiefen Quellen schöpft, in einem unverkrampften Gegenüber zu Judentum und Islam.

Der Autor ist Bischof von Graz-Seckau und stellv. Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz.

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